Flucht nach Wolfenbüttel: Die Skrupellosigkeit der Schleuser

von Jan Borner


Zu Fuß und in verlassener Gegend über die Grenze. Symbolbild/Foto: Werner Heise
Zu Fuß und in verlassener Gegend über die Grenze. Symbolbild/Foto: Werner Heise | Foto: Werner Heise)



In unserem Mehrteiler "Flucht nach Wolfenbüttel", erzählen wir die dramatische Geschichte der syrischen Familie Hmedi, die vor dem Bürgerkrieg und den Gewalttaten des Islamischen Staates in ihrem Land floh, von ihrer Erfahrung mit Schleusern und ihrem Leben als Flüchtlinge in Wolfenbüttel. Heute: Teil 2.

Nachdem der Bürgerkrieg in Ali Hmedis Heimat einzog und die Gewalt weder vor seiner Haustüre, noch vor seiner Familie halt machte, blieb für den Mediziner nur noch die Flucht aus seinem eigenen Land. Sein Ziel war zunächst die Türkei. Wie so viele Syrer hoffte Hmedi noch immer auf ein baldiges Ende der Konflikte und darauf, bald in seine Heimat zurückkehren zu können. Weil er aber befürchtete,  dass ihn der syrische Staat nicht ausreisen und der türkische Staat nicht einreisen lasse, blieb ihm und seiner Familie nur die Flucht mithilfe von Schleusern.

Zu Fuß in die Türkei


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Ali Hmedi floh samt Familie vor dem Bürgerkrieg und den Gewalttaten des ISIS in seinem Land. Foto: Jan Borner

"Ich hatte noch Glück. Mir ging es finanziell noch gut. Andere Leute, die ihre Wohnungen verlassen mussten, haben auf den Straßen gesessen. Viele haben in den Parks von Damaskus geschlafen oder in Schulen und Moscheen." Hmedis finanzielle Rücklagen machten ihm und seiner Familie Hoffnung, der Gewalt entfliehen zu können. Sie verkauften ihre beiden Autos, ihren Schmuck und sammelten alle Ersparnisse: Umgerechnet blieben der Familie knapp sechzigtausend Euro um das Land zu verlassen, zu überleben und sich schließlich etwas neues aufzubauen. Hmedi fand einen Schleuser, der für knapp 3000 Euro versprach, seine Familie sicher in die Türkei zu bringen. Nach einer 48-stündigen Fahrt und einem vier-Stunden-Fußmarsch über die Grenze, sollte das auch tatsächlich gelingen.

Das neue Ziel: Deutschland


Istanbul war drei Monate lang die rettende Insel im Meer der Angst. Als aber die Wogen des Bürgerkrieges sich einfach nicht glätten ließen und die von einem Schleuser vermittelte, enorm überteuerte Wohnung an den finanziellen Resten zerrte, wurde Hmedi klar, dass er in einem fremden Land ein neues Leben starten musste. Sein neues Ziel war Deutschland, weil er hoffte, als gut ausgebildeter Arzt einen sicheren Platz in einer stabilen Gesellschaft zu finden. Für den Weg dorthin, blieb ihm als syrischer Flüchtling der legale Reiseweg verschlossen. Zum zweiten Mal brauchte er die Hilfe von Schleusern.

Die Skrupellosigkeit der Schleuser


Die Entscheidung, alles, was man besitzt, hinter sich zulassen, um in einem Land neu zu starten, dessen Sprache und Kultur noch völlig unbekannt sind, ist schon Zeichen genug für die Aussichtslosigkeit der eigenen Situation. Aber bereit dafür zu sein, das letzte Hab und Gut in die Hände derer zu geben, von denen man genau weiß, dass sie die eigene Not ausnutzen und missbrauchen, das bedeutet verzweifelt zu sein und alles, was einem bleibt auf die letzte noch verfügbare Karte zu setzen. Der Preis, den die fünfköpfige Familie für ihre Reise nach Deutschland an die Schleuser zahlen musste, betrug umgerechnet knapp vierzigtausend Euro. Eine sogenannte Vertrauensperson, die in einem großen Goldladen in Istanbul arbeitete, nahm das Geld entgegen und versprach, es erst dann an die Schleuser auszuzahlen, wenn die Familie gut in Deutschland angekommen sei.

Die leeren Versprechen


Die Abmachung war, dass die Schleuser die Familie bis vor die Grenze von Bulgarien bringen, wo sie zu Fuß die Grenze überqueren sollten, um schließlich auf der anderen Seite wieder mit Autos abgeholt und weiter transportiert zu werden. Auf der bulgarischen Seite warteten allerdings keine Autos auf die Familie, sondern ein Fluss, ein Schlauchboot und ein Schleuser, der Hmedi nach einer Weile samt Frau und Kindern aus dem Boot schmiss und mit allem, was die Familie bei sich hatte, einfach verschwand. Was folgte, beschrieb Ali Hmedi als 10 Stunden Angst, die schlimmer seien als 20 Jahre voller Schmerzen.

Fortsetzung folgt


Lesen Sie morgen auf RegionalWolfenbüttel.de wie Hmedi und seine Familie dennoch weiter kämpften und nach Wolfenbüttel kamen.


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