Theodor-Heuss-Gymnasium spricht sich für das Abitur nach 13 Jahren aus


| Foto: Romy Marschall)



Wolfenbüttel. Der Schulvorstand des Theodor-Heuss-Gymnasiums (THG) hat in der vergangenen Woche einstimmig beschlossen, dass das THG gemäß § 38a Abs. 3 Nr. 13 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) einen Antrag nach § 22 Abs. 3 NSchG stellt und im Rahmen eines Schulversuches „Modellschule G9“ die Möglichkeit erhält, zum Schuljahr 2014/15 mit den Jahrgängen 5 bis 8 die Schulzeitdauer von 12 auf 13 Jahre zu erweitern. Die Stadt Wolfenbüttel als Schulträger wird um das gem. § 22 (3) Satz 4 erforderliche Einvernehmen gebeten.


Die räumliche Situation lässt die Rückkehr zu einem neunjährigen Bildungsgang zu.


Begründung:


Zum Schuljahr 2004/05 wurde an den niedersächsischen Gymnasien das Abitur nach einer Schulzeitdauer von zwölf Jahren eingeführt. Die Erfahrungen, die wir an unserer Schule gemacht haben, zeigen, dass die mit der Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium erhofften Erwartungen nicht eingetreten sind. Aus diesem Grund hat sich schon vor fast zwei Jahren eine Arbeitsgruppe von Schülern, Eltern und Lehrkräften gebildet, um Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Der Schulvorstand des THG hat deshalb bereits am 15. Februar 2013 in einer Presseerklärung die Absicht der neuen Landesregierung begrüßt, das Abitur nach acht Jahren ergebnisoffen zu überprüfen.


Die Gesamtkonferenz hat sich am 28.5.2013 mit diesem Thema beschäftigt und die Arbeit der Arbeitsgruppe G 8/G 9 einmütig und ausdrücklich begrüßt. Die lokalen Medien haben am 29.5.2013 ausführlich berichtet, dass das THG aufgrund der ersten Arbeitsergebnisse dieser Gruppe zu einem Abitur nach neun Jahren zurückkehren möchte. Hierüber hat auch das Fernsehen (NDR 3) Mitte Juni 2013 umfassend informiert.


Das Kollegium hat sich bereits im Frühsommer 2013 auf einer Personalversammlung mit über 95% für eine Rückkehr zu G 9 ausgesprochen. Schulelternrat und Schülerrat haben sich auf ihren Sitzungen ebenfalls mit deutlichen Mehrheiten für eine Rückkehr zu einem neuen G 9 ausgesprochen. Die Gesamtkonferenz hat ihr Votum vom 28.5.2013 am 12.2.2014 noch einmal bekräftigt.


Das Theodor-Heuss-Gymnasium zeichnet sich seit langem durch ein breites, über die rein unterrichtliche Ausrichtung hinausgehendes Angebot aus, das den Schülerinnen und Schülern neben den reinen Wissens- und Bildungszielen auch eine breite Allgemein- und Persönlichkeitsbildung ermöglichen soll. Dazu zählen neben dem Unterricht und den im Schulpro-gramm verankerten weiteren Bildungs- und Entwicklungszielen auch unsere Profilangebote, zahlreichen Arbeitsgemeinschaften und Ganztagsangebote (Mittagessen, Förder- und Forderkurse, Teilnahme an Wettbewerben, Hausaufgabenbetreuung) sowie freiwillige Wahlangebote, die in der Vergangenheit gern angewählt wurden: dritte Fremdsprache, Teilnahme am bilingualen Unterricht, Schüler-Ingenieur-Akademie, …


Im G 8-System geraten die gemeinsamen Interessen von Elternhaus, Schule, Sportvereinen, Kirchen und anderen Kulturträgern in Bezug auf Freizeit- und Kulturangebote zunehmend in einen Konflikt: Die Verkürzung der Schulzeit führt zu einem eklatanten Zeitmangel der Schüler, da der Pflichtunterricht bis in den Nachmittag andauert. Freiwillige, motivierende und den reinen Schulstoff vertiefende Angebote werden zurückgedrängt. Wo die langen Stundenpläne es noch zulassen, werden zeitliche Lücken immer weniger mit der Annahme freiwilliger (schulischer) Angebote gefüllt.


Mit den gestiegenen Anwesenheitszeiten in der Schule verknüpft sind zunehmend als unzumutbar empfundene Schulwegzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Folge ist neben einer permanent gefühlten Überlastung eine Verminderung anderer, wichtiger Aktivitäten, die die Persönlichkeit jungen Menschen stärken könnten. Vereinsarbeit, musische und kulturelle Bildung, ehrenamtliches Engagement kommen zunehmend zu kurz. Die in der Schule verbrachte Zeit führt nicht zuletzt auch zu einer Verkürzung der Freizeit und der Lebensbereiche, in denen Gelerntes sich setzen und wirken kann, in denen Regeneration zur Vernetzung im Gehirn führt.


Diese Defizite kann man nur auflösen, indem man die Bildungsinhalte weiter zusammen-streicht oder sie so verteilt, dass ein gesundes Maß zwischen Schul- und Freizeit verbleibt. Ersteres kann kein Ziel sein, wenn man bedenkt, dass das Gymnasium die Studierfähigkeit durch eine „Allgemeine Hochschulreife“ vermitteln soll.


Wir sind davon überzeugt, dass ein neues G 9 nur in dem Sinne fruchtbar sein kann, als dass es die oben angesprochenen Probleme beseitigt: Es darf nicht um eine reine (künstliche) Verlängerung der Einführungs- und Qualifikationsphase gehen, sondern Ziel muss eine möglichst gleichmäßige (zeitliche) Belastung über die gesamte Schullaufbahn sein, die ein Lernen in sinnvollem Kontext zwischen Schule und Freizeit erlaubt, die Inhalte wieder besser im entwicklungsangepassten Kontext einbettet und so das Grundgerüst für ein vertieftes Verständnis bildet.


Nur ein ausgewogenes Verhältnis zwischen kognitiver und persönlichkeitsbezogener Bildung bzw. Entwicklung kann zu dem Ziel führen, neben wissenden Schülern auch verstehende Schüler am Ende ihrer Schulzeit guten Gewissens mit dem Qualitätsmerkmal „Allgemeine Hochschulreife“ verabschieden zu können.



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