"Erhöhte Unfallgefahr": Am Kleingartenverein Wendessen fahren die Autos zu schnell

Der Ortsbürgermeister sowie der Kleingartenverein-Vorsitzende fordern Maßnahmen und bekommen Rückendeckung von einem Verkehrsexperten der TU Braunschweig. Stadt und Landkreis sehen keinen Handlungsbedarf.

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Um diese Straße in Wendessen geht es.
Um diese Straße in Wendessen geht es. | Foto: Anke Donner

Wendessen. Seit Jahren beklagen sich Kleingartenbesitzer und Anwohner der Kreisstraße Am Friedhof in Wendessen über zu schnell fahrende Autos. Eine Geschwindigkeitsmessung der Stadt belegt jetzt, dass sich fast die Hälfte aller Fahrer nicht an das vorgegebene Tempolimit von 50 km/h hält. Der Wendesser Ortsbürgermeister Klaus-Martin Jungkurth fordert für den Bereich eine Verkehrsinsel.


Nachdem es Anfang dieses Jahres auf der Straße zu einem Verkehrsunfall gekommen war, wurde der Ruf nach Geschwindigkeit begrenzenden Maßnahmen wieder laut. Ein Autofahrer hatte in Richtung Ortsausgang die Kontrolle über sein Gefährt verloren und kam, nachdem er einen Maschendrahtzaun und drei Betonpfeiler umgefahren sowie eine Hecke durchbrochen hatte, in einer Kleingartenparzelle zum Stehen. Auslöser für den Kontrollverlust sollen nach Angaben des Fahrers gegenüber der Polizei Schmerzen im Bein gewesen sein.

"Das Auto ist in einen Garten gefahren, in dem sonst Kinder spielen, und an der Stelle zum Stillstand gekommen, an der sonst die Sonnenliegen der Gartenfreunde stehen", erklärte der Vorsitzende des Kleingartenvereins, Felix Siebert, seinerzeit und äußerte starken Zweifel daran, dass das innerstädtische Tempolimit eingehalten wurde. Die Straße selbst bezeichnet er als Rennstrecke.

Geschwindigkeit von 28.478 Fahrzeugen gemessen


Nur kurze Zeit nach dem Unfallereignis installierte die Stadt Wolfenbüttel auf Wunsch des Ortsrates Wendessen an der Strecke eine sichtbare Geschwindigkeitsmesstafel. Innerhalb von sieben Tagen wurden damit insgesamt 28.478 Fahrzeuge gemessen. 50 Prozent fuhren dabei nicht schneller als 49,1 km/h und 85 Prozent maximal 59,5 km/h. Weitere 15 Prozent (4.272 Fahrzeuge) fuhren noch schneller und ein Ausreißer sogar 90 km/h.

Sieben Tage lang wurde am Kleingartenverein in Wendessen die Geschwindigkeit der Autos erfasst.
Sieben Tage lang wurde am Kleingartenverein in Wendessen die Geschwindigkeit der Autos erfasst. Foto: Werner Heise


Experte sieht erhöhte Unfallgefahr


"Da müssten bei allen die Alarmglocken angehen", sagt Dr.-Ing. Stephan Hoffmann, Oberingenieur am Institut für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig, auf Anfrage von regionalHeute.de. Zwar gebe es kein verankertes Regelwerk, dennoch sollte der Wert der gemessenen 85 Prozent unterhalb des Tempolimits liegen. Dies sei laut Hoffmann bei Verkehrsingenieuren ein guter Standard, um festzustellen, ob die gefahrene Geschwindigkeit auf einer Straße zu hoch ist. Bezogen auf die vorliegenden Messergebnisse, die statistisch mehr als ausreichend belastbar seien, sagt er: "Auf jeden Fall fahren die Leute hier viel zu schnell." Die Wahrscheinlichkeit dass dort ein Unfall passiert, sei laut dem Verkehrsexperten höher. Und er sagt: "Da muss auf jeden Fall was passieren."

Der Wendesser Ortsbürgermeister Klaus-Martin Jungkurth fordert für den Bereich eine Verkehrsinsel. Eine Maßnahme die auch Dr.-Ing. Stephan Hoffmann empfiehlt, sofern die Straße mit einer einen Bogen schlagenden Fahrspur entweitet werden könne. Dies sei in solchen Fällen Standard.

Der Wendesser Ortsbürgermeister Klaus-Martin Jungkurth.
Der Wendesser Ortsbürgermeister Klaus-Martin Jungkurth. Foto: Anke Donner


Kreis und Stadt sehen keinen Handlungsbedarf


Doch aus Sicht des Landkreises und der Stadt Wolfenbüttel besteht kein Handlungsbedarf, wie die jeweiligen Sprecher auf Anfrage unserer Online-Zeitung mitteilen. Vonseiten der Stadt, die für die Verkehrsregelungspflicht bei dieser Straße zuständig ist, heißt es: "Grundsätzlich ist die Ortstafel zur Geschwindigkeitsregelung vollkommen ausreichend und vom Gesetzgeber als einzige verkehrsbehördliche Maßnahme an Ortseingängen vorgesehen – die Autofahrer müssen sich nur daran halten."

Und hier sieht man bei der Stadt das eigentliche Problem. "Immer häufiger werden Verkehrsregeln schlichtweg von einigen Autofahrern ignoriert und die möglichen Konsequenzen wie Unfälle etc. werden von diesen ausgeblendet. Auch ein Tempo-30-Schild hilft zum Beispiel nichts, wenn es ignoriert wird", sagt Stadtsprecher Thorsten Raedlein.

Ortsumgehung nach Braunschweig und Wolfsburg


Für den Wendesser Ortsbürgermeister Jungkurth ist die Straße Am Friedhof zu einer echten Ortsumgehung für Wolfenbüttel geworden. "Alle die nach Braunschweig oder Wolfsburg wollen fahren hier lang", sagt er. Dabei erinnert sich Jungkurth noch an Zeiten, zu denen es mangels Verkehr keinen Winterdienst auf besagter Straße gab.

Gefahr für Schulkinder



Ich würde da meine Schulkinder auch nicht langgehen lassen.

- Klaus-Martin Jungkurth



Und der Ortsbürgermeister bringt in die Diskussion noch einen weiteren Punkt mit ein. Laut seiner Aussage findet im Wohngebiet "Am Atzumer Weg" derzeit ein Generationenwechsel statt und es sei somit vermehrt mit Schulkindern zu rechnen. Die einzige Straße, die aus diesem Gebiet herausführt, mündet in der kritisierten Kreisstraße, und einen Fußweg gibt es auf dieser Seite nicht. "Ich würde da meine Schulkinder auch nicht langgehen lassen", betont Jungkurth.

Mit dem Ortsrat habe er nun verkehrsberuhigende Maßnahmen bei der Stadt Wolfenbüttel beantragt. Und auch der Vorsitzende des Kleingartenvereins Felix Siebert will sich weiter für eine Beruhigung der Straße Am Friedhof einsetzen. Er spricht eine Einladung an die Entscheidungsträger aus, sich bei Kaffee und Kuchen im Kleingartenverein einmal selbst einen Eindruck von der Situation vor Ort zu machen.


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