Region. Seit dem gestrigen Montag sind auch die ersten, fünften und sechsten Jahrgänge aller Schulformen wieder zurück im Präsenzunterricht. Damit ist die Zeit des Homeschooling nach 13 Wochen zumindest teilweise vorbei. Die Klassen werden immer noch in Blöcken unterrichtet, der Unterrichtsbeginn und die Pausen sind versetzt. Für die Schulleiterinnen und Schulleiter sei die aktuelle Situation einerseits traurig, einerseits habe man auch viel Bewunderung dafür übrig, wie gut tatsächlich alles funktioniert. regionalHeute.de hat bei zwei Schulen in der Region nachgefragt.
Schulstart für die Erstklässler an der Grundschule Stöckheim. Wie an allen Schulen wird nicht zur Pause auf die Gänge gestürmt, alles läuft geordnet und mit Abstand. Ole Schulz-Weber ist Schulleiter der kleinen Dorfschule und beobachtet mit Erstaunen, wie gut alles funktioniert: "Manchmal stimmt es mich auch etwas traurig", erklärt der Schulleiter. "Traurig, weil den Schülern diese Unbeschwertheit fehlt. Sie können sich nicht so bewegen, wie sie es normalerweise tun würden." Traurig seien die Schüler jedoch mitnichten, muss Schulz-Weber feststellen. Im Alltag sei es ihm wichtig, die Stressfaktoren dieser besonderen Situation für alle Schüler so gering wie möglich zu halten. Schimpfen würde man nicht, wenn etwas mal nicht klappt, sondern in ruhigem Ton erklären. "Das ist aber sowieso nicht nötig, die Schüler weisen sich meistens gegenseitig freundlich auf die Regeln hin." Stolz sei er nicht nur auf die Eltern, die ihren Kindern vieles für die aktuelle Situation mitgegeben hätten, auch die Verordnungen der Stadt Wolfenbüttel und des Landes Niedersachsen seien "perfekt". Alles hätte gut umgesetzt werden können.
Keine Katastrophe in den Schulbussen
Auch die viel beschworene Katastrophe bei der Schülerbeförderung sei hier ausgeblieben. "Nun, wir sind eine Dorfschule", begründet Schulz-Weber. "Die meisten unserer Kinder kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad." Eine ähnliche Rückmeldung gab auch die Grundschule am Geitelplatz in Wolfenbüttel: "Das sind ja eigentlich höchstens die Schüler aus Atzum, die mit dem Bus kommen", hieß es da aus dem Sekretariat. Claudia Rudath, Schulleiterin der Wilhelm-Busch-Grundschule in Wolfenbüttel habe ebenfalls noch nichts Negatives gehört: "Ich gehe aber auch davon aus, dass die KVG uns Bescheid sagen würde, wenn es zu voll wird." Gegengesteuert habe man, indem man die Gruppengrößen entsprechend der verfügbaren Busse angepasst habe.
"Die kleinen Klassen sind ein Traum"
Rudath kann dem neuen Schulalltag auch etwas Positives abgewinnen: "Die kleinen Klassen sind ein Traum", lacht sie und berichtet auch über ihre Lehrerkollegen im Homeoffice: "Die haben genug zu tun. Unsere Lehrer, die zur Risikogruppe gehören, betreuen nicht nur die Kinder, die ebenfalls zu Hause sind, sondern bereiten auch Unterrichtseinheiten vor." Die Einhaltung der Regeln sei auch an der Wilhelm-Busch-Grundschule kein Thema: "Es sind einfach alle froh, wieder hier zu sein."
Unverhofft gut vorbereitet
Auch an der IGS Heidberg in Braunschweig ist die Situation entspannt. Die Schule hatte aber vor dem Start des Homeschoolings ohnehin einen Vorteil: "Wir haben sehr engen Kontakt mit den Schülern auch zu Hause. Wir sind vollständig digital aufgestellt und waren auch eine Projektschule für die Bildungscloud", erzählt Schulleiterin Natalia Remmler selbstbewusst. Seit drei Jahren wird an der IGS Heidberg schon digital gelernt. Es war eine der ersten Schulen in Niedersachsen, die in das Projekt eingestiegen ist. Auch an der IGS funktioniere die Einhaltung der Regeln reibungslos, die Schüler seien gut informiert, bemerkt Remmler. Dann fällt ein Satz, der in normalen Zeiten wohl eher für ungläubiges Kopfschütteln gesorgt hätte: "Jeder hat diese Sehnsucht nach der Schule. Alle sind sehr bemüht sich an die Regeln zu halten, auch weil sie es sehr vermisst haben mit ihren Mitschülern in Kontakt zu sein." Auch wenn die Klassen geteilt sind und in Blöcken unterrichtet werden, würden manchmal Videobotschaften für die andere Klassenhälfte aufgenommen. "Oder es kleben einfach Zettel auf den Tischen mit Botschaften wie 'Schön, dass wir unseren Tisch teilen', das ist einfach das, was unsere Gemeinschaft ausmacht", freut sich die Schulleiterin.
Großer Dank an "Hey Alter"
Das Homeschooling sei letztendlich auch immer eine Frage der richtigen Voraussetzungen. Vor diesem Hintergrund dankt Remmler ganz ausdrücklich dem Projekt "Hey, Alter", welches Computer für die Schüler zur Verfügung gestellt habe. "Da war ja wirklich alles bei. Maus, Tastatur, Monitor, Webcam", erzählt Remmler begeistert. "Eine ganz tolle Aktion." Geklappt hätte es aber mit dem Digitalangebot der IGS auch auf einem Handy. Aber wer will schon Aufgabenblätter auf der Handytastatur lösen müssen? Doch auch das Umfeld sei beim Homeschooling ein Faktor gewesen: "Wir hatten auch in der Notbetreuung so Situationen wo die Schüler angerufen haben und fragten: 'Ich habe mehrere Geschwister hier, ich schaff zu Hause gar nichts, kann ich in die Schule kommen', wir sagten natürlich kannst du kommen, dann lernen halt alle in eigenen Räumen."
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Auch bei einer großen Schule wie der IGS Heidberg seien keine Probleme bei der Schülerbeförderung aufgetreten. "Wir haben aus dem gesamten Stadtgebiet Schülerinnen und Schüler und die meisten kommen mit dem Fahrrad. Die einzige Schule, die im gleichen Einzugsgebiet liege, sei die Raabeschule. "Wir haben aber auch versetzte Anfangszeiten, also korreliert das nicht", so Remmler abschließend.
Die Lehre aus der Krise
Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) meint, dass dieses Schuljahr bis zu den Sommerferien grundsätzlich gelaufen sei. Nun müssten die Weichen für das neue Schuljahr gestellt werden. Torsten Neumann, Vorsitzender des VNL mahnt:
"Es ist jetzt dringend geboten, für die Zeit nach den Sommerferien konkrete und vor allem realitätsnahe Entscheidungen zu treffen. Unsere Lehrkräfte haben in der zurückliegenden Zeit Großartiges geleistet. Trotz vielfach mangelhafter technischer Ausstattung haben sie mit hohem Engagement und Eigenmitteln dafür gesorgt, dass unsere Schülerinnen und Schüler trotz Schulschließungen nicht vollkommen von Bildung ausgeschlossen worden sind. Die Versäumnisse der Vergangenheit haben uns auch in Niedersachsen gerade während der Coronakrise immer wieder eingeholt, sei es die schleppende Umsetzung der Digitalisierung, der bauliche Zustand der Schulgebäude und vor allem die mangelhafte Personalausstattung vieler Schulen, insbesondere an den nicht-gymnasialen Schulformen. Diese Probleme werden auch nach den Sommerferien den Unterrichtsalltag erschweren."
Konkret solle die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung durch das Einstellen neuer Lehrkräfte mit einer Reserve von mindestens fünf Prozent erfolgen. "Nur so kann sichergestellt werden, dass an unseren Schulen bessere Fördermöglichkeiten und Differenzierungsangebote geschaffen werden", begründet Neumann. Auch die technischen Voraussetzungen müssten umgehend verbessert werden. Der Verbandsvorsitzende appelliert: "Wir sollten die Coronakrise als Chance nutzen. Nicht reden, sondern handeln!"
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