Kommentar: Berufswahl nach dem Ausschlussverfahren?

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| Foto: Thorsten Raedlein.



Wolfenbüttel. Derzeit durchlaufen Schüler Wolfenbütteler Schulen wieder die regionalen Unternehmen, um sich für die berufliche Zukunft zu rüsten. Doch macht ein Praktikum Spaß, das man sich selber nicht ausgesucht hat?


Durch das Projekt „KoPra WF“, welches der Landkreis Wolfenbüttel in Kooperation mit den Berufsberatern der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar und der Allianz für die Region durchführt, sollen Schülerinnen und Schüler der allgemeinbildenden Schulen motiviert werden, sich mit Berufseignung und Berufsorientierung frühzeitig zu beschäftigen.


So soll die Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildung und Beschäftigung gesteigert und die Zahl der Schulabgänger ohne Schulabschluss und die „Abbrecherquote“ gesenkt werden.


Im Landkreis Wolfenbüttel startet das Projekt bereits mit Schülern der achten Klasse. In diesem Jahrgang sind die jungen Menschen meist 13 oder 14 Jahre alt und sollen einen Einblick in die Berufswelt erhalten, Berufe kennenlernen und entdecken.


Dabei stellt und vermittelt die Allianz für die Region Praktikumsplätze aus den Bereichen Gewerbe/Technik, Kaufmännisch/Verwaltend und Gesundheit/Soziales. Die Allianz teilt die Praktikumsplätze ein, lässt dabei jedoch - wie einige Schüler berichteten- Kriterien wie Interessen und Fähigkeiten der Pennäler außer Acht.




[image=5e1766ff785549ede64d21b4]Ein Kommentar von Anke Donner, Redakteurin WolfenbüttelHeute.de 





Unsere Redaktion stellt immer wieder gerne Praktikumsplätze für junge Menschen zur Verfügung. So geben wir Schülern an den so genannten "Zukunftstagen" die Gelegenheit, hinter die Kulissen einer Online-Tageszeitung zu schauen. Im vergangenen Jahr beteiligten wir uns sogar mit einer Ferienkalender-Aktion an der Freizeitgestaltung der Ferienkinder. Das Resümee "unserer Praktikanten" war durchweg positiv. Alle hatten Spaß an ihrem Praktikum, das sie sich selber ausgesucht hatten. Probierten sich an kleinen Artikeln aus, machten Fotos und waren mit Eifer bei den Terminen dabei.


Nun haben wir in der vergangenen Woche wieder zwei Schüler in der Redaktion begrüßt, freuten uns auf deren neugierige Fragen und einen abwechslungsreichen Arbeitstag. Nur war es dann leider so, dass besagte Schüler nicht so wirklich großes Interesse an der journalistischen Arbeit hatten. Der Grund: Ihre Interessen lagen ganz wo anders, den Platz bei uns haben nicht sie sich ausgesucht. Entsprechend hoch war dann die Neugierde. Im Rahmen von "KoPraWF" hatte WolfenbüttelHeute.de Praktikumsplätze angeboten, die von der Allianz für die Region willkürlich auf die Schüler im Landkreis verteilt wurden.



Verschiedene Berufsfelder kennenlernen


Doch kann man Schüler für einen Beruf begeistern, der nicht ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht? Kann man junge Menschen willkürlich einem Unternehmen zuweisen, ohne sich mit ihnen zu beschäftigen? Die Allianz für die Region glaubt ja und erklärt die Intention hinter dem Projekt.

Kerstin Waßmann, Ansprechpartnerin für das Projekt „KoPra WF“ bei der Allianz für die Region sagt dazu: „Wir übernehmen die Einteilung der Schüler, um ihnen Berufe zu zeigen, die sie möglicherweise vorher gar nicht so sehr auf dem Schirm hatten. Wir möchten, dass Schüler Berufsfelder kennenlernen, von denen sie vorher vielleicht nicht dachten, dass sie ihnen liegen könnten. Das Projekt, das wir durchführen, besteht außerdem aus verschiedenen Modulen, die die Schüler durchlaufen“, erklärt Kerstin Waßmann.


Soll heißen: Nach den Praxistagen folgt ein Berufseignungstest, an dem die Schüler teilnehmen, anschließend sollen dann Interessen ermittelt und Berufszweige vorgeschlagen werden. Tut man hier etwa den zweiten vor dem ersten Schritt? Sollte man nicht erst einmal die Interessen der Jugendlichen feststellen und dann geeignete Berufe auswählen und Plätze anbieten? 


Doch die Allianz für die Region hält an ihrem Konzept fest und setzt auf "Versuch macht klug". Nur so könne man die zukünftig arbeitende Gesellschaft für Berufe sensibilisieren. Der vorhergegangene Praxistag diene einfach der reinen Information. Anregungen und Kritiken nehme man aber dennoch gerne an, heißt es von der Allianz für die Region.




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Lara und Leon waren am Zukunftstag mit Kreativität und Spaß bei der Sache. Foto:


Handwerksberufe sind rar


Die Nachfrage bei einer der teilnehmenden Schulen ergab, dass zwar viele Unternehmen an der Aktion beteiligt sind, aber das Handwerk an sich nur sehr dünn vertreten ist. Genauer gesagt: Auf der Liste fanden sich so gut wie keine Betriebe, die einen jungen Mann auf der Suche nach der beruflichen Berufung weiterhelfen könnten. Und so landen die jungen Burschen, die sich eigentlich lieber ein Auto von unten angeschaut hätten, in Berufen, die sie nicht interessieren.

"Wir versuchen Unternehmen aus allen Berufsfeldern für das Projekt zu gewinnen. Dabei ist es jedoch zunehmend schwieriger, Betriebe zu gewinnen. Besonders in den Handwerksberufen", weiß Kerstin Waßmann. In Anbetracht dessen, dass viele Handwerksbetriebe über Nachwuchsmangel klagen, kaum nachvollziehbar.

Weiter heißt es von Seiten der Schule, dass man auf das Auswahlverfahren keinen Einfluss nehmen könnte. So sei es jedenfalls in diesem Jahr gewesen. Die Liste der Schüler würde an die Allianz für die Region geleitet und die nimmt die Zuweisung vor.

Ob es nun sinnig ist, Schüler die ihr Interessenfeld schon definiert haben, in Unternehmen zu stecken, die sie nicht interessieren, vermag ich an dieser Stelle nicht zu sagen. Und auch möchte ich das Projekt an sich nicht kritisieren, das Schülern sicher mit guten Vorsätzen den Weg aus der Schule in den Beruf ebnen soll.


Doch glaube ich, dass ein Praktikum in erster Linie Spaß machen soll und jungen Menschen den Beruf näher bringen soll, den sie für sich in Betracht ziehen. Ein Jugendlicher hingegen, dessen Herz für Autos schlägt, kann nichts mit den Gepflogenheiten einer Zeitungsredaktion anfangen. Und ich glaube auch, dass man ihnen nicht Zettel und Stift in die Hand geben sollte, wenn sie lieber einen Schraubendreher in selbiger halten würden, nur um dann festzustellen, dass ihnen die schreibende Zunft so gar nicht liegt. Sicher kann man Berufe und Fähigkeiten erlernen. Doch gehört auch immer ein wenig Passion dazu und die kann man einfach nicht antrainieren.


Die Praktika haben also am Ende wohl zumindest gezeigt, was sich die Schüler für ihre berufliche Zukunft nicht vorstellen können. Ob sie nun schlauer sind?




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