Schünemann – Rede zum NPD-Verbotsverfahren




[image=5e1764c1785549ede64ccd8b]Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.12.2011 zum Antrag der Fraktion der SPD, ungekürzt und unkommentiert:

Sehr geehrte Damen und Herren,
die blutigen Anschläge der Zwickauer Terrorzelle zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, rechtsextremistische Strukturen im Keim zu bekämpfen. Damit steht auch die Frage eines neuerlichen NPD-Verbotsverfahrens auf der Tagesordnung. Wir sind uns hier im Haus alle einig: Die NPD ist eine neonazistische und damit zutiefst verfassungsfeindliche Partei.

Fest steht auch:
Die Ideologie der NPD wurzelt im selben braunen Sumpf wie das Weltbild der Zwickauer Terrorzelle.
Dennoch sind die Erfolgsaussichten eines neuerlichen Verbotsverfahrens verantwortungsvoll abzuwägen. Das erfordert einen kühlen Kopf. Denn die verfassungsrechtlichen Hürden sind hoch. Und nichts wäre schlimmer als ein erneutes Scheitern eines Verbotsantrags!

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt ein Verbot zum einen voraus, dass die Beobachtung der NPD durch Vertrauensleute („V-Leute”) schon vor Beginn des Verfahrens eingestellt wird. Das Abschalten der V-Leute birgt allerdings große Risiken. Denn gerade im Angesicht terroristischer Gefahren sind Insider-Informationen aus dem Innenleben extremistischer Milieus für eine substanzielle Gefahrenabwehr unverzichtbar. Sowohl das Verbot von zahlreichen rechtsextremen Organisationen, als auch die erfolgreiche Abwehr neonazistischer Gewalttaten waren erst durch die Angaben von V-Leuten möglich.

Ich erinnere vor allem an den vereitelten Anschlag auf den Neubau der Münchner Synagoge 2003.
Unabhängig von der Problematik der V-Leute muss ein Verbotsantrag eine weitere hohe Hürde nehmen.
Denn ein Verbot setzt zweitens nicht nur voraus, dass eine Partei verfassungsfeindliche Positionen vertritt. Vielmehr muss sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts in „aktiv kämpferischer, aggressiver Haltung” darauf abzielen, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Eine aggressiv-kämpferische Haltung muss die NPD als solche aufweisen. Dazu reicht es allerdings nicht aus, wenn Einzelverbindungen der Rechtsterroristen zu NPD-Funktionären bestehen, wie sie durch die Ermittlungen bereits aufgedeckt wurden.

Auf diese Hürde hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier erst kürzlich ausdrücklich hingewiesen (siehe Interview DIE WELT, 05.12.2011). Daraus folgt, dass in einem Gerichtsverfahren eine aggressiv-kämpferische Haltung der NPD detailliert nachgewiesen werden muss.

Einmal unterstellt, wir könnten am Ende tatsächlich erreichen, dass die NPD verboten wird:
Das wäre zwar ein Erfolg. Zugleich ist aber schon jetzt vor überhöhten Erwartungen zu warnen. Denn die Geschichte der Parteiverbote zeigt, dass anschließend Nachfolgeorganisationen gegründet werden. So ging die 1952 verbotene Sozialistische Reichspartei (SRP) teilweise in der rechtsextremen Deutschen Reichspartei (DRP) auf, deren Nachfolgerin dann die NPD wurde. Und auf die 1956 verbotene KPD folgte 1968 die DKP.

Zu befürchten steht auch, dass die Führungskader für eine gewisse Zeit in den Untergrund abtauchen, was ihre Beobachtung nicht leichter macht. Aus den Augen ist nicht aus der Welt! In einem wirkungsvollen ersten Schritt unterhalb des Verbotsverfahrens sollten wir deshalb Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen, von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen. Ich habe dafür auf der Grundlage eines Rechtsgutachtens bereits vor einiger Zeit konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt.

Unabhängig von einem Parteiverbot ist es in meinen Augen unerträglich, dass ungefähr 40 % der NPD-Finanzierung aus Steuergeldern erfolgen! Wer diese Geldquelle trockenlegt, versetzt der Partei einen entscheidenden Schlag - und das wesentlich schneller!

Das Risiko eines Verbotsverfahrens sollten wir erst dann eingehen, wenn die aktuellen Ermittlungen systematische Verbindungen zwischen der NPD und dem Rechtsterrorismus offenlegen.


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