Streit ums Wolfenbütteler "Bürger Museum" - Ausstellung wird überarbeitet

Das erst in diesem Jahr mit dem Museumsgütesiegel ausgezeichnete "Bürger Museum" steht mit dem Vorwurf von inhaltlichen Fehlern in der Kritik.

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Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel. Die Kulturelite der Lessingstadt ist in Aufruhr. Es gibt Streit um die Ausrichtung des 2017 eröffneten "Bürger Museums". Im städtischen Kulturausschuss sprach man nun von wissenschaftlichen Fehlern, die in der Ausstellung begangen worden sein sollen. Und auch der Eklat um Hitlers Ehefrau Eva Braun kochte nebst Zensur-Vorwürfen plötzlich wieder hoch.


Dass der gestrige Kulturausschuss, der unter coronabedingten Abstandsregeln in der Lindenhalle tagte, brisante Tagesordnungspunkte beinhaltete, konnte man bereits an der ungewöhnlich hohen Besucherzahl erkennen. Unter dem doch eher bieder klingendem Titel "Weiterentwicklung der stadtgeschichtlichen Arbeit im Museum Wolfenbüttel - Perspektiven und Vorschläge" verbarg sich ordentlich Zündstoff, dessen Menge man als Außenstehender in Gänze gar nicht erfassen kann.

Aus Sicht der Stadtverwaltung sollte es eine grundlegende Debatte sein, die vielleicht schon früher hätte geführt werden müssen, wie Bürgermeister Thomas Pink ausführte. Denn Kritik an der Ausstellung gab es bereits kurz nach der Eröffnung des Museums. So forderten die Linken seinerzeit, der Geschichte der Arbeiterbewegung mehr Platz einzuräumen und den Widerstand gegen den Faschismus und die Verfolgung von Juden, Sinti und Roma stärker zu thematisieren. Der selbsternannte "Erinnerer" Jürgen Kumlehn sprach damals sogar von Darstellungen, die die Beschönigung und Manipulation Wolfenbütteler NS-Geschichte beinhalten würden.

Pink gesteht Fehleinschätzung


"Für viele von uns, auch für mich, war dieser Zeitpunkt einfach zu früh, um nur wenige Tage nach Eröffnung schon eine Veränderung vorzunehmen. Diese Einschätzung stellt sich im Nachhinein als eine - meine Fehleinschätzung dar", räumte Pink ein. Seitdem hätten sich aber nicht nur die Kritiker verstärkt zu Wort gemeldet, auch die gesellschaftlichen Debatten seien durch konkrete Ereignisse der letzten Jahre politischer geworden und hätten die Sensibilität in Bezug auf Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus verändert. Damit seien nach Pinks Ansicht auch die Anforderungen an ein stadtgeschichtliches Museum andere, als noch vor fünf Jahren, als die Konzeption des "Bürger Museums" entwickelt wurde.

"Uns als Stadt, Verwaltungsleitung als auch Politik, muss daran gelegen sein, jeglichen Anschein von Antisemitismus, Rassismus und Verharmlosung entschieden entgegenzutreten. Und das nicht nur wegen der einzelnen, zum Teil lauten, Kritiker, sondern auch in unserem ureigensten Interesse. Denn wir als Stadt stehen für eine vielfältige, demokratische Gesellschaft, in der um Positionen gerungen und ein Meinungsaustausch auf Basis verlässlicher Informationen und Fakten stattfinden muss", führte der Bürgermeister in seinem Redebeitrag aus.

Ausstellung soll teilweise fehlerhaft sein


Offenbar gab es im "Bürger Museum" also Informationen, die faktisch falsch waren. Das zumindest untermauerte der Gifhorner und ehemalige VW-Chefhistoriker Professor Dr. Manfred Grieger in seinem Redebeitrag auf der Sitzung des Kulturausschusses. Er war von der Stadtverwaltung beauftragt worden, gemeinsam mit dem Museumsteam Texte zu überarbeiten und sagt: "Wissenschaft ist nicht, wenn ein Wissenschaftler sagt was er meint, Wissenschaft muss zusätzlich auch noch wahr sein. Bei der Überprüfung einzelner Texte ist aufgefallen, dass Sachverhalte unangemessen dargestellt waren." So hätten nach Griegers Schilderungen unter anderem Abläufe in ihrer Darstellung nicht gestimmt, Fremdzitate seien nicht ausgewiesen worden und ähnliche weitere Fehler. "Wenn die Abfolge von Tötung verkehrt rum sind und wenn Bürgerliche einen Generalstreik ausrufen, obwohl sie einen Geschäftsboykott ausrufen, dann ist das einfach falsch und dann ist das zu korrigieren", so Grieger.

Er sagt aber auch deutlich, dass einige im Raum stehende Missverständlichkeiten überzogen seien und das "Bürger Museum" eine preiswürdige Angelegenheit sei mit dem sich die Stadt zeigen könne. Und tatsächlich wurde das "Bürger Museum" erst im Februar mit dem für Qualität stehenden Museumsgütesiegel vom Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur ausgezeichnet. Der wiederum soll sich laut Stadtverwaltung jedoch nur einen Monat später, am 13. März, mit einem Schreiben an Bürgermeister Thomas Pink gewandt haben, in dem er eine kritische Überprüfung von Ausstellungsteilen anregte.

Eklat um Eva-Braun-Vortrag


Zu diesem Zeitpunkt war das Museum Wolfenbüttel insgesamt bereits zur deutschlandweiten Schlagzeile geworden. Ein geplanter Vortrag über Eva Braun unter dem Titel "'... ich, die Geliebte des größten Mannes Deutschlands und der Erde...' - Anmerkungen zu Eva Braun", des Referenten Dr. Michael Ploenus von der TU Braunschweig war in die Kritik geraten. Dieser sollte im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe "Weltgeschichte Weiblich" am 18. Februar im Schloss Wolfenbüttel stattfinden, wurde jedoch nur einen Tag zuvor mit der Begründung einer Erkrankung des Referenten abgesagt. Selbst der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hatte sich hierzu zu Wort gemeldet. Er bezeichnet den geplanten Vortrag als "unverständlich und geschichtsvergessen". Zudem sagte er, dass es völlig inakzeptabel sei und die NS-Verbrechen in nicht hinnehmbarer Weise relativiere.

Hinter den Kulissen muss es dazu ordentlich gekracht haben. Bereits im Herbst 2019 habe Kulturamtsleiterin Alexandra Hupp zu der gesamten Vortragsreihe einen konstruktiven Diskurs führen wollen, der intern nicht möglich gewesen sei. Sie stellte sich damit gegen den Vorwurf des FDP-Ratsherren Rudolf Ordon, der der Verwaltung vorwarf, Zensur auf die Freiheit der Wissenschaft ausüben zu wollen. Er sagt: "Wir müssen das Museum und seine Leitung schützen vor Personen, die die Darstellung ihnen nicht genehmer historischer Themen verhindern wollen und dies zum Teil mit unsachlichen und persönlichen Angriffen auf Verantwortliche verbinden." Berechtigter Kritik solle nachgegangen werden, jeder Bürger müsse aber selbst entscheiden dürfen, welche Vorträge er hören will oder nicht.

Bürgermeister Pink reagierte prompt und verwies darauf, dass die Wolfenbütteler Museen ein Bestandteil der gesamten städtischen Struktur seien und in ihrer Führung nicht selbständig sind. "Selbstverständlich können die Wissenschaftler die da arbeiten, wissenschaftlich und selbständig arbeiten. Aber ich sage das mal in aller Deutlichkeit, Verantwortung trägt nur einer und den gucken Sie gerade an", erläuterte Pink.

Wo war die Museumsleiterin?


Und dann sagte er plötzlich folgendes: "Die Leiterin des Kulturbüros und der Hauptverwaltungsbeamte Pink haben bereits im Herbst letzten Jahres, als uns die Vortragsreihe auf den Tisch gelegt wurde darum gebeten, dass dieser Titel geändert wird." Wen er darum gebeten hat, sprach er zwar nicht aus, war aber auch nicht nötig. Den Anwesenden wird klar gewesen sein, dass hiermit die Leiterin des Museums gemeint sein muss. Trotz das es um ihr Museum, ihre Ausstellung und ihre Veranstaltung ging, war sie bei der Sitzung des Kulturausschusses nicht anwesend, um Stellung zu beziehen. Warum das so war, wollte die Stadt Wolfenbüttel auf unsere Anfrage ebenso wenig beantworten wie die Frage, ob das kursierende Gerücht zutreffend ist, dass man sich von der Museumsleiterin unverzüglich trennen möchte.

Fakt ist jedenfalls, dass der Ausschuss am gestrigen Donnerstag empfohlen hat, künftig einen Museumsbeirat einzurichten, der die inhaltliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung beraten soll. Auch sollen kurzfristig bereits Teile der Ausstellung aus- und umgestaltet werden, die Professor Dr. Grieger gemeinsam mit dem "Museumsteam" erarbeitet habe. Das derzeit geschlossene "Bürger Museum" könnte dann möglicherweise nach den Sommerferien wieder öffnen.


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