Wolfenbüttel. Die Bürgerinitiative "kein frack in wf" wendet sich mit einem Brief an den Bundestagsabgeordneten, Sigmar Gabriel, welchen wir folgend ungekürzt im Original veröffentlichen:
Sehr geehrter Herr Gabriel,
wir wenden uns heute an Sie als unseren direkt gewählten Bundestagsabgeordneten mit einem Anliegen, das die hiesige Region – Ihren Wahlkreis – aber auch ganz Niedersachsen in besonderem Maße betrifft. Wir haben uns als Bürgerinitiative, wie viele andere bundesweit ebenso, zusammengefunden, um die Förderung unkonventionellen Erdgases zu verhindern.
Gerade im Bereich „zwischen Harz und Heide“ haben wir ja reichlich Erfahrung mit Bergbau und mit Energiegewinnung und kennen die damit verbundenen Schattenseiten leider auch sehr genau:
- jahrhundertelanger Bergbau im Harz hat dazu geführt, dass der Okerschlamm immer noch stark mit Schwermetallen belastet ist;
- Braunkohletagebaue bei Helmstedt und Schöningen haben tiefe Wunden in der Landschaft hinterlassen;
- Braunkohlekraftwerke haben jahrelang für erhebliche Luftverschmutzung und einen starken CO2-Ausstoß gesorgt;
- die Atommülllager Morsleben und Schacht Konrad - mit allen ungeklärten Problemen – befinden sich in der Region;
- das ganz besondere Highlight ist natürlich die Asse, die ein Paradebeispiel für Hybris, Leichtsinn, Arroganz und Technikgläubigkeit darstellt und noch auf Jahrzehnte hinaus gewaltige Kosten verursachen wird, möglicherweise auch bisher nicht für möglich gehaltene irreparable Umweltschäden.
Mit dem Wissen um diese Probleme haben wir 2011 zu unserem Erstaunen und auch Entsetzen festgestellt, dass eine „moderne“ Art der Energiegewinnung von den Öl- und Gaskonzernen geplant war und dass dafür in Niedersachsen auch schon Konzessionen vergeben waren. Dies war ohne Beteiligung der Öffentlichkeit geschehen, weil ein veraltetes Bergrecht dies nicht vorsah.
Vordergründig ist im Braunschweiger Land die Gefahr der Schiefergasgewinnung durch Fracking vorerst gebannt, weil die Konzessionen zurückgegeben worden sind; allerdings müssten nach derzeitiger Rechtslage bei entsprechender Antragstellung sofort wieder Konzessionen und auch Genehmigungen zur Erkundung und Aufsuchung erteilt werden.
Seit geraumer Zeit versuchen die Öl- und Gaskonzerne mit Halbwahrheiten wie „Fracking wird in Niedersachsen schon seit den 60er Jahren ohne Umweltschäden betrieben“ und Angstmache wie „ohne heimisches Erdgas steigen die Strompreise noch stärker an“ die Bevölkerung positiv auf eine geplante Exploration einzustimmen.
Außer Acht bleiben dabei die vielen sehr kritischen Gutachten renommierter Institutionen, die vor den Risiken dieser Fracking-Technologie warnen, die längst nicht so ausgereift und risikolos ist, wie die Konzerne behaupten:
- Fracking mit Horizontalablenkung der Bohrung und dem flächigen Aufbrechen des Gesteins ist eine relativ neue (< 20 Jahre) Entwicklung aus den USA, die überhaupt erst die Gewinnung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten wirtschaftlich macht;
- bei der Öl- und Gasgewinnung sogar aus konventionellen Lagerstätten ist es auch in Deutschland immer wieder zu teils erheblichen Umweltschäden gekommen, unter anderem in jüngster Zeit durch ungeeignete Rohrleitungen, durch die Benzol in den Boden gelangen konnte;
- in der Nähe von gefrackten Gasbohrungen (nur Fracking an Vertikalbohrungen, also punktförmig und nicht flächig) ist es zu Erdstößen gekommen, die mit der Gasförderung in Verbindung gebracht werden;
- eine Überwachung der Fracking-Arbeiten ist nur indirekt möglich; die Rissausbreitung kann zwar simuliert werden, hält sich die Geologie allerdings nicht an die Simulation, kann nur noch Schadensbegrenzung betrieben werden;
- Langzeitaussagen zu Folgen und Risiken können noch gar nicht gemacht werden, weil auch in den USA die Technik noch nicht lange genug angewendet wird;
- in den USA rechnet sich das Verfahren vermutlich nur, weil es kaum Umweltauflagen gibt und die Öl- und Gasfirmen häufig verbrannte Erde zurücklassen;
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen über die nicht gesicherte Entsorgung des hochgiftigen Flowbacks bis hin zur im Vergleich zu konventionellem Erdgas sehr schlechten CO2-Bilanz.
Wir möchten Sie als unseren Abgeordneten und als Verhandlungsführer der SPD bei den Koalitionsgesprächen bitten, die Energiewende voranzutreiben und dabei auf erneuerbare Energien zu setzen. Wirken Sie bitte daraufhin, dass es eine Abwendung von fossilen Energieträgern gibt und damit auch keine Förderung unkonventionellen Erdgases. Das fossile Zeitalter würde damit nur auf eine wirtschaftlich fragwürdige und für kommende Generationen sehr riskante Weise verlängert.
Machen Sie sich bitte dafür stark, dass das geltende Bergrecht zeitgemäß novelliert wird und als EU-weite Mindestanforderung eine UVP für alle bergbaulichen Vorhaben – z.B. unabhängig von der Gasfördermenge – eingeführt wird.
Wir bedanken uns für Ihre Mühe und Ihr Interesse und stehen natürlich gerne jederzeit zur Verfügung für Rückfragen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Siemens für
BI kein frack in wf
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