Gefunden: Die verschollenen Seiten des goldenen Buches

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| Foto: Anke Donner)



Wolfenbüttel. In der letzten Woche berichtete WolfenbüttelHeute.de über die vielen Einträge in das goldene Buch der Stadt. Neben den zahlreichen bekannten Persönlichkeiten, beschäftigte uns jedoch auch die Frage, was mit einigen Seiten passiert ist, die offensichtlich ab 1940 fehlen.

Nach einiger Recherche und mit der Hilfe von Peter Kiehne konnte unsere Online-Tageszeitung herausfinden, wo die Seiten verblieben sind. Sie lagern im Wolfenbütteler Rathaus.

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Das goldene Buch der Stadt Wolfenbüttel wurde einst zu Ehren Hitlers angefangen. Foto:



Die Seiten, die 1962 aus dem goldenen Buch der Stadt entfernt wurden, sind Bestandteil eines der dunkelsten Kapitel der Deutschen Geschichte. Sie entspringen einer Zeit voller Rassenhass, Mord, Vertreibung und Diktatur. Es sind Seiten, die aus Respekt vor späteren Eintragungen entfernt und geändert wurden. Seiten, die die Verherrlichung eines Mannes offenbaren, der Not und Leid verbreitete.

Der erste Eintrag - zur Ehre Hitlers


"Begonnen aus Anlass der fünften Wiederkehr des Tages der Machtübernahme durch unseren geliebten Führer und Reichskanzler Adolf Hitler am 1.12.1938,“, lautete der Originaltext, mit dem das Buch angefangen wurde. Dieser Eintrag existiert heute nicht mehr. 1962 veranlasste der damalige Stadtdirektor Wolfgang Wessels , die Inschrift des Buches in "Begonnen am 1.12. 1938" zu ändern.

Ebenso einigte man sich darauf, die Seiten, die mit Hakenkreuzen verziert den Besuch des ehemaligen Reichs-Innenminister Wilhelm Frick dokumentierten, zu entfernen.

Der "Vater des goldenen Buches" erinnert sich


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Peter Kiehne sieht sich die Seiten an, die fast in Vergessenheit geraten sind. Foto: Anke Donner)



Peter Kiehne, ehemaliger Hauptsamtleiter in der Stadtverwaltung und "Vater des goldenen Buches" erinnert sich noch gut. Seit 1962 führt er das goldene Buch und trägt in feiner Kalligrafie die Überschriften ein. Als das goldene Buch fortgeführt wurde, war er derjenige, der es „entnazifizierte. "Das Buch wurde erst 1962 aus seiner Verwahrung geholt. Nach dem Krieg hatte man einfach wichtigere Dinge zu tun, als sich mit Eintragungen in ein Buch zu beschäftigen. Wir mussten dafür sorgen, dass die Stadt wieder aufgebaut wird. Als es später wieder zum Vorschein kam, entschlossen wir uns, es weiterzuführen. Wir haben uns dann aber auch entschieden, die zwei Seiten von Wilhelm Frick herauszutrennen und die Inschrift auf der ersten Seite zu ändern. Ich selber habe sie ausradiert und neu formuliert. Die rausgetrennten Seiten, die auf eine ganz penetrante Art und Weise die Verherrlichung des Nationalsozialismus zeigen, wurden zwar aufbewahrt, sie sollten aber nicht mehr Bestandteil des Buches sein. Wir hatten einfach die Sorge, dass sich niemand mehr in das Buch eintragen will, wenn er die Seiten sieht", so Kiehne.

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Die Unterschrift von Wilhelm Frick im goldenen Buch der Stadt. Foto:



Anlass des Eintrags von Frick in das goldene Buch war die Grundsteinlegung zum Bau der Dienstwohnungen für die Arbeiter der Hermann-Göring-Werke im Wolfenbütteler Westring.  Zwei Seiten wurden von dem Nationalsozialisten Frick gleich für seinen Eintrag in Beschlag genommen. Eine Seite zeigt die Unterschriften verschiedener Mitglieder der damaligen Landesregierung. Auf der anderen Seite ist die Unterschrift von Wilhelm Frick zu sehen. Beide Seiten sind mit Hakenkreuzen in roter und gelber Farbe umrandet.

Frick wurde für seine Kriegsverbrechen in Folge der Nürnberger Prozesse zum Tode durch den Strick verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet.

Ein Teil der Stadtgeschichte


Diesen Teil der Nazi-Geschichte wollte man in dem Buch, in dem sich später ehrenwerte Bürger und Politiker eintragen sollten, nicht mehr wissen. "Es ist aber dennoch wichtig, dass diese Seiten sicher aufbewahrt werden. Sie sind nun mal Teil der Stadtgeschichte", so Peter Kiehne, der die Seiten nach vielen Jahren wieder in den Händen hielt. "Ich habe mir die Seiten damals gar nicht so genau angesehen. Wir haben sie rausgetrennt und schnell weggetan", sagt er später.

Nichts sollte so kurz nach dem Krieg an die dunkle Zeit erinnern. 17 Jahre waren erst seit dem Ende des Dritten Reichs vergangen. Zu tief war noch das Entsetzen über die Geschehnisse. Zu groß war das Leid, das über die Menschheit gekommen war. Heute, mehr als 75 Jahre später ist dieser Teil der Geschichte nicht weniger grausam, aber dennoch ist das Dokument ein Kapitel der Wolfenbütteler Vergangenheit. Das auf Büttenpapier geschrieben ist.


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