Wolfenbüttel. Mehr als 40 Abgeordnete sowie einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CDU-Landtagsfraktion waren für eine Woche in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten, begleitet von zwei Journalisten und je einem Vertreter der jüdischen und palästinensischen Gemeinde in Niedersachsen. Auch der hiesige Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg war unter den Teilnehmern und berichtet WolfenbüttelHeute.de von seinen Erlebnissen.
Ein vielseitiges und ausgewogenes, aber auch anspruchsvolles und anstrengendes Programm habe den Ablauf der zum großen Teil von den Teilnehmern privat finanzierten Reise geprägt. "Ich möchte meine Eindrücke schildern, natürlich aus meiner ganz persönlichen Sicht. Vieles kann nur angerissen werden, Fachgespräche in einer sozialen Einrichtung, einer Schule, bei Polizei und Justiz, im Parlament, an einer Hochschule, mit Geistlichen, mit Hafenexperten, Umwelt- und Landwirtschaftsfachleuten seien hier nur aufzählend erwähnt", beginnt Oesterhelweg seinen folgenden Bericht.
Immer in Verteidigungsbereitschaft
An der Grenze zum Libanon informierte Major Arye Sharuz Shalicardie Besuchergruppe. Mit auf dem Foto Dr. Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Niedersachsen Foto:
An der israelisch-libanesischen Grenze informierte Major Arye Sharuz Shalicar, Pressesprecher der israelischen Armee, über die Sicherheitslage. Im Libanon dominiert die schiitische Hisbollah, kontrolliert vom Iran, die zirka 20.000 radikalisierte Kämpfer aufbieten kann. Jederzeit ist mit massiven Raketenangriffen und dem Eindringen bewaffneter Extremisten nach Israel zu rechnen. Vor diesem Hintergrund ist die große Wachsamkeit Israels nachvollziehbar. Der Militärsprecher (wegen Anfeindungen durch radikale Muslime vor mehr als zwölf Jahren aus Deutschland emigriert) ist sich angesichts der Bedrohungslage und der Übermacht der Feinde Israels ganz sicher: „Wir dürfen nicht verlieren!“ Er spielte damit an auf die israelische Geschichte und die Lage im Nahen Osten. Mit dabei: Dr. Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Niedersachsen, der die CDU-Delegation begleitete. Der Major machte das Dilemma der israelischen Streitkräfte deutlich: Wenn diese auf aus Wohngebieten verübte Raketenanschläge antworteten, so kämen oft die Zivilisten zu Schaden, hinter denen sich die Attentäter versteckten. Er verwies auf ein Jahrzehnte altes Zitat der damaligen Ministerpräsidentin Golda Meir, die – sinngemäß - gesagt hatte: "Wir werden Euch irgendwann vergeben, dass Ihr unsere Kinder getötet habt. Niemals werden wir Euch vergeben, dass Ihr uns gezwungen habt, Eure Kinder zu töten."
Jerusalem – heilige Stadt für drei Weltreligionen
Jerusalem ist für die drei monotheistischen Weltreligionen Islam, Judentum und Christentum von besonderer Bedeutung. Wir besuchten den Tempelberg in Jerusalem, wo bis zu seiner Zerstörung durch die Römer der große und zentrale Tempel der Juden stand. Heute befinden sich dort die Al-Aksa Moschee und der Felsendom (nach Mekka und Medina drittwichtigste religiöse Stätte des Islam).
Die Westmauer des Tempelberges ist gleichzeitig das heute wichtige Heiligtum der Juden: die Klagemauer. In unmittelbarer Nähe liegen prominente christliche Orte, zum Beispiel. die evangelische Erlöserkirche oder die griechisch-orthodoxe Grabeskirche, wo nach der Überlieferung Jesus Christus gekreuzigt und begraben worden ist. Im nur acht Kilometer südlich gelegenen Bethlehem befindet sich die Geburtskirche. Bei dieser Ballung religiöser Zentren ist es kein Wunder, dass es zu häufigen Spannungen kommt. Nicht wenige meinen, man säße auf einem Pulverfass… Mit brennender Lunte.
Die Geburtskirche in Bethlehem – Ort der Geburt Christi
In der Geburtskirche in Bethlehem, zu großen Teilen von der griechisch-orthodoxen Kirche verwaltet, befindet sich in einer kleinen Grotte nach christlicher Überlieferung der Geburtsort Jesu. Tausende von Gläubigen pilgern jedes Jahr hierher, um diesen für sie wichtigen Ort zu besuchen – ein in der Tat beeindruckendes Erlebnis. Einer der Höhepunkte unserer Reise war die Zusammenkunft mit Erzbischof Atallah Hanna, griechisch-orthodoxer Patriarch in Jerusalem.
Christliche Stätten am See Genezareth
Die christlichen Stätten inmitten der wunderschönen Landschaft am idyllischen See Genezareth ermöglichen einen intensiven Einblick in die Entstehung des Christentums. Beispielsweise der Berg der Seligpreisung (im Bild die katholische Kapelle), Kapernaum oder der Ort der Brotvermehrung direkt am See Genezareth – hier wurden für mich Erinnerungen an meinen Religions- und Geschichtsunterricht lebendig.
Warmwasserbereitung mit Sonnenkraft
Mit Sonnenenergie wird in Israel und Palästina warmes Wasser bereitet. Auf den meisten Dächern findet man solche Behälter, in denen durch die Kraft der Sonne (Sonnenscheindauer drei Mal so hoch wie bei uns) warmes Wasser bereitet wird. Im Gegensatz dazu sind Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung recht selten. Grund dafür sind die relativ niedrigen Strompreise und die vor der israelischen Küste entdeckten großen Erdgasvorkommen – Photovoltaik ist hier nicht konkurrenzfähig. Eigentlich schade, denn bei diesen Sonnenscheindauern wäre der Einsatz von Photovoltaik sinnvoll, da ein Großteil des Stroms nicht gespeichert werden müsste und direkt für die in sehr vielen Häusern vorhandenen Klimaanlagen eingesetzt werden könnte. Über die Energieversorgung Israels, (welches über keine mit Nachbarländern gemeinsam betriebenen beziehungsweise verbundenen Netze verfügt) und Umweltprojekte informierte die Leiterin des Israel Climate Information Center in Haifa.
Der Jordan – Lebensgrundlage für viele Israelis und Palästinenser
Der Oberlauf des Jordan, hier nur ein kleiner Fluss, verläuft inmitten einer idyllischen Landschaft. Der Jordan und seine Nebenflüsse bilden die Grundlage für die Landwirtschaft einer ganzen Region. Durch die immer intensiver werdende Bewässerung gelangt kaum noch Wasser in das Tote Meer, welches durch die hohe Verdunstung deutlich sichtbar an Fläche verliert, die Strandlinie geht pro Jahr um ca. einen Meter zurück. Inzwischen wird angestrengt überlegt, wie man diese Situation bewältigen kann. So wird beispielsweise auch über eine Salzwasserpipeline vom Mittelmeer her nachgedacht. Ob das allerdings die Lösung ist, ist fraglich. Alternativen beschäftigen sich damit, durch Ausbau der Meerwasserentsalzung am Mittelmeer zu einer Entlastung zu kommen. Außerdem gibt es interessante Varianten zur Brauchwasserbereitung und -verwendung. Ich konnte mich auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung in Tel Aviv davon überzeugen, mit wieviel Knowhow an Bewässerungsprojekten gearbeitet wird… Auch der sambische Landwirtschaftsminister gehörte zu den interessierten Gästen.
Massada – ein Dorn im Fleisch der Israeliten
Beim jüdischen Aufstand gegen die Römer im Jahr 70 v. Chr. verschanzten sich zirka 1.000 Israeliten auf der Felsenfestung Massada am Toten Meer, die König Herodes bauen ließ. Mehr als drei Jahre harrten die Israelis dort aus, belagert von einer römischen Legion. Erst durch eine Kriegslist der Römer gelang es, über eine von jüdischen Sklaven gebaute riesige Rampe in die Felsenfestung zu gelangen. Als die römischen Truppen dort eindrangen, fanden sie die Leichen von fast 1.000 Menschen – die jüdischen Rebellen hatten kollektiv Selbstmord begangen und den Römern damit eine schwere moralische und psychologische Niederlage bereitet. „Nie wieder Massada“, so lautet das Motto vieler Juden – auch eine Erklärung für den unbedingten Verteidigungswillen dieses Volkes.
Yad Vashem – Gedenkstätte für sechs Millionen ermordete Juden
Ein besonders beeindruckender und bedrückender Teil der Reise unserer Fraktion war der Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Hier wird in einer sehr beeindruckenden Anlage der sechs Millionen ermordeten Juden gedacht. Nach einer Kranzniederlegung durch Fraktionschef Björn Thümler besichtigten wir die verschiedenen Bereiche der Gedenkstätte, unter anderem die für die 1,5 Millionen ermordeten Kinder und die der jüdischen Widerstandskämpfer – beeindruckend und bedrückend zugleich. Im sogenannten Tal der Gemeinden versammelten wir uns ebenfalls zu einer Gedenkzeremonie, Landtagspräsident Bernd Busemann würdigte die Opfer in einer kurzen Ansprache und erinnerte an die zahlreichen niedersächsischen Orte, in denen jüdisches Gemeindeleben ausgelöscht wurde. Mein Bild zeigt hier auch Wolfenbüttel, wo es bis zur Gewaltherrschaft der Nazis eine lebendige jüdische Gemeinde gegeben hatte. Während die ganze Fahrt über in den beiden Bussen der Reisegesellschaft eine muntere Stimmung herrschte, so war es nach der Abreise aus Yad Vashem deutlich anders. Die Betroffenheit und Nachdenklichkeit der Teilnehmer war geradezu greifbar, kaum ein Wort war zu hören.
Israel und Palästina – die Konflikte sind greifbar
Nicht nur die Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland, ganz Palästina ist durchzogen von Sperranlagen, Mauern und Stacheldraht. Überall sind die aktuellen Konflikte greifbar, Bewaffnete an vielen Orten prägen das Bild. Hier wird deutlich, wie tief die Konflikte das tägliche Leben beeinflussen und wie brisant die aktuelle Situation ist. Ob Palästinenser oder Israelis: auf beiden Seiten sieht man der Zukunft im Augenblick sorgenvoll entgegen. Wenn man – wie ich - als Besucher durch Jerusalem geht und mit jüdischen Kindern spricht oder in Palästina palästinensische Kinder trifft - sie unterscheiden sich eigentlich nicht. Kaum vorstellbar, dass sie sich vielleicht in wenigen Jahren mit der Waffe in der Hand gegenüberstehen werden. Auch innenpolitisch ist die Lage gespannt, wie die Auseinandersetzungen mit Siedlern und orthodoxen Juden oder die aktuellen Proteste äthiopischer Juden zeigen.
"Ich komme wieder"
Ich bin mit vielen Fragen, Meinungen und Vorurteilen in das Heilige Land gefahren, war absolut fasziniert, habe viel gesehen, erlebt und gelernt. Aber am Ende gilt dieses Zitat: „I´m still confused, but on an higher level“ (sinngemäß übersetzt: Ich bin nach wie vor verwirrt, aber auf einem höheren Niveau). Also fahre ich da noch einmal hin, ganz bestimmt.
mehr News aus Wolfenbüttel