"Polizeirechtliche Maßnahmen": Lösung der Unterbringungsproblematik?

von Jan Borner


Die Stadt Wolfenbüttel kündigte an im Notfall auf sogenannte polizeirechtliche Maßnahmen zurückzugreifen, um leerstehende Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stellen zu können. Foto: Anke Donner
Die Stadt Wolfenbüttel kündigte an im Notfall auf sogenannte polizeirechtliche Maßnahmen zurückzugreifen, um leerstehende Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stellen zu können. Foto: Anke Donner | Foto: Anke Donner)



Wolfenbüttel. Im Streit um die Zurverfügungsstellung von leerstehendem Wohnraum für Flüchtlinge, hatte die Stadt Wolfenbüttel der Gemeinnützige Wohnstätten eG im Notfall mit sogenannten polizeirechtlichen Maßnahmen gedroht. Sowohl aus der Politik, als auch von einigen Lesern kam allerdings Kritik an einer solchen Lösung der Problematik auf. Aber was genau bedeutet es, dass leerstehender Wohnraum durch eine polizeirechtliche Maßnahme eingezogen wird? Und hätte die Stadt mit einer solchen Maßnahme auch tatsächlich Erfolg vor Gericht?

Wie die Stadt Wolfenbüttel auf Anfrage unserer Online-Tageszeitung erklärte, haben die Polizei und die Verwaltungsbehörden nach dem Niedersächsischen Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) gemeinsam die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Eine Gefahr im Sinne des sogenannten „Polizeirechts“ betrifft dabei die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung. Da bei Obdachlosigkeit, wie die Stadt betont, eine konkrete Gefahr für Gesundheit, Leib und Leben drohe, sei diese als eine Gefahr im Sinne des Polizeirechts zu verstehen, bei der Polizei und Verwaltungsbehörden dazu angehalten sind, dagegen vorzugehen. Wie die Stadt betonte, würden die Behörden und die Polizei dabei stets dem sogenannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen und von mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten der Gefahrenabwehr deshalb stets diejenige auswählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtige. Die Stadt handele deshalb, wie sie betonte, keineswegs willkürlich und berücksichtige in angemessener Weise die Interessen aller Beteiligten.

Vermeidung von Obdachlosigkeit


Wie die Stadt berichtete, sei eine solche Maßnahme zur Gefahrenabwehr in Wolfenbüttel auch schon öfter getroffen worden. Zum Beispiel dann, wenn einem Menschen nach der Kündigung seiner Wohnung, beispielsweise aufgrund der Nichtzahlung des Mietzinses, Obdachlosigkeit drohte. Die Stadt habe dann in diesem Fall die Kosten für die Miete übernommen, bis eine neue Unterkunft für den Menschen gefunden worden sei. Eine polizeirechtliche Maßnahme bedeute deshalb natürlich nicht, dass plötzlich die Polizei vor der Tür stehe und mit Waffengewalt die Herausgabe der Wohnung fordere. Mit der Polizei habe eine solche polizeirechtliche Maßnahme zunächst nämlich auch gar nichts zu tun, wie auch Frank Oppermann, Pressesprecher der Polizei Wolfenbüttel betonte. Es handele sich lediglich um eine verwaltungsrechtliche Maßnahme. Die Stadt sagte deshalb, dass es schlichtweg falsch sei, diese Maßnahme, wie mancherorts geschehen, als Enteignung zu kritisieren und betonte noch einmal, dass der Vermieter in diesem Fall auch eine Entschädigung in Höhe des Mietzinses, abrechenbare Nebenkosten sowie nach dem Auszug gegebenfalls die Kosten für eine Renovierung erhalte.

Chancen vor Gericht?


Sollte der Eigentümer sich gegen eine solche von der Stadt beschlossenen Maßnahme wehren, dann entscheide das Verwaltungsgericht über den Fall, wie Thorsten Raedlein, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wolfenbüttel, erklärte. Kann aber ein solcher Einzug von Wohnungen im Privatbesitz durch die Stadt zum Zweck der Flüchtlingsunterbringung vor Gericht tatsächlich Erfolg haben? Schließlich unterscheidet sich dieser Fall von einem solchen, wo die Stadt die Mietkosten eines Mieters übernimmt, dem bei Nichtzahlung die Obdachlosigkeit droht. "Darüber streiten sich gerade die Gelehrten", so Rechtsanwalt Thomas Ferwerda aus Magdeburg, der sich unter anderem auch auf Verwaltungsrecht spezialisiert hat. Auch in der Fachwelt werde ein solcher Einzug von privatem Wohnraum von Vielen mit Enteignung verglichen, weil es sich dabei unter anderem um einen Grundrechtseingriff ins Eigentum und um eine Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit handele. Tatsächlich bestünde für die Stadt zwar die Möglichkeit sich auf das Niedersächsische Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung zu berufen, aber die Erfolgschancen stünden dabei wahrscheinlich nicht sehr hoch, wie Thomas Ferwerda erklärte. "Da lehnt sich die Stadt Wolfenbüttel sehr weit aus dem Fenster", so der Rechtsanwalt.


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