Nach Kritik am Bürger Museum: Themeninsel „Uniformierte Zeiten“ neu gestaltet

Sobald das Museum wieder öffnen darf, können die Besucher die überarbeitete Abteilung entdecken.

Ein Blick in die neugestaltete Ausstellung.
Ein Blick in die neugestaltete Ausstellung. | Foto: Stadt Wolfenbüttel

Wolfenbüttel. Im vergangenen Jahr gab es einen heftigen politischen Streit um das Wolfenbütteler Bürger Museum (regionalHeute.de berichtete). Im Zentrum der Kritik stand die Themeninsel „Uniformierte Zeiten“. Diese wurde nun umgestaltet, wie das Bürger Museum in einer Pressemitteilung berichtet.


Der Umgestaltungsprozess sei wie geplant Ende Dezember 2020 abgeschlossen worden. Sobald das Museum zur Wolfenbütteler Stadtgeschichte nach dem Ende des Corona-Lockdowns wieder seine Türen öffne, könnten die Besucherinnen und Besucher sowohl die überarbeiteten als auch die neuen inhaltlichen Schwerpunkte im Zeitabschnitt von 1918 bis in die Nachkriegszeit selbst erkundet werden.

Tiefergehender Überblick über die Stadtgeschichte


In vier statt bisher drei Vitrinen werden die Weimarer Jahre, die NS-Zeit, die Verfolgung der jüdischen Einwohner Wolfenbüttels sowie die komplexen Ereignisse und Problemstellungen der Nachkriegsjahre anhand von Texten, Dokumenten und Exponaten dargestellt. Auch die Übersichtsdarstellungen an den Wänden, die von der Kaiserzeit bis in die Nachkriegszeit reichen, wurden überarbeitet und bieten ab sofort einen tiefergehenden Überblick über die Stadtgeschichte.

Auf die Verfolgung von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in Wolfenbüttel wird anhand der Geschichte der Familien Kirchheimer und Steinberg näher eingegangen. Deportationslisten, Listen der Versteigerung des Hausrates jüdischer Einwohner bei öffentlichen Auktionen und eine Fotoaufnahme der „Judenhäuser“, in denen die über 40 verbliebenen Wolfenbüttel Juden seit Herbst 1941 unter schlimmsten Bedingungen lebten, werden erstmalig in der Dauerausstellung des Bürger Museums gezeigt.

Erinnerung an Fritz Fischer


Neu an der Wand befindet sich eine große Illustration des Mitgründers der Kommunistischen Partei Deutschlands 1919 in Wolfenbüttel, Fritz Fischer. Er wurde im Juli 1933 in der örtlichen NSDAP-Kreisleitung von SS-Hilfspolizisten gefoltert und verstarb am nächsten Tag in der SA-Folterzentrale im Gebäude der AOK Braunschweig an den Folgen der Misshandlungen. Die Biografie Fritz Fischers ist, wie die 30 weiteren Biografien, im digitalen Bürgeralbum auf der Empore des Museums nachzulesen.

Die Illustration des NS-Verfolgten Fritz Fischer (1891 bis 1933) an der Wand des Bürger Museums.
Die Illustration des NS-Verfolgten Fritz Fischer (1891 bis 1933) an der Wand des Bürger Museums. Foto: Stadt Wolfenbüttel


„Ich denke, wir gehen jetzt aufrichtig mit dem Zeitabschnitt von 1918 bis in die Nachkriegszeit und den Geschehnissen in dieser Zeit in Wolfenbüttel um. Diese hätten wir von Anfang an deutlich präsenter zeigen und uns streng an den historischen Begebenheiten orientieren müssen. Das nun vorliegende Ergebnis zeigt unumwunden auf, unter welch menschenverachtenden Bedingungen die Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens auch in Wolfenbüttel, seit der Machtübernahme der Nazis 1933, leben mussten. Mit der neu erstellten Biografie Fritz Fischers wird einer der bedeutendsten Widerstandskämpfer unserer Stadt gewürdigt, was mir auch persönlich sehr am Herzen lag“, sagte Bürgermeister Thomas Pink.

Aber auch in die Zeit der Weimarer Republik gibt es neue Einblicke. So wurde die Ausstellung zum Beispiel um das Thema Frauenwahlrecht ergänzt. Auch auf die Wehr- und Veteranenorganisation der republikanischen Kriegsteilnehmer „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ wird näher eingegangen.

Ein Fluchtwagen aus Bast


Die Nachkriegszeit, in der viele Menschen als Flüchtlinge und Vertriebene nach Wolfenbüttel kamen, wird in einer Großvitrine durch ein neues Objekt thematisiert. Ein Fluchtwagen aus Bast mit selbstgebauten Rädern beinhaltete das übriggeblieben Hab und Gut der Schlesierin Marie Deutschmann. Geboren 1894, kam sie 1946 als Vertriebene aus dem Ort Nesselgrund mit einem Eisenbahntransport zunächst in das Umsiedlerlager Freital in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), in den 1950er-Jahren siedelte sie, wieder mit dem bis heute in Familienbesitz befindlichen Original, aus der DDR zu Verwandten nach Wolfenbüttel um.   
 

Das Bürgeralbum (1657 bis 2016) digital und als Ausdruck.
Das Bürgeralbum (1657 bis 2016) digital und als Ausdruck. Foto: Stadt Wolfenbüttel


„Durch die Überarbeitung wurden die wichtigen Zeitabschnitte des letzten Jahrhunderts neu gegliedert und mit lokalen Geschehnissen verknüpft. Sowohl die neuen Exponate als auch die ergänzten Biografien bieten, gerade auch für Schulklassen, viele Anknüpfungspunkte, um auf die jüngere deutsche Geschichte näher einzugehen. In diesem Zusammenhang danke ich herzlich Rudolf Fricke, der Familie Kertscher, Jürgen Kumlehn und dem Niedersächsischen Staatsarchiv, Abteilung Wolfenbüttel, die dem Bürger Museum Objekte von großem Erinnerungswert überlassen oder Quellen und Material zur Verfügung gestellt haben“, erklärte Alexandra Hupp, Leiterin des Kulturbüros der Stadt Wolfenbüttel.

In loser Folge werden auf der Website des Bürger Museums in den nächsten Wochen die neuen Exponate, Biografien und Darstellungen vorgestellt.


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