Asse. Für den 25. Oktober hat Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer seinen Besuch in der Schachtanlage Asse angekündigt. Da Samtgemeindebürgermeister Dirk Neumann an diesem Tag nicht persönlich anwesend sein kann, richtet er sich nun mit einem offenen Brief an den Minister.
In diesem wolle er auf einige aus seiner Sicht wichtige Punkte eingehen, die der Bevölkerung in der Asse-Region sehr am Herzen liegen würden.
Grundsätzlich wolle er aber unterstreichen, dass der Bevölkerung in der Asse bewusst sei, dass die Rückholung der atomaren Abfälle aus dem Schacht Asse II oberste Priorität hätten. Nur dürften die Menschen vor Ort bei dem gesamten Rückholprozess nicht auf der Strecke bleiben, denn um diese gehe es in erster Linie, beginnt Naumann seinen Brief an den Minister. Weiter schreibt der Samtgemeindebürgermeister:
Sorgen und Ängste ignoriert
"Beginnen möchte ich mit der auch weiterhin bestehenden nachdrücklichen Forderung nach einem fairen und nachvollziehbaren Vergleich von Asse-nahen und Asse-fernen Standorten für das geplante Zwischenlager. Wir haben in den vergangenen drei Jahren hierzu einen Begleitprozess erlebt, der nicht wirklich etwas mit einer Beteiligung der Bevölkerung zu tun hatte. Sorgen, Ängste, Kritik und Forderungen haben keinerlei Berücksichtigung gefunden und wurden im Ergebnis von der BGE und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) als Gesamtpaket völlig ignoriert.
Resolutionen der Samtgemeinden, Einheitsgemeinden, der Stadt und des Landkreises Wolfenbüttel, die von rund 280 Mandatsträgern unterstützt und beschlossen wurden, erfuhren bis auf eine Eingangsbestätigung keinerlei Reaktion von Bundesseite. Der mit einem hohen personellen Aufwand initiierte Beleuchtungsprozess zum Standortauswahlverfahren, welcher mit einem 100-seitigen Beleuchtungsbericht endete, erhielt von der BGE und dem BMUV keine großartige Aufmerksamkeit. Das Ergebnis wurde von den verantwortlichen Ebenen gewissermaßen weg gelächelt, obwohl dieser Bericht eine wegweisende Rolle einnehmen sollte. Hierauf hatten sich alle beteiligten Hausleitungen des BMUV, des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz (NMU) und der BGE im Februar 2021 verständigt.
Und den Anspruch auf diese wegweisende Rolle erheben wir auch weiterhin, denn dieser im November 2021 veröffentlichte Experten-Bericht stellt die getroffene Standortentscheidung klar in Frage und fordert mit eindeutigen Aussagen und Hinweisen einen erforderlichen Vergleich von Asse-nahen und Asse-fernen Standorten ein.
Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt leider nur kritisch festzustellen, dass bei der erfolgten Standortfestlegung die wichtigen gesellschaftlichen Abwägungskriterien völlig außer Acht gelassen wurden. Aber auch das angrenzende FFH-Gebiet, der Abstand zur Wohnbebauung oder auch die geologischen Probleme, die durch den Berg in den nächsten Jahrzehnten ausgehen könnten, erfahren eine nur vernachlässigte Aufmerksamkeit und Betrachtung.
Ich kann das Vorgehen auf Bundesebene leider auch weiterhin nur als unfair und respektlos gegenüber der hier lebenden Bevölkerung bezeichnen. Und es dürfte allen Beteiligten bewusst sein, dass wir hier nicht über ein vorübergehendes Zwischenlager sprechen, sondern über ein voraussichtliches Endlager. Denn vor dem Jahr 2100 wird es nach heutigem Stand kein wirkliches Endlager geben. Und dann wird es nach rund 70 Jahren niemanden mehr interessieren.
Es ist sehr schade, dass ein eigentlich für die Bevölkerung positiver Rückholprozess durch die Ignoranz und das Nichthandeln des BMUV in diese jetzige negative Situation geraten ist. Der Rat der Samtgemeinde Elm-Asse hat sich daher auch klar gegen einen weiteren Beteiligungsprozess ausgesprochen, da die bisherigen Forderungen des Rates komplett ignoriert wurden. In Folge hat auch die Asse Il-Begleitgruppe ihre Beteiligungsarbeit beendet. Aus der Haltung und dem Handeln der BGE und des BMUV ist zu spüren, dass derzeit ein weiterer Begleit- oder Beteiligungsprozess keinen Sinn hat. Somit ist der vom Bund auf der einen Seite zwar gewünschte, auf der anderen Seite aber völlig missachtete Begleitprozess, der ja als Vorbild für den Endlagersuchprozess dienen sollte, gescheitert.
Sorgen und Kritik ernst nehmen
Unter Betrachtung der bisherigen Diskussion und der nicht erfolgten Einbindung der Asse- Region blicken wir nun auf das anstehende Raumordnungsverfahren. Denn es ist die Kernaufgabe eines Raumordnungsverfahrens, die Bevölkerung mitzunehmen und eine entsprechende Akzeptanz für ein Vorhaben unter Berücksichtigung der ökonomischen, ökologischen und sozialethischen Aspekte zu schaffen. Und gerade dieses Vorhaben verlangt aufgrund seiner besonderen Bedeutung und Historie, dass für den Zwischenlagerstandort ein echter Alternativendiskurs im Rahmen des Raumordnungsverfahrens angestoßen wird. Zudem möchte ich auch noch die geplante dauerhafte Sperrung der Kreisstraße 513 zwischen den Orten Remlingen und Groß Vahlberg und den geplanten Ausbau dieser Kreisstraße auf eine Breite von bis zu 17,5 Meter ansprechen, was die Bevölkerung in einem hohen Maße bewegt und verunsichert. Oder auch die Hochwassergefahr für die anliegenden Orte, die bei Starkregen durch die beabsichtigte umfangreiche Versiegelung von Flächen in der Asse zu erwarten ist, sorgt für große Angst bei den Menschen.
Als Samtgemeindebürgermeister des in erster Linie betroffenen Gebietes möchte ich Sie daher inständig bitten, sich als Umweltminister des Landes Niedersachsen intensiv in diesen laufenden Asse Il-Prozess einzuschalten und unsere Kritik, unsere Sorgen, unsere Forderungen aufzugreifen und in die Bundesebene zu tragen. Denn die Bevölkerung in dieser Region, die diese vor der Tür liegende Asse-Problematik bisher mit Verständnis und absoluter Sachlichkeit erträgt, hat es verdient, fair und respektvoll behandelt zu werden. Ich wünsche Ihnen einen informativen Besuch der Schachtanlage Asse II und hoffe auf Ihre Unterstützung."
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