Wolfenbüttel. DRK-Kreisvorstand Andreas Ring berichtete am vergangenen Samstag über Erfahrungen rund um die Flüchtlingsunterkunft in Schöppenstedt. Vorstand und Kreispräsidium hatten zuvor die jährliche Delegiertenversammlung abgesagt: "Haupt- und Ehrenamtliche unseres Wohlfahrtsverbandes sind durch die Flüchtlingshilfe derart beansprucht, dass eine geordnete Vorbereitung und Durchführung unserer Jahressitzung derzeit nicht möglich ist", erklärte Präsidiumssprecher Horst Kiehne. Stattdessen luden er und Andreas Ring die DRK-Ortsvereine zu einer Informationsveranstaltung ins Solferino ein.
Seit drei Wochen arbeite das DRK im Krisenmodus, weil es 300 Betten in Schöppenstedt vorhalte. "Das läuft als Amtshilfeverfahren der Landesregierung, das üblicherweise maximal vier Wochen Bestand hat", erläuterten beide. "Eigentlich müsste diese Amtshilfe nächste Woche ablaufen." Doch damit rechnet niemand. Vielmehr sind für Mittwoch weitere 200 Flüchtlinge angekündigt. "Wer immer aus den Ortsvereinen sich an den Aufnahmetagen engagieren möchte, bei der Essensausgabe oder der Registrierung, melde sich bitte im Kreisverband", riefen sie die rund 30 Ortsvertreter zur Mithilfe auf.
"Verlässlich ist nur, dass nichts verlässlich ist."
Andreas Ring kritisierte das Krisenmanagement in Niedersachsen. "Das Chaos des Landes belastet uns maximal." Absprachen fänden so gut wie gar nicht statt. "Pro Woche trifft mindestens ein Bus in Schöppenstedt ein, aber der Anruf irgendeines Fahrers stellt für uns den ersten Kontakt zu der neuen Gruppe dar: 'Hallo, in drei Stunden sind wir da!' Das kann doch nicht richtig sein." Auch Kiehne unterstrich die unsichere Situation: "Verlässlich ist nur, dass nichts verlässlich ist." Das DRK sei überhaupt nur noch durch das enge Zusammenspiel von haupt- und ehrenamtlichen Kräften in der Lage, die Flüchtlinge zu versorgen. "Unsere Servicestelle und das Solferino sind mittlerweile komplett ausgelastet."
Spenden
Auch die Lage in der Wolfenbütteler Tafel, dritte Säule der DRK-Flüchtlingshilfe, sei extrem angespannt. Einerseits gehen die Spenden zurück, weil die Zahl der Tafeln steigt. "Andererseits werden die Abholer immer mehr", wie Präsidiumsmitglied Juliane Liersch schilderte. Inzwischen standen sogar schon Flüchtlinge vor der Tür. "Diese haben wir aber abgewiesen, weil sie in ihren Unterkünften nicht nur verpflegt werden, sondern auch ein Taschengeld bekommen." Wenn die Zahl der Abholer weiter steige, müsse man über einen Aufnahmestopp in der Tafel nachdenken, sagte Andreas Ring. Er rief dazu auf, haltbare Lebensmittel (Reis, Nudeln) und auch Körperpflegemittel zu spenden. "Selbstgemachtes dürfen wir nicht annehmen", sagte er. "Der Inhalt der Verpackung muss eindeutig deklariert sein." Es bringe nichts, Spenden direkt in die Unterkünfte zu bringen. Vielmehr müssten Lebensmittel zur Tafel (Am Alten Tore), Kleiderspenden zur Tafel oder zur Kleiderkammer (Am Exer 15). "Das DRK hat kein Großlager, darum können wir weder Möbel noch Hausrat annehmen", wiederholte Andreas Ring. Er riet, mit Spenden dieser Art das Möbelkontor (Goslarsche Straße) aufzusuchen.
"Der DRK-Kreisverband kann mehr nicht leisten."
Präsidium und Vorstand kündigten an, dass sich das DRK auf eine Belastungsgrenze zubewege. Neben den 300 Plätzen in Schöppenstedt und der Einrichtung für 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Wolfenbüttel stehe seit Mitte des Jahres die Zusage für eine weitere DRK-Einrichtung. "Dann sind wir aber logistisch und personell am Limit", erklärte Ring. "Der DRK-Kreisverband kann mehr nicht leisten." Vielleicht würde es helfen, wenn durch bessere Organisation auf Bundesebene Mehrfachbelastungen abgebaut würden. Andreas Ring berichtete von Fällen, in denen Menschen nach der Aufnahme in München einfach in Busse nach Schöppenstedt gesteckt worden sind. "Dabei wurden Familien willkürlich getrennt, mit der Folge, dass die Neuankömmlinge in Schöppenstedt was essen, eine Nacht schlafen und sich dann sofort wieder auf den Weg nach München machen, zu ihrer Familie."
Horst Kiehne hatte durch eigene Kontakte erfahren, warum so viele junge Menschen unter den Flüchtlingen sind. "Ich traf einen 15-jährigen Syrer, dessen Familie bis nach Ägypten geflohen war. Als dort das Geld knapp wurde, legten sie alles zusammen und schickten dann den Jungen allein weiter." Er solle bis nach Schweden, weil es dort Verwandte gebe. "Die Hoffnungen der ganzen Familie ruhen auf diesem Jungen."
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