Hat Wolfenbüttel die schlimmste Ausländerbehörde Niedersachsens?

"Uns ist bewusst, dass die Situation derzeit für Antragstellende sowie für die Beschäftigten nicht ideal ist", sagt der Landkreis Wolfenbüttel.

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Die Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel hat seinen Sitz auf einem Hinterhof an der Langen Straße.
Die Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel hat seinen Sitz auf einem Hinterhof an der Langen Straße. | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel. In der Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel läuft es alles andere als rund. Das zeigen nicht nur zahlreich negative Bewertungen bei Google, sondern auch die eigene Erfahrung des Autors dieses Artikels. Dem Landkreis Wolfenbüttel ist die Situation bewusst.



Wer als anerkannter Flüchtling, aber auch als bewusster Gast aus dem Ausland für einen längeren Zeitraum in Deutschland bleiben möchte, benötigt einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Diesen beantragt man bei der Ausländerbehörde am neuen Wohnort. So auch junge Gastschüler, die jedes Jahr aus aller Welt für ein paar Monate nach Deutschland kommen, um Kultur, Sprache und Land kennenzulernen. In Wolfenbüttel scheint man jedoch bereits mit einer Standardprozedur für diese Zielgruppe überfordert zu sein.

Chaos bei Terminvergabe und Antrag


Nehmen wir den Fall eines 16-jährigen US-Amerikaners, der als Stipendiat des Deutschen Bundestages ein neunmonatiges Gastschuljahr in Wolfenbüttel verbringt. Erst nach mehrmaliger Kontaktaufnahme mit Erinnerung hat die Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel einen Termin zur Beantragung eines Aufenthaltstitels für ihn vergeben. Für 69 Tage nach der ersten Anfrage. Beim Termin selbst, wusste man dann nicht, welche Unterlagen man von ihm benötigte, forderte zwei Wochen später postalisch eine Bescheinigung nach, die allerdings bereits vorlag. Auch ein anderes zuvor abgegebenes Dokument wurde im weiteren Verlauf der Bearbeitung noch übersehen.

Gut fünfeinhalb Monate nach der ersten Terminanfrage und rund vier Monate vor der anstehenden Abreise war es dann so weit, die Aufenthaltsgenehmigung lag zur Abholung bereit. Eine Terminvereinbarung über die im entsprechenden Schreiben angegebene Homepage war nicht möglich, da es die Seite gar nicht mehr gibt. Unter der angegebenen Telefonnummer wurde man vom Sprachcomputer entweder aus der Leitung geworfen oder hing eine Stunde lang ergebnislos in der Warteschleife. Die fehlerhafte Kostennote, die für die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt wurde, sei hier nur am Rande erwähnt.

In Bewertungen auf Google kommt die Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel nicht gut weg.
In Bewertungen auf Google kommt die Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel nicht gut weg. Foto: Screenshot Google


"Situation nicht ideal"


Dies alles scheint kein Einzelfall zu sein. Eine Rezension auf Google bewertet die Ausländerbehörde des Landkreises Wolfenbüttel als schlimmste in Niedersachsen. Sinnbildlich dafür könnte auch das technisch und baulich mangelhafte Gebäude der Ausländerbehörde stehen. Ein defekter Fahrstuhl sowie ein auf dem Boden platzierter Eimer, für offenbar von der Decke tropfendes Wasser empfangen die Gäste hier.

Was also sagt der Landkreis Wolfenbüttel dazu? "Uns ist bewusst, dass die Situation derzeit für Antragstellende sowie für die Beschäftigten nicht ideal ist", erklärt Pressesprecher Andree Wilhelm. Als Gründe führt man hohe Fallzahlen sowie eine Unterbesetzung in der Behörde an. Wie viele Aufenthaltstitel in einem gewählten Zeitraum des vorstehenden Beispieles allerdings überhaupt beantragt wurden, kann man nicht beantworten. "Eine Auswertung zu diesem Zeitraum liegt nicht vor", heißt es. Eine Sonderauswertung will man aufgrund begrenzter personeller Ressourcen nicht durchführen.

Der Landkreis bemühe sich, die Einschränkungen möglichst gering zu halten. Bei einer Besetzung aller Stellen sei eine Verbesserung der Situation zu erwarten. Von 11,5 Planstellen für das Jahr 2024 sind derzeit sieben Stellen besetzt. In einer ersten Anfrage unserer Redaktion zum Thema waren es vor zwei Wochen noch 9,5 besetzte Stellen. Personalfluktuation, heißt es. "Der Landkreis bemüht sich derzeit, diese Stellen nachzubesetzen", erklärt der Pressesprecher. Unter den aktuellen Stellenangeboten auf der Homepage des Landkreises Wolfenbüttel werden jedoch keine Mitarbeiter für den Bereich der Ausländerbehörde gesucht.

Fallzahlen steigen


Derzeit sei die Ausländerbehörde des Landkreises für zirka 11.600 Personen zuständig. "Dies macht einen reinen Zuwachs von 1.035 Personen in einem Jahr. In dem Zeitraum vom 01.01.2022 bis zum 31.12.2023 kam es zu einem Zuzug von 2.622 Personen. Im Schnitt steigen die Fallzahlen etwa um 10 Prozent/Jahr", teilt man mit. Rein statistisch betrachtet, entspricht das bei insgesamt 504 Arbeitstagen in den genannten beiden Jahren, 5,2 Fällen für Aufenthaltstitel pro Tag.

Gleichwohl der Ausländerbehörde natürlich weitere Aufgaben zukommen. Beispielsweise die Erteilung von Verpflichtungserklärungen. "Verpflichtungserklärungen dienen der Einladung von Personen, die hier besuchsweise nach Deutschland einreisen möchten. Der Gastgeber verpflichtet sich darin, für die Kosten des Besuchs aufzukommen. Deren Zahl ist nicht zu unterschätzen, da der zeitliche Aufwand durchschnittlich pro Fall bei min. einer Stunde liegt. Im letzten Jahr fielen hierunter unter anderem zusätzlich die Opfer des Erdbebens in der Türkei, die hier zu ihren Verwandten einreisten", erklärt Wilhelm.

Für den 16-jährigen Amerikaner als Gast unseres Landes in jedem Fall insgesamt ein Eindruck, der bleibt. Von Willkommenskultur keine Spur. Ein Leitbild, wie ausländische Mitbürger vom Landkreis Wolfenbüttel empfangen werden sollen, gibt es nach eigener Auskunft aber auch nicht.


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