Im Streit um die Informationspolitik über den Nord-Süd-Dialog vor dem Landtag hat der Staatsgerichtshof der klagenden SPD heute Recht zugesprochen. Die Richter sollten klären, ob die Landesregierung Fakten über eine Beteiligung Niedersachsens an der Veranstaltung rund um den damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff zu langsam herausgegeben habe. Die Bückeburger Richter sind überzeugt: Sie habe ihre Antwortpflicht zumindest teilweise verletzt. Finanzminister Hartmut Möllring hatte zunächst eine Beteiligung verneint, diese aber einen Tag später nach Medienrecherchen doch einräumen müssen. Das Urteil wurde heute erwartungsgemäß je nach Parteizugehörig unterschiedlich interpretiert. Wie gewohnt können Sie in WolfenbüttelHeute.de das Urteil ungekürzt und unkommentiert lesen und sich ein eigenes Bild machen:
Das Urteil
Ebenfalls ungekürzt und unkommentiert die “Stellungnahmen” der entsprechenden Politiker, die wir bereits über den Tag verteilt in ihrem Original-Wortlaut einzeln veröffentlicht hatten:
Landesregierung
[image=56328]Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Auslegung von Art. 24 der Landesverfassung getroffen. Zwei von drei Anträgen aus der SPD-Fraktion waren nicht erfolgreich. Spezifische Fragen, welche die Informationspflichten der Landesregierung einerseits und die Auskunftsrechte des Landesparlaments andererseits in der besonderen Situation im Fall Olaf Glaeseker betrafen, sind nunmehr beantwortet. Danach ist die Landesregierung in vergleichbaren Fällen gehalten, in ihren Antworten einen Vorbehalt aufzunehmen oder Fristverlängerung zu beantragen. Die Landesregierung wird das künftig beachten.”
Grüne: McAllister muss „Legende von der Privatveranstaltung“ abräumen
Nach dem heutigen (Montag) Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs zur verfassungswidrigen Beantwortung einer Anfrage zum so genannten Nord-Süd-Dialog erklärt der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Stefan Wenzel:
„Die Falschinformation des Parlaments muss sich Ministerpräsident McAllister auch persönlich zurechnen lassen. Finanzminister Möllring war im Dienste seines Herrn unterwegs, als er sich in immer mehr Widersprüche verstrickte. Der Nord-Süd-Dialog war eine Veranstaltung der Landesregierung. Die Falschbeantwortung der Anfragen aus dem Parlament sollte einen Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung kaschieren.
Unter Umgehung des Haushaltsrechts und unter aktiver Mitwirkung des ehemaligen Ministerpräsidenten, seiner Staatssekretäre und weiterer Beamter und Angestellter des öffentlichen Dienstes wurde eine Veranstaltung organisiert, die vollständig aus dem Rahmen üblicher Öffentlichkeitsarbeit einer Landesregierung fiel.
Ministerpräsident McAllister muss jetzt die Verantwortung für die falsche Beantwortung der Parlamentsanfragen übernehmen und die Legende von der Privatveranstaltung abräumen.”
Björn Thümler, CDU: “Staatsgerichtshof bestätigt: Möllring sagt die Wahrheit”
Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler, hat die heutige Entscheidung des Staatsgerichtshofs in Bückeburg im Zusammenhang mit dem Nord-Süd-Dialog als Grundsatzurteil im Hinblick auf Artikel 24 der niedersächsischen Verfassung bezeichnet. „Das Urteil trägt maßgeblich dazu bei, Unklarheiten in Bezug auf diesen wichtigen Paragrafen auszuräumen“, sagte Thümler in Hannover. Darüber hinaus habe das Gericht bestätigt, dass Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring bei seinen Unterrichtungen zum Nord-Süd-Dialog die Wahrheit gesagt habe: „Der Finanzminister hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass er nach seinen Erkenntnissen zum damaligen Zeitpunkt schnellstmöglich und umfassend informiert hat. Das hat das Gericht anerkannt“, so Thümler.
Selbstverständlich sei das Urteil des Staatsgerichtshofs zu akzeptieren. Mit diesem Grundsatzurteil stelle der Staatsgerichtshof klar, dass in Zukunft die Beantwortung von Fragen durch die Landesregierung im Zweifel wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen werde. „Jetzt bestätigt sich: Die Vorgaben in Paragraf 24 sind zu vage. Wir sind deshalb froh, dass der Staatsgerichtshof einen verlässlichen rechtlichen Rahmen geschaffen hat. Die Landesregierung muss in Zukunft so komplexe Fragestellungen umfassend, aber nicht unter Zeitdruck beantworten“, betonte der Fraktionsvorsitzende. „Wir werden das Urteil sorgfältig auswerten und die entsprechenden Konsequenzen ziehen.“
SPD: “Ein guter Tag für die Demokratie”
Zur Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes über die Beschwerde der SPD-Landtagsfraktion wegen Verstoßes der Landesregierung gegen Artikel 24 der Niedersächsischen Verfassung im Zusammenhang mit parlamentarischen Anfragen zum Themenkomplex „Nord-Süd-Dialog“ erklärt SPD-Fraktionschef Stefan Schostok:
„Die heutige Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes ist absolut folgerichtig. Die niedersächsische Landesregierung hat durch bewusst falsche Antworten auf parlamentarische Anfragen die Niedersächsische Verfassung gebrochen.
Der Staatsgerichtshof unter Vorsitz von Professor Jörn Ipsen hat damit den Parlamentarismus und die Demokratie in Niedersachsen gestärkt. Von Bückeburg geht ein wichtiges Signal an alle Landesregierungen in Deutschland und auch die Bundesregierung aus, die Kontrollrechte der Volksvertretungen künftig stärker zu achten.
Die faktische Beteiligung der Landesregierung unter Christian Wulff an der Organisation des Promi-Events ,Nord-Süd-Dialog‘ steht seit Monaten außer Frage. Gegen den Partyveranstalter und einen ehemaligen Staatssekretär ermittelt bekanntlich die Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsverdachts. Die fortgesetzten Beteuerungen der jetzigen Landesregierung unter David McAllister, es habe keine Beteiligung gegeben, sind durch Presseveröffentlichungen der vergangenen Monate ad absurdum geführt worden. Dennoch hielt die Landesregierung bis heute an der Legende der Nicht-Beteiligung fest und versuchte sogar, über einen unbegründeten Befangenheitsantrag massiven Einfluss auf das Gericht auszuüben.
Jetzt wurde vom Staatsgerichtshof der Schlusspunkt unter ein quälendes und zunehmend grotesker werdendes Kapitel Regierungspolitik gesetzt. Ich erwarte von Ministerpräsident McAllister und vor allem Finanzminister Möllring ein Ende des Versteckspiels und die Übernahme staatsmännischer Verantwortung.
Ihre Argumentation ist zu Recht vom obersten Gericht Niedersachsens zurückgewiesen worden. Wäre der Staatsgerichtshof der Argumentation der Landesregierung gefolgt, wäre die Kontrollfunktion und -fähigkeit des Parlaments insgesamt ausgehebelt worden. Dieses wäre ein Paradigmenwechsel in der Demokratie gewesen.
Der aktuellen und allen folgenden Landesregierungen wäre ein Freibrief ausgestellt worden, auf parlamentarische Anfragen nicht mehr nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig antworten zu müssen, wie es Artikel 24 unserer Verfassung vorschreibt. Künftig hätte nur noch erstbestes Wissen ausgereicht – oder auch eine dreiste Lüge.
Heute ist ein guter Tag für die Demokratie, für Niedersachsen und ganz Deutschland.“
DIE LINKE: “Urteil des Staatsgerichtshofs ist ein Fiasko für die Landesregierung”
Ursula Weisser-Roelle, stellvertretende Vorsitzende und parlamentarische Geschäftsführerin im Landtag:
„Jetzt hat die Landesregierung ihr Fehlverhalten gerichtlich bestätigt bekommen. Das Gerichtsurteil ist ein Fiasko für die Landesregierung. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) hat den Landtag bewusst getäuscht. Er hatte im Landtag in seiner unnachahmlich arroganten Art bestritten, dass die Regierung an der Finanzierung des Nord-Süd-Dialogs beteiligt war. Möllring hatte sogar mit einer Klage gedroht, als unser Fraktionsvorsitzender Hans-Henning Adler behauptet hatte, Möllring habe von der Beteiligung der Landesregierung am Nord-Süd-Dialog schon viel früher gewusst. Das Urteil zeigt auch, dass unsere Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschusses richtig war. So hätte man das gesamte Fehlverhalten der Landesregierung im Rahmen des Nord-Süd-Dialogs anprangern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen können. Leider wurde der Ausschuss von SPD und Grünen verhindert.“
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