Wolfenbüttel: Landkreis will Bildungslandkreis Niedersachsens werden - GRÜNE fordern Leitbild für Landkreis und Kreistag

von Marc Angerstein




Der Kreistag hat in seiner letzten Sitzung einstimmig sechs neue "Oberziele" beschlossen, die für das Verwaltungshandeln und die Beratungen im Kreistag leitend sein sollen. 

Die Vorschläge für die Ziele wurden Anfang Mai in einem Dezernenten-Workshop des Landkreises entwickelt.

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Landrat Jörg Röhmann Foto: Marc Angerstein



Landrat Jörg Röhmann stellte die neuen Oberziele den Kreistagsabgeordneten vor:

  • Positive Beeinflussung des demografischen Wandels

  • Konsolidierung des Kreis-Haushaltes unter Beachtung der Haushalte der kreisangehörigen Kommunen

  • Verbesserung der CO2-Bilanz des Landkreises Wolfenbüttel

  • Verbesserung der Gesundheitsfürsorge

  • Weiterentwicklung der Landkreisverwaltung zu einer bürgerfreundlichen und bürgerorientierten Behörde

  • Entwicklung des Landkreises Wolfenbüttel zum Bildungslandkreis in Niedersachsen


Gerade beim letzten Ziel holte der Landrat verbal aus: "Das ist keine hohle Phrase, das ist mein erklärtes Ziel. Ich will, dass unser Kreis der Bildungslandkreis des Landes wird."

Röhmann möchte aber auch, dass die Bürger des Landkreises "gesund aufwachen, gesund leben, gesund arbeiten und gesund alt werden." Deshalb werde er sich dem Ziel der Verbesserung der Gesundheitsfürsorge sowie der Weiterentwicklung der Landkreisverwaltung zu einer bürgernahen Behörde selbst annehmen.

Für die Haushaltskonsolidierung trägt der Erste Kreisrat Martin Hortig die Verantwortung. Claus-Jürgen Schillmann ist verantwortlich für die Prozesse, die den demografischen Wandel positiv beeinflussen sollen. Zuvor gab es im Kreistag schallendes Gelächter, weil der Landrat in seiner ursprünglichen Formulierung den Eindruck erweckte, Schillmann persönlich solle mit seiner Manneskraft der demografischen Entwicklung positiv entgegenwirken.

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Elisabeth Gerndt (GRÜNE) Foto:



Elisabeth Gerndt (GRÜNE) kritisierte in ihrer Rede, dass bei den bisherigen Oberzielen "das Pferd von hinten aufgezäumt wurde." Sie forderte deshalb im Namen ihrer Fraktion die vorgeschaltete Entwicklung eines Leitbildes für den Landkreis. "Ein Leitbild ist nämlich die Mutter aller Handlungen und Ziele." Ihre Rede veröffentlichen wir - wie immer - ungekürzt und unkommentiert:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Anwesende,

mit der 1. Sitzung der Steuerungsgruppe des XVII. gewählten Kreistages fand eine Überprüfung der Arbeit des Kreises bzgl. der in 2011 bestimmten Oberziele statt und zudem eine Fortschreibung resp. Überarbeitung dieser Ziele für 2013 und folgende Jahre. Die mehr oder minder ausreichend empfundenen Erfolge aus 2011 hat uns bereits der verehrte Herr Landrat erläutert. Ich möchte mich dem Thema widmen, wie es weitergehen soll.

Die Festlegung von Oberzielen, also Zielen, die nicht an einem konkreten Vorgang festgemacht werden, sondern grundsätzlicherer Natur sind, halten wir von Bündnis 90/die Grünen für unverzichtbar, auch wenn die Formulierungen für diese Oberziele häufig als sperrig, manchmal als ungeeignet empfunden werden. Wahrscheinlich erkennt man ein gut formuliertes Oberziel daran, dass man eben nicht sofort ein konkretes Bild vor Augen hat, wie es zu erreichen oder ob der Erreichungsgrad einfach zu messen ist.

Es ist dieses nicht-Konkrete an dem wir uns regelmäßig reiben, da uns der definierte Fall fehlt bei dem man schon sehr viel leichter zwischen Wünschenswertem und zu Vermeidendem unterscheiden könnte. Es muss im Gegenteil eine Konstruktion gefunden werden, die möglichst alle der in der Zukunft liegenden möglichen Fälle abdeckt und keinen konkreten Einzelfall darstellt. Es wird wohl schwierig bleiben.

Nun denken die ersten bereits: warum redet sie so lang? Tut sie doch sonst nicht. Ich will Sie nicht erschrecken, aber wir befinden uns gerade bei der Einleitung zu dem Plädoyer für das was noch schwieriger sein dürfte und trotzdem gewagt werden sollte. Es ist der große Bruder des Oberziels, das Leitbild, welches den Zielhafen meiner Ausführung heute darstellt.

Das Leitbild des Landkreises Wolfenbüttel ist das große Kontinuum, die Unerschütterlichkeit angesichts wechselnder Rahmenbedingungen - eben das, worauf sich am Ende alle verlassen können sollen.

Die Formulierung solch eines Leitbildes muss uns überfordern – wir befürchten vielleicht es nicht schaffen zu können. Wir sollen zugleich in die Zukunft sehen, die Gegenwart mitdenken und unsere Vergangenheit nie verleugnen.

Und weil dies so ist, wird die Diskussion um das Leitbild wahrscheinlich nie ganz enden. Unser Plädoyer ist es, das sie nie enden darf und jetzt beginnen muss. Es muss gerungen werden um das, was Leitbild ist, was uns im Kern ausmacht. Nur dieses gemeinsame Ringen und Definieren ist in der Lage uns eine Identität und einen Wert zu geben. Ansonsten ist ein Landkreis nämlich nur eine Verwaltungsebene und so wichtig diese sein mag.... „Wenn er satt ist, will der Mensch Lieder singen“ – sagte meine Oma immer und meinte damit: Verwaltung allein genügt nicht.

Wir entnehmen dem Protokoll zur 1. Sitzung der Steuerungsgruppe (das übrigens bis zum Wochenende nicht in elektronischer Form vorlag und daher wahrscheinlich nicht von allen Mitgliedern des Kreistages gelesen werden konnte), dass die Definition des Leitbildes des Landkreises Wolfenbüttel – nachdem man sich in der letzten Wahlperiode bis 2012 Zeit gegeben hatte eben dieses zu benennen, nun erneut um ein Jahr verschoben werden soll. Man glaubt, dass nachdem einige Konstellationen (Förderung von Tourismus und Wirtschaft sowie die Reform von Gebietskörperschaften) greifbarer wären, ein besseres Leitbild geschaffen werden könnte. Wir von Bündnis 90/ Die Grünen glauben, dass dies ein Irrglaube ist. Was immer man an diesem neuen Zielpunkt erreicht hat, man wird wieder neue Veränderungen erahnen können und mit gleicher Begründung verschieben müssen.

Der Fehler liegt im Grundgedanken. Ein Leitbild ist nicht an einer konkreten Situation festzumachen, es benötigt keine Bedingungen um zum Tragen zu kommen. Es gilt eben nicht bestimmte Zustände und Entwicklungen abzuwarten, evtl. sogar herbei zu gestalten, bevor ein Leitbild geschaffen werden kann.

Das Leitbild ist vielmehr unabhängig von konkreten Entwicklungen und bildet selbst das Dach unter dem sich unsere Handlungen platzieren. Unser Leitbild - unsere Identität, unsere Motivation und unser Antrieb - sind unabhängig zu stellen vom Ausgang derzeitiger Entwicklungen. Im Grunde ist das Leitbild die Mutter all unser Handlungen, Beschlüsse, Ziele und Oberziele. Wir müssen feststellen – wir haben bisher das Pferd von hinten aufgezäumt!

Wir, von Bündnis 90/die Grünen, meinen daher, dass die Diskussion um das Leitbild des Landkreises Wolfenbüttel kein Thema für einen kleinen Arbeitskreis ist, der 2-mal im Jahr zusammenkommt. Diese Diskussion braucht alle Köpfe und sie muss umgehend beginnen. Wir plädieren für die Eröffnung einer breiten Debatte im Kreistag, womöglich unter Einschluss weiterer Gruppierungen.

Am Ende unserer Debatte steht bestenfalls ein fertig formuliertes Leitbild, mindestens aber die Erkenntnis über das, was gemeinsam als unverzichtbar empfunden wird und dessen Fortbestand zu sichern ist.


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