Kamingespräch mit Oesterhelweg: Wie wird Kultur vermittelt?

von Christina Ecker


Frank Oesterhelweg (Mitte) bei der Begrüßung zu seinem vierten Kamingespräch. Daneben (v. li. n. re.): Cremlingens Ortsheimatpfleger Jörg Weber, Vorsitzender des Kulturstadt Wolfenbüttel e. V. Prof. Dr. Christoph Helm; Leiterin des Schloss Museums Dr. Sandra Donner und der Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz Tobias Henkel. Fotos: Christina Ecker
Frank Oesterhelweg (Mitte) bei der Begrüßung zu seinem vierten Kamingespräch. Daneben (v. li. n. re.): Cremlingens Ortsheimatpfleger Jörg Weber, Vorsitzender des Kulturstadt Wolfenbüttel e. V. Prof. Dr. Christoph Helm; Leiterin des Schloss Museums Dr. Sandra Donner und der Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz Tobias Henkel. Fotos: Christina Ecker | Foto: Christina Ecker

Wolfenbüttel. Am Donnerstagabend lud der Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg ins Wok-In, zum vierten seiner Kamingespräche. Jedem dieser Abende liegt ein anderes Thema zugrunde, in das jeweils renommierte Gesprächsteilnehmer einführen. Anschließend kann diskutiert werden.


Zum Thema „Unsere kulturelle Tradition und ihre Vermittlung“ waren entsprechend vier Gesprächspartner geladen: Dr. Sandra Donner, die Leiterin des Museums im Schloss Wolfenbüttel; der Staatssekretär a. D. Prof. Dr. Christoph Helm, der auch der Vorsitzender des Kulturstadt Wolfenbüttel e. V. Ist sowie der Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz Tobias Henkel und Achäologe M. A. Jörg Weber, seines Zeichens auch Ortsheimatpfleger Cremlingens.

In die Herzen und Köpfe der Menschen


An diesem Abend waren circa 20 Gäste Osterhelwegs Einladung gefolgt. Im Wok-In wurde bei asiatischem Fingerfood und Wein der Abend begonnen. Der Gastgeber erklärte, dass die Gästeanzahl des Abends ganz bewusst begrenzt worden sei, denn in dieser Größenordnung ließe sich gut diskutieren. Dann gab der CDU-Politiker zunächst einen kurzen Abriss über seine Gesprächsreihe der Kamingespräche, die sich bislang mit Themen wie Integration, dem Umgang mit Geschichte und dem Unternehmertum in Deutschland befasst haben. Dann wurde aber auch schon zum Gegenstand des Abends übergeleitet. Oesterhelweg sagte, er glaube, es werde insgesamt immer schwieriger, kulturelle Tradition über die Zeit zu retten und weiter zu vermitteln. „‘Regionale Identität‘, vor dem Hintergrund der Leitkulturdiskussion und auch vor dem Hintergrund von Migration, vielleicht auch ‚nationale Identität‘, ‚kulturelles Erbe‘ – das sind alles wichtige Stichpunkte und das in einer Zeit, die immer schnelllebiger wird: Das zur Verfügung stehende Wissen verdoppelt sich in ganz, ganz wenigen Jahren; wir sind medial übersättigt und die Wertvorstellungen in dieser Gesellschaft driften – so der Eindruck – recht weit auseinander. Die Frage ist: Wie schaffen wir es, Kultur zu bewahren und zu vermitteln? Das heißt, ich kann wunderbare Archive anlegen, dort lagert Material unterschiedlichster Art, sicher, trocken sauber; aber wie kriegen wir es hin, das auch in die Herzen und Köpfe der Menschen hineinzutragen?“

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Circa 20 geladene Gäste waren gekommen. Foto:


Geringe Freizeit vs. Verpflichtung


Daran knüpfte Archäologe und Ortsheimatpfelger Jörg Weber an und bestätigte, dass auch er die Sorge teile, dass sich die Weitergabe kulturellen Erbes an die nachfolgenden Generationen schwierig gestalten könnte. Gründe hierfür seheer im demographischen Wandel und in gesellschaftlichen Veränderungen. So sei die berufliche Situation gegenwärtig eine völlig andere als noch in früheren Jahren, sodass entsprechend kaum jemand noch bereit sei, sich in seiner geringen Freizeit dauerhaft im kultureller Bereich festzulegen. „Deshalb brauchen wir Fantasie und Ideenreichtum, wie es uns tatsächlich gelingt, an die nachfolgenden Generationen heranzukommen und deswegen meine ich auch, dass die Arbeit mit Schulen, mit Kindern, mit Studierenden – also dass wir die Arbeit mit diesen Einrichtungen verbinden müssen. Das scheint mir ein erfolgsversprechender Weg zu sein, weil wir dann auch gezwungen sind, uns mit der Frage der Digitalisierung auseinanderzusetzen und mit der Frage, wie man somit alte Bestände jüngeren Generationen zugänglich machen kann.“

Politiker mitverantwortlich für Kulturbewahrung und -vermittlung


Oesterhelweg stimmte zu und meinte, damit Themen transportiert werden könnten, seien viele Faktoren wichtig, wie die neuen Generationen von Politkern. Als Beispiel nannte er Sarah Grabenhorst-Quidde, die derzeit erstmals auch für den Landtag antrete. Es sei wichtig, so Oesterhelweg, dass nachfolgende Politiker an diesen wichtigen Aufgaben auch mitarbeiten könnten. „Das Bewahren werden wir hinkriegen, aber der Transport ist wichtig. Dieser Transport funktioniert über Veranstaltungen, Museen und neue Museumskonzepte“, sagte er.

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Das Thema bot viel Redestoff und machte den Abend kurzweilig. Foto:


Tradition als Begriff


Dazu äußerte sich Dr. Sandra Donner, die Leiterin des Museums im Schloss und führte kurz in das Konzept des Bürgermuseums ein. Dort habe man sich über den Begriff „Tradition“ Gedanken gemacht und auch über ihre Vermittlung: „Tradition wird erst mal weitergegeben und gar nicht so bewusst vermittelt. Etwas, das unbewusst von einer zur anderen Generation oder innerhalb einer Gruppe weitergegeben wird. Und dieses Weitergeben bedeutet natürlich auch Ausgrenzung einer anderen Gruppe und das war der Punkt, dass wir versuchen wollten, unterschiedliche Traditionen mit unterschiedlichen Biografien zu zeigen - ohne Ausgrenzungen zu schaffen.“

Was ist Kultur?


Tobias Henkel von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz brachte die Frage nach dem Kulturbegriff generell auf; was das denn nun sei: „Das Abgeschlossene und Wunderbare, das es zu bewahren gilt, und es weiterzutragen von der einen in die nächste Generation, oder ist Kultur die Fähigkeit, das Ganze beständig anzupassen und zu verändern? Am Ende werden wir nichts davon als alleingültig betrachten können, sondern nur die Zusammenschau aus beiden. Keine Kultur wird überleben, wenn sie sich nicht anpasst. Dass wir auf der anderen Seite aufpassen müssen, dass wir bei den Anpassungsprozessen nicht Vieles von dem aufgeben, was wir als wertvoll erachtet haben, das ist genau unsere Herausforderung.“ Gleichzeitig lobte Henkel diejenigen, die Inhalte vermittelten und lieferten; die die Ideen hätten, vom Ortsheimatpfleger bis zu den Museen, denn das seien diejenigen, die am Ende Träger unserer kulturellen Leistung seien. Und er fügte hinzu: „Die Tatsache, dass die Veränderung am Ende ein immanenter Bestandteil unseres kulturellen Ausdrucks ist, macht aber auch schon deutlich, dass ein ständiger Wechsel - im Grunde genommen auch über die letzten Jahrtausende – erst sichergestellt hat, dass unsere Kultur heute überhaupt noch überlebensfähig ist. Aber die Frequenz des Wandels ist wirklich deutlich höher geworden“, womit er der Aussage des Gastgebers beipflichtete. Helm und Oesterhelweg unterstrichen auch den wirtschaftlichen Wert, den Kultur mit sich bringe und es herrschte Übereinkunft darüber, dass finanzielle Mittel in Kultur investiert werden müssen, um einen wirtschaftlichen Nutzen erzielen zu können. Stichwort Kulturtourismus beispielsweise.

Kulturelle Identität wichtig


Dann griff Oesterhelweg erneut das Thema Identität auf: „Im Zuge der Integrationsdiskussion ist das Thema aktuell. Kulturelle Identität und Wurzeln zu bewahren, ist wichtig, aber Akzeptanz von vorhandenen Regeln ist ebenfalls wichtig. Es geht also nicht um Assimilation, das wäre vollkommen falsch.“ Und Henkel erwiderte, es sei immer die Frage, wie mit solchen Veränderungsprozessen umgegangen würde. Im fehle der Mut im Land, diesen Veränderungen gelassener gegenüberzutreten und die Traute, zu sagen: ‚weil ich auch eine kulturelle Identität habe, die ich auch verteidige, habe ich gar keine Sorge, dass das, was zu uns kommt, eine Ergänzung darstellt und keine Überfremdung.‘ Aber dazu muss man erst einmal selbst eine Identität leben und haben wollen.“ Und Helm plädierte dafür, man müsse den Mut haben, für die eigenen Grundwerte verstärkt einzustehen.

Nach dem Austausch mit weiteren Besuchern, resümierte Frank Oesterhelweg den Abend dann wie folgt:

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