Staatsanwaltschaft Hannover: Aktueller Ermittlungsstand in den Verfahren gegen Wulff, Glaeseker, Groenewold und Schmidt




Die unter Leitung der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Hannover durch das Landeskriminalamt Niedersachsen gegen Christian Wulff und David Groenewold sowie Olaf Glaeseker und Manfred Schmidt geführten Ermittlungen sind fortgeschritten.

In beiden rechtlich und tatsächlich komplexen Vorgängen wurden in kurzer Zeit umfangreiche und aufwendige Beweiserhebungen durchgeführt:

- Es wurden 93 Zeugen aus dem gesamten Bundesgebiet vernommen.

- Elektronische Dateien aus stationären Computern, Notebooks, Tablets, Festplatten, USB-Sticks und Mobiltelefonen in einem Gesamtvolumen von 5 Terrabytes waren auszuwerten. Die ca. 1 Mio. Dateien enthielten u.a. SMS und E-Mails.

- 380 Aktenordner mit Schriftstücken wurden sichergestellt.

- 45 Bankkonten mit zahlreichen Einzelbuchungen wurden ausgewertet.

- Die Telekommunikationsverbindungsdaten von 37 Telefonanschlüssen wurden rück­wirkend überprüft.

- Wohn- und Geschäftsräume in acht Objekten wurden durchsucht.

- Drei ausländische Staaten wurden um Rechtshilfe ersucht, die bisher in zwei Fällen bewilligt und geleistet wurde.

Die Ermittlungsakten umfassen zwischenzeitlich über 20.000 Blatt.

Dieses Arbeitspensum konnte nur durch das besondere Engagement der 24-köpfigen Ermittlungsgruppe des Landeskriminalamtes und der vier Staatsanwälte der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen geleistet werden.

In dem Verfahrenskomplex gegen Olaf Glaeseker und Manfred Schmidt ist zu klären, ob bzw. inwieweit Olaf Glaeseker mit der Organisation der von Manfred Schmidt privatgeschäftlich betriebenen Veranstaltungsreihe „Nord-Süd-Dialog“ dienstlich befasst war und mögliche Zuwen­dungen durch Manfred Schmidt hiermit im Zusammenhang standen.

Eine Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung würde den Nachweis voraussetzen, dass sie – zumindest stillschweigend – einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Zuwendungen einerseits und dienstlichem Handeln andererseits hergestellt haben.

Die Verteidiger haben nunmehr umfassend Akteneinsicht erhalten. Sie haben angekündigt, im November 2012 evtl. Stellung nehmen zu wollen. Anschließend wird hier über das weitere Vorgehen entschieden.

In dem Verfahrenskomplex gegen Christian Wulff und David Groenewold sind vor allem die Buchung und Bezahlung von drei Hotel- bzw. Ferienhausaufenthalten auf Sylt und in München zu klären.

Zu prüfen ist u.a., ob sich die nach den öffentlichen Erklärungen der Beschuldigten in Betracht kommende Kosten­regelung für die Aufenthalte auf Sylt bestätigen oder widerlegen lässt. Danach soll Christian Wulff seinen Kostenanteil in bar an David Groenewold übergeben haben. Wegen des Hotelaufenthaltes in München wird zu klären sein, ob Christian Wulff die Kostenübernahme durch David Groenewold bekannt gewesen ist.

Bargeldgeschäfte sind ihrer Eigenart nach schwer zu überprüfen. Die Beweisführung muss deshalb maßgeblich auf Ablauf, Gepräge und Zuschnitt der Aufenthalte, die finanziellen Verhältnisse der Beschuldigten, das Zahlverhalten von Christian Wulff bei anderen Gelegen­heiten sowie die Motivlage der Beschuldigten abstellen. Dazu erstellt das Landeskriminalamt Niedersachsen aktuell einen Zwischenbericht. Sodann soll den Verteidigern Akteneinsicht gewährt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Im Rahmen der Ermittlungen waren auch zahlreiche Erkenntnisse zu anderen Sach­verhalten, etwa zur Verleihung des Leo-Baeck-Preises, strafprozessual zu bewerten. Ein Anfangsverdacht für verfolgbare Straftaten hat sich aus diesen zeitintensiven Überprüfungen nicht ergeben.

Auch zu den Vorwürfen um die „Flitterwochen“ im März 2008 gibt es keinen Anlass zur Änderung der bisherigen Einschätzung, nach der keine zureichenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten vorliegen:

- Es gab mit der kurz zuvor stattgefundenen Hochzeit einen plausiblen privaten Einladungsanlass. Deshalb erscheint ein dienstlicher Zusammenhang mit der Bundesratssitzung im September 2007 unwahrscheinlich.

- Nach Maßgabe schriftlicher Unterlagen aus der Niedersächsischen Staatskanzlei stammte der Vorschlag zu dem vom Kabinettsbeschluss abweichenden Stimmverhalten aus dem zuständigen Fachreferat und wurde auf dem Dienstweg von mehreren Mitarbeitern der Staatskanzlei gegengezeichnet.

- Die Eheleute Wulff haben ihre Flugkosten selbst getragen und einen langjährigen Bekannten in dessen privaten Räumlichkeiten besucht.

- Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat entspricht standortpolitischen Entscheidungen und Vorstellungen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff in anderen Fällen.

Soweit Erkenntnisse aus den Ermittlungsvorgängen an die Medien gelangt sind, hatten zahlreiche Verfahrensbeteiligte auch außerhalb der Justiz- und Polizeibehörden Aktenkenntnis. In den wegen des Verdachts des Geheimnisverrats gegen Unbekannt eingeleiteten Verfahren dauern die Ermittlungen an.




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