Wolfenbüttel. Am heutigen Sonntagmorgen strömten viele Bürger in die St. Petrus Kirche in Wolfenbüttel. Sie alle wollten mit ihrer Anwesenheit ihre Solidarität mit Pfarrer Matthias Eggers bekunden. Dieser war aufgefordert worden, sein Amt zu räumen, nachdem er öffentlich Kritik an der katholischen Kirche geübt hatte.
Mitglieder der Kirchengemeinde St. Petrus hatten am Samstag dazu aufgerufen, am Gottesdienst teilzunehmen, um so zu signalisieren, dass man hinter Pfarrer Matthias Eggers steht. Auch Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic hatte in einem öffentlichen Brief an Bischof Heiner Wilmer seine Unterstützung für Pfarrer Matthias Eggers zum Ausdruck gebracht.
Unterschriften gesammelt
Schon vor Beginn des Gottesdienstes, der um 11 Uhr begann, trafen viele Unterstützer an der Petruskirche ein. Darunter auch Landrätin Christiana Steinbrügge und Vertreter der politischen Parteien aus dem gesamten Landkreis. Bürgermeister Ivica Lukanic selbst konnte am Gottesdienst nicht teilnehmen, da er sich im Urlaub befindet.
Vor der Kirche hatten Ministranten, darunter auch viele ehemalige, Schilder aufgestellt. Foto: Werner Heise
Vor der Kirche hatten Ministranten, darunter auch viele ehemalige, Schilder aufgestellt, auf denen Botschaften wie "Vertuscher fügen Schaden zu" und "Brecht das Schweigen" stand. Damit forderten sie die uneingeschränkte Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche.
Auch eine Unterschriftenliste wurde ausgelegt, mit denen die Unterstützer versicherten "Mir hat Pfarrer Eggers keinen Schaden zugefügt!". Eine Anspielung auf die Äußerung des Bistums, Eggers hätte durch seine Aussage "dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt".
Normalerweise finden sich zu den Gottesdiensten zwischen 180 und 200 Kirchgänger ein. Diese Zahl wurde heute bei Weitem übertroffen. Die Kirche war sprichwörtlich bis auf den letzten Platz gefüllt, sodass einige sogar stehen mussten oder Platz auf dem Fußboden fanden.
Standing Ovations für den Pfarrer
Es gab Standing Ovations, als Pfarrer Eggers vor dem eigentlichen Gottesdienst das Wort ergriff. Es war ein Zeichen des Zuspruchs und der Anerkennung dafür, dass ihr Pfarrer Mut bewies und seinen Arbeitgeber kritisierte. Dafür, dass er öffentlich einforderte, die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen konsequenter voranzutreiben. Dafür, dass er den Opfern eine Stimme verleiht.
Eggers machte noch einmal deutlich, dass Opfer sexualisierter Gewalt, vor allem Kinder, jede Unterstützung brauchen und dass eine Aufarbeitung stattfinden müsse. Und das sollte im Kern auch der Grund des Gottesdienstes sein. "Die Ministranten haben es auf den Punkt gebracht. Sie haben gesagt, wir wollen ein Zeichen setzen, für die Aufarbeitung von Verbrechen an Kindern. Und damit haben sie gesagt, um was es heute geht. Es geht nicht um meine Person. Sondern darum, dass eine Gesellschaft ein Wir braucht, das hinhört."
"Ich habe gewusst, dass es schwierig wird"
Eggers kam aber nicht umhin, auch die Dinge anzusprechen, die ihn betreffen. "Ich habe gewusst, dass es schwierig wird. Aber ich habe nicht mit dieser starken Reaktion des Bischofs gerechnet, weil er sich damit selber in eine missliche Situation bringt", so Eggers, der sich beim Bischof entschuldigte. Er habe ihn als Person nicht verletzen wollen. Er könne die Reaktion sogar verstehen. Der Bischof habe ein klares Zeichnen setzen müssen. "Aber auch ich wollte und musste klar sein und werde auch klar sein."
Gedanken über Rücktritt
Er sei mit sich im Frieden und es sei wichtig, dass man jetzt gelassen bleibe. Ob er sein Amt wirklich freiwillig aufgibt, sei noch nicht entschieden. Nachgedacht habe er aber schon darüber, wie es ist, wenn er einmal geht. "Ich habe auch während des Gesprächs darüber nachgedacht, ob das eine Lösung sein könnte." Aber er sei dennoch überrascht gewesen, dass man ihm androhte, ihn aus dem Amt zu heben, sollte er es nicht freiwillig tun. Seine Mutter habe eine klare Meinung dazu, berichtet Eggers. "Sie meinte zu mir: Na, Matthias, dann musst du das wohl jetzt durchziehen." Wie auch immer die Sache ausgehen wird. Die Gemeinde werde weiter existieren. "Die Gemeinde ist lebendig und stark und sie hängt nicht am Kleriker. Auch wenn ich nicht mehr hier bin, hat diese Gemeinde eine gute Zukunft", ist sich der Pfarrer sicher.
Begründung des Bischofs ist absurd
Pfarrgemeinderat-Vorsitzende Maria Kröger berichtete nach Eggers Worten, wie die Pfarrei von einer Welle der Solidarität überflutet wurde. Und auch sie machte deutlich, dass der Weg, den Pfarrer Eggers nun eingeschlagen hat, der richtige sei und man hinter ihm stehe.
Trotz seines kontinuierlichen Drängens zum Thema Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt habe Eggers im Bistum und der Priesterschaft keine zeitnahen Handlungen erreichen können.
"Auch nach Bekanntwerden der Empfehlung des Bischofs an Matthias zeigt sich die Pfarrei St. Petrus als ziemlich lebendig. Seit Donnerstag braust ein Sturm der Solidarität durch die Pfarrei, der sich sogar auf die Stadt ausgebreitet hat. Mich hat es bei aller Unsicherheit, die plötzlich über uns gekommen ist, sehr ermutigt. Zeigt es doch, welche Gemeinschaft und unglaubliche Kraft und Stärke hier vorhanden ist“, so Kröger, die sich für die Unterstützung bedankte, die von vielen Seiten angeboten wurde.
Und Kröger lud ein, sich mit einer Unterschrift solidarisch zu zeigen. „Denn die Begründung des Bischofs für sein Handeln lautet, Pfarrer Eggers habe dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt. Diese Aussage ist absurd! Schaden haben dem Volk Gottes die Missbrauchstäter und diejenigen zugefügt, die ihre Taten vertuscht haben“, macht Maria Kröger abschließend deutlich und tosender Applaus erfüllt die Kirche.
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