Ärger um Artenvielfalt: Volksbegehren wird trotz Niedersächsischem Weg fortgesetzt

Die Vertreter des Volksbegehrens, das Unterschriften für eine größere Artenvielfalt sammelt, tut dies weiterhin und verärgert damit die Landwirte. Diese hätten anhand des "Niedersächsischen Weges" bereits einen Schritt in Richtung Artenvielfalt getan. Doch solange keine Gesetzesänderung vorliegt, werde die Unterschriftensammlung weitergehen.

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"Nur weil das Landvolk einen Vertrag unterschreibt, dass auf einem Gewässerrandstreifen nicht mehr gedüngt oder gespritzt werden soll oder dass in Naturschutzgebieten keine Pestizide mehr eingesetzt werden sollen, ist kein einziger Betrieb verpflichtet sich daran zu halten."
"Nur weil das Landvolk einen Vertrag unterschreibt, dass auf einem Gewässerrandstreifen nicht mehr gedüngt oder gespritzt werden soll oder dass in Naturschutzgebieten keine Pestizide mehr eingesetzt werden sollen, ist kein einziger Betrieb verpflichtet sich daran zu halten." | Foto: pixabay

Braunschweig. Der „Niedersächsische Weg“ ist eine weitreichende Vereinbarung zum Schutz von Umwelt und Natur, die zwischen Bauern, Umweltverbänden und der Landesregierung im Juni besiegelt worden ist. Alle beteiligten Organisationen hatten für eine Einigung Abstriche von ihren, zunächst weit auseinanderliegenden, Standpunkten machen müssen. Das Ergebnis ist ein verbesserter Arten- und Biotopschutz, der aber der hiesigen Landwirtschaft auch die Luft zum Atmen lassen soll. Eine solche Übereinkunft, bei der auch tiefe Gräben überwunden werden mussten, ist bisher deutschlandweit einmalig. Die entsprechenden, dafür notwendigen, Gesetzesänderungen werden spätestens in zwei bis drei Monaten vorliegen, wie das Niedersächsisches Landvolk Braunschweiger Land in einer Pressemitteilung berichtet. Dennoch hätten das Bündnis´90/Die Grünen und der Naturschutzbund (NABU) weiterhin Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt (regionalHeute.de berichtete).


Der Vorsitzende des Landvolk Braunschweiger Land, Ulrich Löhr, zog den Vergleich: „Der NABU ist wie ein frisch verlobter Bräutigam, der aber trotzdem noch auf allen Dating-Portalen aktiv ist.“ Eine Gruppe von Landwirten unter der Leitung von Manfred Walkemeyer, Landwirt in Braunschweig und Mitglied im Vorstand des Landvolkes Braunschweiger Land,suchte daher den Dialog mit den vor Ort um Unterschriften werbenden Personen in Braunschweig, die für die Unterschriftensammlung extra einen Bus gechartert hätten.

Schnell habe sich herausgestellt, dass die Unterschriftensammler nur sehr ungenügend über die dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzesgrundlagen informiert gewesen seien und fast nichts über den „Niedersächsischen Weg“ wussten. Nach dem Gespräch äußerte sich Manfred Walkemeyer sehr enttäuscht über den fehlenden fachlichen Hintergrund der Unterschriftensammler. „Hier wird mit platten Parolen Politik gegen die Landwirtschaft gemacht. Wir fordern den NABU auf, sich weiter intensiv bei den Gesprächen einzubringen und das populistische Volksbegehren aufzugeben.“

"Volksbegehren belastet Betriebe einseitig"



„Für uns Bauernfamilien ist eine intakte Natur Lebensgrundlage, aber wir sind nicht bereit einseitig die Lasten zusätzlicher Auflagen zu tragen. Wie wichtig eine funktionierende, heimische Versorgung mit nachhaltig erzeugten Lebensmittel ist, haben die kritischen Wochen zu Beginn der Corona-Pandemie gezeigt“, so äußerte sich der teilnehmende Landwirt Christian Telge aus Hondelage. „Das Volksbegehren würde unsere bäuerlichen Familienbetriebe einseitig belasten und dazu führen, dass in Zukunft nur noch wenige Großbetriebe hier Lebensmittel produzieren. Das wäre für viele junge Landwirtinnen und Landwirte sowie für den gesamten ländlichen Raum fatal“, fasste Bernd-Henning Hampe die potenziellen Folgen dieses Volksbegehrens zusammen.

"Landvolk müsste Volksbegehren unterstützen"



Auf Nachfrage von regionalHeute.de äußerte sich der NABU, dass der Niedersächsische Weg sehr wohl allen Aktionsgruppen und Bündnispartnern kommuniziert worden sei. Gefordert werde, dass die Tier- und Pflanzenarten in Niedersachsen besser geschützt werden sollen. Dies gehe nur mit Gesetzesänderungen. Der größte Teil der mit dem Volksbegehren angestrebten Änderungen betreffe das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz. Das bedeute, dass das Niedersächsische Naturschutzrecht zum Wohle der Artenvielfalt geändert werden solle. Zusätzlich würden einige Änderungen des Niedersächsischen Wassergesetzes und des Niedersächsischen Waldgesetzes angestrebt. Tier- und Pflanzenarten könnten nur überleben, wenn sie in Niedersachsen ausreichend Lebensraum finden würden. "Unser Gesetz hat daher auf die im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergienutzung aktuell diskutierten artenschutzrechtlichen Belange keine Auswirkungen, denn dabei spielen ausschließlich abweichungsfeste Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes eine Rolle, die wir mit einem Landesgesetz weder aufweichen noch verschärfen können", erklärt NABU-Pressesprecher Philip Foth gegenüber regionalHeute.de. "Vertragsnaturschutz" alleine reiche nicht aus. Aus Sicht von über 180 Bündnispartnern werde für den Natur- und Artenschutz eine verbindliche Grundlage gebraucht, die mit dem Volksbegehren geschaffen werden solle.

Gesetzliche Grundlage benötigt



Mit dem Niedersächsischen Weg sei gemeinsam mit der Landesregierung, dem Landvolk, der Landwirtschaftskammer und den Umweltverbänden NABU und BUND eine gemeinsame Absichtserklärung für einen besseren Artenschutz unterzeichnet worden. Doch auch der Niedersächsische Weg brauche eine gesetzliche Grundlage, andernfalls sei die Absichtserklärung weitgehend wertlos. "Wir haben diese gesetzliche Grundlage mit dem Volksbegehren vorgelegt. Wenn das Landvolk ernst meinen würde, was es selbst unterschrieben hat, müsste es das Volksbegehren eigentlich unterstützen, statt es zu bekämpfen", so Foth weiter. Zudem gebe es mehrere öffentliche Äußerungen von Vertretern der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen in Hannover, dass der Niedersächsische Weg einzig und allein dem Ziel diene das Volksbegehren und damit eine gesetzliche Regelung zu verhindern.

"Wir können eine gewisse Enttäuschung darüber nachvollziehen, dass das Volksbegehren nicht für eine unverbindliche Absichtserklärung aufgegeben wurde. Schließlich ist kein Landwirt an die Unterschrift des Niedersächsischen Landvolks gebunden. Nur weil das Landvolk einen Vertrag unterschreibt, dass auf einem Gewässerrandstreifen nicht mehr gedüngt oder gespritzt werden soll oder dass in Naturschutzgebieten keine Pestizide mehr eingesetzt werden sollen, ist kein einziger Betrieb verpflichtet sich daran zu halten. Solange das nicht im Gesetz steht, ist es erlaubt und wird auch gemacht. Freiwillige Verpflichtungen haben wir auch in anderen Bereichen zuhauf, aber sie bringen leider meistens nichts", erklärt Foth. Und weiter: "Solange mit dem Niedersächsischen Weg keine adäquaten Ergebnisse in Natur und Umwelt erreicht werden, werden wir am Volksbegehren festhalten. Denn ohne das Volksbegehren gäbe es keinen Niedersächsischen Weg und würde dieser auch kein Erfolg werden."


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