Offener Brief an Bernschneider: AWO beklagt Chaos bei Bundesfreiwilligendienst


| Foto: Ado



Der stellvertretende Vorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig hat einen offenen Brief an den Braunschweiger Bundestagsabgeordneten Florian Bernschneider (FDP) geschrieben. Darin beklagt er, ein "Chaos bei der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes". Wir veröffentlichen den Brief in vollem Umfang, ungekürzt und unkommentiert:
Sehr geehrter Herr Bernschneider,

es sind nur noch wenige Tage, bis die ersten jungen Menschen ihren Bundesfreiwilligendienst am 01. August bei uns beginnen wollen. Leider sind bestehende Schwierigkeiten nicht ausgeräumt worden - ganz im Gegenteil, es sind neue hinzugekommen!

Obwohl vorgesehen ist, dass der Kindergeldanspruch auch für die Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst bestehen soll, wird die ersten vier Monate kein Kindergeld fließen. Der Grund: Das dafür notwendige Gesetz wird erst im November 2011 im Bundestag beschlossen! Die Leidtragenden: Die Eltern, die an ein nahtloses Weiterzahlen des Kindergeldes geglaubt haben und nun mindestens vier Monate darauf warten müssen. Insbesondere bei Mitarbeitern im öffentlichen Dienst kommen noch weitere Einbußen wie beim Ortszuschlag hinzu.

Wir erleben zurzeit, wie Freiwillige uns unter Tränen ihre Sorgen mitteilen, weil sie davon ausgegangen waren, dass sie kindergeldberechtigt sind. Unsere Beratungsstelle bekommt täglich mehrere Anrufe von erbosten Eltern, die sich auf die Aussagen der Bundesregierung verlassen hatten.

Um einer Auflösung der bestehenden Verträge mit den Freiwilligen entgegenzuwirken, ist der AWO Bezirksverband Braunschweig bemüht, die Problematik der Überbrückung für die Freiwilligen zu lösen.

Um den Start des Freiwilligendienstes gewährleisten zu können, müssen wir als Träger zunächst für Versäumnisse der Bundesregierung eintreten. Das ist nicht unsere Aufgabe, aber wir finden, dass man so mit Menschen nicht umgehen kann. Mit dem Verhalten der Regierung wird nicht nur diese unglaubwürdig, sondern auch wir als Träger, da wir unter falschen Vorsätzen beraten haben.

Sehr geehrter Herr Bernschneider, Ihre Zusagen aus dem Monat Mai 2011, dass das Kindergeld auch für Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst gezahlt wird, hätten bis zur Sommerpause Taten folgen müssen. Zum 1. August ist für die Freiwilligen eine Lösung des Problems erforderlich!

Erstaunt und zugleich erschüttert waren wir über die neuen Absichten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Staatssekretär Hecken und Bundesbeauftragter Dr. Kreuter wollen nun ein Kopplungsmodell zwischen FSJ und BFD in einem Verhältnis von 3:2 umsetzen. Bislang wurden anderslautende Aussagen getätigt, und zwar dahingehend, dass es für die Bewilligung von FSJ-Plätzen und der dazugehörigen Förderung in diesem Jahr kein Limit gäbe. Mit diesen Aussagen haben wir kalkuliert!

Die finanziellen Konsequenzen, die aus einer Nichteinhaltung dieser neuen Regelung entstehen, sind für uns zurzeit kaum zu übersehen. Es zeigt aber wieder mal die Unzuverlässigkeit in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Trägern der Freiwilligendienste. Wie sollen wir ordnungsgemäß handeln, wenn permanent die gemachten Aussagen in Frage zu stellen sind?

Aufgrund der neuen Gegebenheiten müssen wir nun jede abgeschlossene Vereinbarung im FSJ prüfen, ob diese eventuell durch einen Vertrag im BFD ersetzt werden kann. Das nicht abgeschlossene Gesetzesverfahren in der Kindergeldfrage ist hierbei ein zusätzlicher Hemmschuh.

Wir sind der Meinung, dass das gewählte Verfahren zur Einführung des Bundesfreiwilligendienstes ein Beispiel dafür ist, wie es nicht gemacht werden sollte. Besonders bedauern wir die hierdurch entstandene Unsicherheit der potentiellen Freiwilligen und die Schwierigkeiten, die wir hierdurch als Anbieter von Freiwilligenplätzen haben.

Die AWO hat für die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes die bundesweite und öffentlichkeitswirksame Kampagne "freiwillich" entwickelt. Alleine der AWO Braunschweig hält 102 Einsatzstellen mit vielfältigen Betätigungsfeldern in den Bereichen Kinder, Jugend & Familie, Pflege und Menschen mit seelischen Behinderungen vor.

Die Homepage www.awo-freiwillich.de und die Facebookseite AWO freiwillich sind die zentralen Elemente der Kampagne. Auf der Homepage können sich Interessierte nicht nur über die Möglichkeiten der Freiwilligendienste informieren, sondern auch über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten. Zudem ist eine Datenbank im Aufbau, die eine direkte Suche nach Einsatzstellen ermöglichen wird. Bei Facebook können sich Interessierte und Teilnehmer miteinander vernetzen, Beiträge über ihre Dienste posten und andere Einträge kommentieren. Die Kampagne wird unterstützt von VIVA und der Glücksspirale.

Sehr geehrter Herr Bernschneider, die AWO Braunschweig würde sich über ein geordnetes und zielstrebiges Verfahren und klare beständige Richtlinien freuen. Schaffen Sie Klarheit im Interesse der Freiwilligen. Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

AWO-Bezirksverband BS e. V.

gez. Dirk Bitterberg

stellv. Vorsitzender des Vorstandes


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