Bei Richter beginnt die Stollenzeit

von Andreas Molau




Volkstrauertag, Totensonntag – bald beginnt die Adventszeit. Kulinarisch38 hat sich den Auftakt der Stollenzeit bei der Altstadtbäckerei Richter angeschaut.

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An solche Zeiten muss man sich auf jeden Fall gewöhnen. Sechs Uhr aufstehen. Um sieben Uhr bei Bäcker Richter. Die Adventszeit steht vor der Tür. An diesem Morgen werden das erste Mal in der aktuellen Saison Stollen gebacken. Als ich kurz vor der Verabredung in die offene Backstube auf der Dr. Heinrich-Jasper-Straße linse ist dort natürlich schon Hochbetrieb. Schon ist gut. Bäckermeister André Winkler, der durch die Backstube führt, ist seit zwei Uhr am Start. »Die Ersten fangen sogar um Mitternacht an«, erklärt er gut gelaunt. Man kann den Beruf also ausüben und gut gelaunt sein. »Das ist Gewöhnungssache mit dem Aufstehen. Man geht abends mit den Kindern ins Bett. Dafür erlebt man dann nach der Arbeit Dinge, die andere nicht haben. Im Sommer ins Freibad oder nachmittags eben auch die gemeinsame Zeit mit den Kindern«, erzählt Winkler. Dass ihm sein Beruf Freude macht, merkt man, sobald er in die Backstube kommt.

Entspannte Atmosphäre

Die Atmosphäre in dem hallenartigen Raum bei Richter ist ganz eigentümlich. Trotz des hellen und etwas grellen Lichts und der Tatsache, dass an verschiedenen Arbeitsstationen emsiges Treiben zu erleben ist, kann man von Hektik nicht sprechen. Es schnurrt mehr. Eine Mischung aus Routine und Spaß. Es wird gelacht. Jeder ist ansprechbar. Ein Kollege meldet sich beim Meister krank. Verschnupft. Man hält mit dem Kneten und Formen inne und ruft dem Kranken ein »Erhol Dich!« hinterher. An diesem Morgen werden Mohn- und Nussstollen gebacken. Carsten Richter, der in der Backstube nach dem Rechten schaut, erklärt, dass die Mohnvariante schlesischer Herkunft sei. »Der klassische Holzofenstollen, den man mit dem Dresdener Stollen und dem Butterstollen vergleichen kann, ist natürlich das Hauptprodukt für die Adventszeit. Aber Nuss und Mohn werden auch immer beliebter«, so Richter.

Das Problem mit der Temperatur

Während die fleißigen Hände die Mohnmasse abwiegen und Teiglinge geschickt einschlagen, beantwortet André Winkler geduldig Fragen. Hefeteig ist für den Hobbybäcker schon ohnehin ein Mysterium. Stollen ist die Steigerung. Von zehn Stollen gelingen im Durchschnittshaushalt nicht einmal die Hälfte. Da knetet man sich die Seele aus dem Leib und das Zeug geht einfach nicht. Einige Geheimnisse lässt der Bäckermeister sich entlocken. Da ist zum Beispiel die Temperatur. Oberhalb der großen Knetmaschinen, in denen der Teig angesetzt ist, befindet sich eine Temperaturanzeige. Gerade gehen Röggelchen. Etwas über 25 Grad werden angezeigt. Alles im grünen Bereich. »Mehr oder weniger kann für den Teig tödlich sein«, so Winkler. Schließlich dürfe die Masse nicht zu trocken werden. Das sei vor allem in der Winterzeit und der trockenen Heizungsluft schwierig.

Der Holzofen bei Richter

Und dann ist da der Ofen. Der Holzofenstollen wird, der Name sagt’s, im Holzofen gebacken. André Winkler erklärt wie das mit der Wärmezufuhr funktioniert. Im hinteren Bereich des Ofens werden die Pellets in einem Brenner entzündet und anschließend im Backraum verbrannt. So entsteht eine gleichmäßige, kräftige Hitze mit dem speziellen Holzaroma. »Mit dieser Wärme lässt sich ganz besonders gut backen. Beim Brot gibt das eine sagenhafte Kruste«, schwärmt Winkler. Der Kollege am Ofen, der sorgfältig darauf achtet, dass die Kerntemperatur des Backguts eingehalten wird, lässt bereitwillig einen Blick ins Innere zu. Der Raum duftet. Ein verantwortungsvoller Arbeitsplatz. Allerdings kann es vor dem Ofen ziemlich warm werden. Carsten Richter erzählt, dass er für das Problem Lösungen sucht, um die Arbeitsverhältnisse hier erträglicher zu machen. Mit moderner Lüftungstechnik kann man schon einiges bewerkstelligen.

Der Stollen im Test

Inzwischen sind die ersten Stollen aus dem Ofen. Dieses Weihnachtsgebäck, das es in Deutschland seit dem Mittelalter gibt, ist hohe Backkunst. Ursprünglich sollte das in weißen Puderzucker gehüllte Gebäck, das man früher Gebildbrot nannte, den in weiße Windeln gewickelte Gottessohn symbolisieren. Bevor die Mischung Zucker und Puderzucker haften kann, wird der Stollen mit geklärter Butter bestrichen. Ein paar Tage sollte ein Stollen ruhen. Die enthaltenen Früchte müssen sich zunächst mit dem übrigen Teig verbinden und entfalten dann erst ihr typisches Aroma. Für die Kulinarisch38-Probe gibt es deshalb etwas von dem frischgebackenen Richter-Spezialitäten. Die Mohn- und Nussvariante ist passend vor allem für die ersten Adventstage. Ein wenig leichter als der typische Weihnachtsstollen. Beide sind saftig und nicht zu süß. Für den Holzofenstollen sollte vielleicht noch mehr Stimmung aufkommen. Aber spätestens, wenn die Weihnachtsmärkte eröffnet sind, geht das schneller als man glaubt.


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