Uwe Schünemann zum Thema Schutz von Flüchtlingen aus Nordafrika und dem Nahen Osten


| Foto: Ado



Wir veröffentlichen die Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - wie immer - ungekürzt und unkommentiert:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

die Entwicklungen in Tunesien, Ägypten und Libyen führten in den vergangenen Monaten zu einer erhöhten Wanderungsbewegung in Nordafrika, aber auch nach Südeuropa. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Unruhen in Libyen, der aktuellen politischen Situation in anderen Nahoststaaten werden weitere Flüchtlinge erwartet. Viele der aus Libyen geflohenen Gastarbeiter sind bereits wieder in ihre Herkunftsstaaten zurück gekehrt. UNHCR geht allerdings davon aus, dass sich in Nordafrika 8.000 bis 10.000 Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea aufhalten, die nicht in ihre Heimat zurück gebracht werden können und für die um Hilfe durch die EU gebeten werden wird.

Die Situation ist, wie man den Medienberichten entnehmen kann, komplex. Wirtschaftsmigranten machen sich auf den Weg nach Europa, Gastarbeiter sind infolge der Unruhen in Libyen an den Grenzen Tunesiens und Ägyptens gestrandet und müssen in ihre Herkunftsstaaten zurück gebracht werden. Das alles erfordert differenzierte Reaktionen auf EU-Ebene.

Am 12.05.2011 fand in Luxemburg eine Sondersitzung des Ministerrats „Justiz und Inneres“ statt, an dem ich als Ländervertreter teilgenommen habe. Der JI-Rat hat sich speziell mit den Entwicklungen in Nordafrika befasst und über die Inhalte der von der Kommission kürzlich vorgelegten Mitteilung zur Migration diskutiert. Dabei ging es auch um die aktuelle

Flüchtlingssituation im Mittelmeerraum.

Besonders im Fokus steht weiterhin die Situation auf der italienischen Insel Lampedusa. Mittlerweile sollen rund 30.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer dort angekommen sein. Italien fordert angesichts dieser Zahlen die Solidarität der EU-Mitgliedstaaten ein. Eine Übernahme dieser Ausländer wird von Deutschland zusammen mit den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten aber abgelehnt. Allein im letzten Jahr haben in Deutschland 41.332 Personen einen Asylerstantrag gestellt. Und in der Zeit von Januar bis Juni 2011 waren es insgesamt 20.609 Personen. Und ich möchte gar nicht von den zehnfach höher liegenden Zahlen in den 1990er Jahren sprechen, in denen Deutschland das Land mit einer der höchsten Flüchtlingsaufnahmen der Welt war. Angesichts der Größe und Bevölkerungszahl Italiens gibt es zu recht keinen Anlass, Italien aus der Verantwortung zu entlassen.

Der Bundesinnenminister forderte deswegen in der Sitzung des JI-Rats eine Gesamtstrategie für die Stabilisierung in Nordafrika und erklärte seine grundsätzliche Unterstützung für die entsprechenden KOM-Vorschläge. Er betonte aber gleichzeitig, dass bei der personellen Lastenteilung am Prinzip der Freiwilligkeit festgehalten werden müsse. Bereits im April auf dem letzten JI-Rat hatte Deutschland zugesagt, sich an einer innereuropäischen Solidaritätsaktion zu beteiligen und Malta zu entlasten. Dieser kleine Staat ist aufgrund seiner geographischen Lage ebenfalls durch einen überproportionalen Strom an Flüchtlingen belastet. Die Vorbereitungen für eine Übernahme von 150 Personen nach Deutschland laufen. Auch Niedersachsen beteiligt sich an dieser Aufnahmeaktion und wird voraussichtlich 14 oder 15 Personen aufnehmen.

Festgehalten werden kann, dass auch angesichts der weiterhin in Italien ankommenden Flüchtlinge eine Ausnahmesituation – wie sie für den Fall einer Massenfluchtsituation im Sinne der EU-Richtlinie bestehen müsste – derzeit (noch) nicht gegeben ist. Isolierte Aktionen einzelner Bundesländer wären vor diesem Hintergrund weder zielführend noch sinnvoll. Es ist aber notwendig, Aspekte wie Verhinderung eines „pull-effekts“ und des sogenannten „brain drain“ in die Entwicklungen einfließen zu lassen. Auch die Bekämpfung der Schleuserkriminalität ist ein wichtiges Anliegen. Ungeprüfte Aufnahmen von Wirtschaftsmigranten spielen den Schleuserbanden nur in die Hände. Ein ganzheitlicher Hilfsansatz umfasst aber auch Hilfen zur wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort und zum Aufbau von demokratischen Systemen. Diese Gesichtpunkte müssen mit der notwendigen Gewichtung in die Planungen auf EU-Ebene einbezogen werden.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zum Grenzdurchgangslager Friedland sagen:

Die vom Land Niedersachsen bei der für die Aufnahme von Asylbewerbern, Spätaussiedlern jüdischen Zuwanderern zuständigen Landesaufnahmebehörde Niedersachen in Braunschweig, Bramsche und Friedland vorgehalten Bettenkapazitäten könnten grundsätzlich jederzeit im Rahmen der verfügbaren Bettenkapazitäten auch für die Aufnahme von nordafrikanischen Flüchtlingen genutzt werden. Wie bei der in 2011 abgeschlossenen Aufnahme von irakischen Flüchtlingen aus Syrien und Jordanien kämen für eine Unterbringung zunächst die Einrichtungen in Friedland und Bramsche in Betracht. Sofern eine größere Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen werden sollte, bedürfte es hierzu aber eines zeitlichen Vorlaufs, da zunächst vermehrt die derzeit in diesen Einrichtungen untergebrachten Bewohnerinnen und Bewohner auf die Kommunen verteilt werden müssten.”


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