Schulleiter Peter Walte und Susanne Großklags (beide Carl-Gotthard-Langhans-Schule) hatten auch Thomas Knäpper vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu Gast Foto:
Gestern abend diskutierten Vertreter aus Politik, Bildung und Wohlfahrtseinrichtungen über die Ausbildung in der Altenpflege. Eingeladen hatte die Carl-Gotthard-Langhans-Schule (CGLS) zu einer rund zweistündigen Debatte über private und staatliche Angebote, die dem steigenden Bedarf an Pflegekräften gerecht werden sollen. Auf Anregung des nach Hannover gewechselten Jörg Röhmann, der als Landrat im Beirat der Schule saß, beantragte die CGLS beim Schulamt, neben der Ausbildung zur Pflegeassistenz auch eine Ausbildung zur Altenpflege anbieten zu können. In den politischen Gremien kam es unerwartet zu Irritationen, so daß die Fraktionen des Kreistages Beratungsbedarf sahen. Auf der gestrigen Veranstaltung ging es um Informationen, Märkte und Konkurrenz. Die Vertreter der privaten Schulen sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Schüler wünschen sich eine Wahlmöglichkeit und fordern ein Ende des Konkurrenzdenkens: "Warum ziehen nicht alle an einem Strang?" fragte Schülervertreter Selcuk Polat. Nun ist es an der Politik eine Entscheidung zu fällen.
Vor rund anderthalb Jahren machte der ehemalige Landrat Jörg Röhmann als Beiratsmitglied der Schule den Vorschlag, an der CGLS doch einen Ausbildungsgang "Altenpflege" zu installieren. Seit über 20 Jahren bilden im Landkreis Wolfenbüttel private Schulen zur Altenpflege aus. Angebote staatlicher Berufsschulen fehlen bislang.
Besonders ist an der Ausbildung im Pflegebereich, daß interessierte Schüler sich zusätzlich zur betrieblichen Ausbildungsstelle selbständig um einen Platz an einer berufsbildenden Schule kümmern müssen. Üblicherweise übernehmen diese Aufgabe die auszubildenden Betriebe. Die Ausbildung zum examinierten Altenpfleger dauert regulär drei Jahre und ist auch inhaltlich umfangreicher als eine Ausbildung zur Pflegeassistenz, die es bereits an der CGLS gibt.
Podium mit Vertretern aus Bildung und Verwaltung Foto:
Alle wesentlichen Voraussetzungen personeller und materieller Art sind durch die Assistentenausbildung an der CGLS schon vor Ort. Damit wäre die Neueinführung der Ausbildung schnell und günstig umzusetzen und die Altenpflege könnte zum 1. August diesen Jahres starten. "Wir haben auch viele Anmeldungen", schildert die stellvertretende Schulleiterin Martina Reinhardt, "zwei Drittel der Klasse ist voll." Dennoch gibt es aus den Reihen der Politik und vor allem seitens der privaten Pflegeschulen deutliche Kritik.
Einig waren sich alle Anwesenden, daß der Pflegebedarf ansteige, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt. Ebenfalls unstrittig sei, daß dieser Anstieg zu einem erweiterten Fachkräftebedarf führe. Streitpunkt ist aber die Zuständigkeit für die Abdeckung des erhöhten Fachkräftebedarfs.
Die Vertreter der privaten Schulen machten deutlich, daß Kapazitäten für weitere Ausbildungsplätze vorhanden seien. Allein es mangele an betrieblichen Ausbildungsstätten, erklärte Gesa Pfeiff für das Diakonie-Kolleg. Die privatwirtschaftlichen Schulen fürchten auch um ihre Märkte: "Wir fühlen uns in unserer Existenz bedroht", sagt Aimée Buchheister. Die Schulleiterin der Oskar-Kämmer-Schule erläuterte, "wenn es nur eine beschränkte Zahl an Praxisplätzen gibt, aber ein zusätzliches Berufsschulangebot, müssen wir Schüler ablehnen. Das hat wirtschaftliche Folgen für uns."
Gudrun Wollschläger vom Referat für Schule und Sport des Landkreises teilte gestern mit, nach Anfragen in den Betrieben könnten bis zum Herbst 15 weitere Ausbildungsstellen eingerichtet werden.
Die ausbildenden Betriebe wollen aber auch die Politik mit in die Verantwortung nehmen, durch geeignete Maßnahmen und Programme den Ausbau der Lehrstellen zu fördern. "Wir würden mehr ausbilden, wenn wir es finanziert bekommen", versicherte AWO-Heimleiterin Ellen Arndt in Richtung von Thomas Knäpper vom Bundesamt für Familie. Knäpper antwortete mit dem Verweis auf eine Ausbildungsinitiative des Bundes, mit der zehn Prozent mehr Stellen geschaffen werden sollen, aber unterstrich zugleich: "In Tarifliches mischt sich der Bund grundsätzlich nicht ein."
Der Dissens zwischen einerseits vorhandenen privatschulischen Kapazitäten und mangelnden betrieblichen Stellen hatte in der Kommunalpolitik indes für Irritationen gesorgt. Unter dem Hinweis auf weiteren Beratungsbedarf hatte der Kreisausschuss seinerzeit den Beschluß des Antrages der CGLS vertagt. Holger Barkhau von den Grünen bemängelte, daß in der Antragsvorlage der Hinweis auf vorhandene Kapazitäten gefehlt habe. Mit der Einladung zur gestrigen Podiumsdiskussion wollte die Schule dem Informationsdefizit Rechnung tragen.
Angehende Pflegeassistentinnen und Monique Krzywinski (2.v.r.) Foto:
Geladen waren neben Kommunalpolitikern, Vertreter der privaten Schulen und der Ausbildungsbetriebe sowie interessierte Schüler. Letztere machten zweierlei deutlich: 1. wünschen sie sich eine Wahlmöglichkeit und 2. das Ende des Konkurrenzdenkens. Schülerinnen der CGLS, die dort eine Ausbildung zur Pflegeassistenz absolvieren, sprachen der Schule ihr Vertrauen aus. "Wir kennen die Lehrer hier und außerdem kostet uns die Schule nichts", äußerte Monique Krzywinski, "wir wollen ja auch mal zuhause ausziehen."
Selcuk Polat, ebenfalls Schüler der CGLS gab aber auch zu Bedenken: "Wir wollen keinen Konkurrenzkampf mehr. Warum ziehen nicht alle an einem Strang?" Martina Reinhardt antwortete für die staatliche Berufsschule: "Wir sind keine Konkurrenz für den privaten Markt. Wir bilden im ersten Ausbildungsmarkt aus, nicht über Umschulungen."
Der Schulleiter und Hausherr Peter Walte beendete nach rund zwei Stunden die Veranstaltung in der CGLS mit den Worten: "Wir entlassen die Politiker mit einer schweren Aufgabe. Sie müssen jetzt entscheiden." Im nächsten Kreisschulausschuss kommenden Monat werde das Thema wieder auf der Tagesordnung stehen. Für einen Schulbeginn im August blieben dann für einen Beschluß noch rund vier Monate Zeit.
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