Region. Für den Fall eines länger anhaltenden Blackouts bei der Stromversorgung gibt es viele ungeklärte Fragen. Die richtigen Antworten darauf zu finden, gestaltet sich teils schwierig. Das zeigt sich am Beispiel erkrankter Menschen, die bei sich zu Hause auf eine elektrisch gestützte Sauerstoffversorgung angewiesen sind. Unsere Recherche dokumentiert, wie unvorbereitet unser Land auf Ausnahmesituationen wirklich ist.
Bereits die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie planlos Deutschland in die Bewältigung einer definierten und erwartbaren Notlage gestartet ist. Bei einem Blackout der Stromversorgung, ob nun technisch oder angriffsbedingt, könnte uns selbiges drohen. Viele Fragen stehen im Raum. Eine davon stellte der AfD-Kommunalpolitiker Andreas Bäumann im Rat der Stadt Wolfenbüttel. Er wollte wissen: "Gibt es eine Liste von Patienten mit ambulanten Beatmungsgeräten?" Gemeint sind jene Personen, die in häuslicher Pflege mit einem Beatmungsgerät oder zumindest einer Sauerstoffunterstützung versorgt werden.
Notfallplan sollte erst noch erarbeitet werden
Die Verwaltungsspitze der Stadt Wolfenbüttel war ratlos und konnte darauf zunächst keine Antwort geben. In einer zugesicherten Protokollantwort gab man später an, selbst nur äußerst geringe Einflussmöglichkeiten zu haben und zitierte weiterhin die zwischenzeitlich bereits erfolgte Recherche unserer Online-Zeitung. Da hatten wir bei dem für den Katastrophenschutz zuständigen Landkreis Wolfenbüttel angefragt. Von dort hieß es: "Eine Zuständigkeit des Landkreises besteht hier nicht. Eine solche Übersicht gibt es nicht, da die kommunale Ebene diese sensiblen medizinischen Daten nicht erheben darf." Einen detaillierten Notfallplan für einen möglichen Blackout im Kreisgebiet hatte man ebenfalls nicht. "Bisher gibt es Planungen für bestimmte Szenarien im Zusammenhang mit Stromausfällen. Diese Planungen sollen zukünftig in einem Notfallplan zusammengeführt werden", teilte ein Sprecher gegenüber regionalHeute.de mit.
NDR-Hörerin suchte Hilfe bei Experten, doch die Antwort löst weitere Verwirrung aus
Und auch andernorts wurde eine Antwort auf die Frage gesucht, wie Menschen, die auf eine Sauerstoffversorgung angewiesen sind, im Falle eines Blackouts Hilfe erhalten. Im Hörfunkprogramm von NDR Info wandte sich eine betroffene Hörerin telefonisch live zugeschaltet an eine Expertenrunde im Studio. Zunächst riet man ihr hier, den Notruf zu wählen oder ein Krankenhaus anzurufen. Doch die Hörerin gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und wies auf eine mögliche gestörte Kommunikation im Falle eines Blackouts hin. Ein weiterer Experte riet ihr, aber auch anderen heimbeatmeten Patienten daraufhin, sich präventiv "dringend" mit den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden in Kontakt zu setzen und zu sagen: "Hallo, hier bin ich, wenn was ist, brauche ich dringend Hilfe!". Dies sei "lebenswichtig, lebensrettend".
Die Moderatorin wollte wissen, ob man der Hörerin dann nicht "einen Vogel zeigen" würde. "Nee, vor einigen Jahren hätte das vielleicht noch sein können. Aber nicht in solchen Zeiten jetzt", war sich der Experte, ein Professor für Gefahrenabwehr und Bevölkerungsschutz, sicher.
So antwortete das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf die Blackout-Frage
Wir konfrontierten das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit diesem bisherigen Wissensstand und wollten von der Behörde unter anderem wissen: "Wo können sich betroffene Menschen präventiv registrieren lassen?" Ein Sprecher teilte daraufhin mit: "Für Bürgerinnen und Bürger vor Ort sind die Gemeinden beziehungsweise die Kreise und kreisfreien Städte Ansprechpartner. Sie sind als sogenannte untere Katastrophenschutzbehörden für den Schutz bei größeren Unglücksfällen oder Katastrophen verantwortlich. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann in jeder Stadt, in jeder Gemeinde, zu jeder Zeit Hilfe über die (Rettungs-)Leitstellen anfordern." Man könne Betroffenen, die die schwer pflegebedürftigen Menschen zu Hause betreuen und auch auf elektrisch betriebene medizinische Geräte oder spezifische wichtige Versorgungsgüter angewiesen sind, nur empfehlen, sich individuell an die für den Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz zuständigen Leitstellen vor Ort zu wenden und auf ihre spezifische Situation hinzuweisen. Auch Pflegedienste könnten eine Liste ihrer Kunden, die besonders betreuungsbedürftig sind, vorsorglich mit den Leitstellen teilen.
Der Experten-Professor und das Bundesamt sind sich hier also einig. Doch wer meint, dass das nun tatsächlich des Rätsels Lösung ist, der irrt gewaltig. regionalHeute.de wollte auf Nummer sicher gehen und von den Leitstellen vor Ort wissen, ob sich Personen, die auf eine stromabhängige Sauerstoffversorgung angewiesen sind, tatsächlich dort registrieren lassen können oder wie man damit umgeht.
"Es gibt viel zu viele heimbeatmete Patienten"
Die für Niedersachsens zweitgrößte Stadt sowie die Landkreise Peine und Wolfenbüttel zuständige Leitstelle in Braunschweig winkt ebenso wie die in Salzgitter ab. "Eine Möglichkeit der Registrierung besteht nicht", heißt es aus Braunschweig. Und aus Salzgitter: "Eine Registrierung macht keinerlei Sinn, da es viel zu viele heimbeatmete Patienten gibt, diese können im Ereignisfall im Akku-Laufzeitfenster von maximal vier Stunden nicht angefahren und mit Notstrom versorgt werden." Hier geht man aber davon aus, dass zumindest Mobiltelefone nach einem Stromausfall noch zirka 48 Stunden funktionieren sollten.
Übereinstimmend setzt man darauf, dass Betroffene selbst Vorkehrungen treffen. So sollten diese leistungsfähige Batterien oder auch kleine Notstromaggregate zur Überbrückung vorhalten. Für den Fall eines längeren Blackouts kündigt man aber für Braunschweig personelle und technische "Bevölkerungsschutz-Leuchttürme" an. "Diese mobilen oder stationären Leuchttürme, basierend auf Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr oder geeigneten Gebäuden und ausgestattet mit Ersatzstrom-Generatoren, können an vielen bekannten und gut erreichbaren Stellen im gesamten Stadtgebiet aufgebaut oder eingerichtet werden", heißt es.
Bürgerinnen und Bürger könnten sich im Falle eines länger andauernden Stromausfalls hierhin wenden, um Informationen zu erhalten oder Notrufe abzusetzen. Diese wären dann auch Anlaufstellen für Menschen, die auf eine strombetriebene Sauerstoffversorgung angewiesen sind. Die Feuerwehr kann helfen, wenn sich die Betroffenen in der akuten Situation an die Leuchttürme wenden. Damit dies auch bewegungseingeschränkten Mitbürgerinnen und Mitbürgern gelingt, wäre es ein denkbarer Weg, im Vorfeld mit Angehörigen, Freunden oder Nachbarn Unterstützung im Notfall zu verabreden.
Es gilt also offenbar zunächst das gute alte Sprichwort: "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!" So empfiehlt auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sich generell im Rahmen der Eigenvorsorge Gedanken über die Folgen eines Stromausfalls und die eigene Handlungsfähigkeit zu machen. "Dabei ist eben auch die private Vorsorge jedes/jeder Einzelnen enorm wichtig: Zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger stellt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zahlreiche Handlungsempfehlungen zur Verfügung und steht regelmäßig mit den Ländern im Austausch", heißt es von dort.
Auch wenn die Versorgungssicherheit in Deutschland sehr hoch ist, sei ein großflächiger und langandauernder Stromausfall laut BBK nicht grundsätzlich ausgeschlossen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit im Gegensatz zu begrenzten lokalen Stromausfällen derzeit gering sei. "Die Ursachen hierfür können unterschiedlichster Natur sein. Es handelt sich um ein hoch komplexes Gesamtsystem, das durch technisches und menschliches Versagen und zunehmende Gefahren wie Extremwetterereignisse oder zum Beispiel Cyberangriffe gestört werden kann. Auch Stromausfälle in Folge eines Gasmangels können nicht vollständig ausgeschlossen werden, wenngleich sie nach aktuellem Stand nicht zu erwarten sind", so das BBK.
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