Aufhängen und steinigen: Schwerer Fall von Rassismus bei der Stadt

Ein vorgesetzter Beamter hatte sich auf rassistische und sexistische Art und Weise über eine Kollegin geäußert. Die Stadt hüllt sich aber in Schweigen.

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Rathaus Braunschweig (Archivfoto).
Rathaus Braunschweig (Archivfoto). | Foto: Werner Heise

Braunschweig. In der Stadtverwaltung soll sich ein besonders schwerer Fall von Rassismus abgespielt haben. Demnach habe sich ein vorgesetzter Beamter aus Frust rassistisch und sexistisch über eine Kollegin geäußert. Er habe seinem Ärger Ausdruck verliehen, indem er sich vor Zeugen dafür ausgesprochen haben soll, die betroffene Kollegin "aus dem Fenster hängen" oder sie zu "steinigen". Auf die entrüsteten Kollegen hin habe er versucht, seine Aussage mit Hinweis auf die vermeintliche Herkunft des Opfers - Iran - und die dort gültige Scharia zu rechtfertigen. Mit diesem Fall beschäftigte sich auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig, die die Vorwürfe bestätigt.



Der Vorfall soll sich bereits 2019 abgespielt haben. Die Geschädigte lebt mittlerweile in Berlin und hat dort eine neue Arbeitsstelle gefunden. Der Vorgesetzte hingegen verrichtet in der Verwaltung weiterhin seinen Dienst. Ob und wie eine Aufklärung stattgefunden hat, darüber gibt die Stadt keine Auskunft, verweist auf ihre "strikte Verschwiegenheitspflicht in Disziplinarangelegenheiten". Dass bei Verschleppung oder unzureichender Behandlung einer solchen Angelegenheit auch der Oberbürgermeister als Dienstherr der Verwaltung eine Pflichtverletzung begehen würde, zeigt die Brisanz dieses Falles.

Rassismus in der Stadtverwaltung


regionalHeute.de hat mit der Geschädigten gesprochen, die den Fall aus ihrer Sicht schilderte. Sie habe mit dem Täter zusammengearbeitet. Zu dieser Zeit sei er noch stellvertretender Bereichsleiter gewesen. Während sie sich in krankheitsbedingter Abwesenheit befand, hätte sich dieser dann entsprechend despektierlich geäußert. Als die Geschädigte im Nachgang davon erfuhr, habe sie versucht, mit ihrer direkten Vorgesetzten den Fall zu klären. Dabei sei sie allerdings an verschiedenen Stellen mehrfach abgewiesen worden. Als ihre Vorgesetzte ihren Posten kurze Zeit später verließ, übernahm der Täter überdies noch die kommissarische Leitung. Seitdem habe man ihr Steine in den Weg gelegt und ihr den Arbeitsalltag erschwert. Die Geschädigte spricht davon, dass sie fortan einer belastenden Form von Bossing ausgesetzt gewesen sei - ihr Vorgesetzter habe demnach seine Machtposition ausgenutzt, um sie zu schikanieren.

Kein Interesse an Aufklärung?


Sie habe direkt nach dem Vorfall versucht, sich weitere Hilfe zu holen, habe innerhalb der Stadtverwaltung aber keine entsprechende neutrale Antidiskriminierungsstelle gefunden. So meldete sie sich bei der übergeordneten Stelle, diese erkannte den Fall als rassistisch und sexistisch an. Man empfahl ihr, direkt mit der obersten Beamtin ihres Dezernats, der Sozialdezernentin Dr. Christine Arbogast, in Kontakt zu treten. Dort sei sie dann aber mehrfach abgewiesen worden. Erst auf Drängen des Personalrates hin, sei es dann zu einem Gespräch gekommen. Dies allerdings erst acht Wochen nach dem Vorfall und somit nach der Frist, die allgemeinhin für Beschwerden des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gilt. Der Täter sei in dieser Zeit noch im Urlaub gewesen. Beim Gespräch habe er dann abwesend gewirkt und hätte zum Schluss nur eine knappe Entschuldigung gemurmelt. Einen entsprechenden Vermerk in seiner Akte zum Fall habe es ebenfalls nur auf Drängen des Personalrates gegeben.

Drei einfache Bitten


Es ginge der Geschädigten gar nicht um eine persönliche Wiedergutmachung, so berichtete sie. Sie hatte im Gespräch nur erbeten, dass es zukünftig eine Schulung für Führungskräfte gebe, eine entsprechende Beschwerdestelle in der Verwaltung eingerichtet werde und man eine Erhebung zu Fällen von Diskriminierung im Fachbereich anstelle. Wie man mit dieser Bitte umgegangen ist, ist nicht bekannt.

Einem späteren Versetzungsantrag sei man nicht nachgekommen. Dafür sei ein gerichtlicher Bescheid erforderlich. Dies nahm die Geschädigte zum Anlass, eine Anzeige wegen Rassismus zu erstatten. Die Tat sei von der Staatsanwaltschaft auch als rechtswidrig eingestuft worden, allerdings habe sich der Täter durch eine Zahlung einer öffentlichen Verhandlung entziehen können. Die Staatsanwaltschaft erklärt hierzu: "Der Beschuldigte räumte den Sachverhalt im Zuge der Ermittlungen ein. Er war nicht vorbestraft. Daher ist das Verfahren am 18. November 2020 gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 750 Euro gem. § 153a Strafprozessordnung eingestellt worden. Die Auflage wurde vollständig gezahlt."

Wie handelt die Stadt?


Eigentlich sollte die Verwaltung selbst ein Interesse daran haben, den Fall aufzuklären. So dürfte man zumindest erwarten, dass die Stadt ein Disziplinarverfahren gegen den Täter einleitet, um Mitarbeiter und die Bürger der Stadt zu schützen, so kritisierte die Geschädigte. Ein klares Bekenntnis zu den Vorgängen gab es auf Anfrage von regionalHeute.de seitens der Verwaltung allerdings nicht.

Die Pressestelle verwies lediglich auf einen allgemeingültigen Grundsatz: "Die Stadtverwaltung verurteilt jede Form von diskriminierendem Verhalten und setzt sich dafür ein, dass solche Vorfälle geahndet werden. Bei begründetem Verdacht auf einen schwerwiegenden Verstoß wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet."

Ob dies der Fall ist und wie der Stand eines möglichen Verfahrens ist, darüber gibt die Stadt keine Auskunft. Auf mehrfache Anfrage von regionalHeute.de will die Verwaltung auf den Vorfall nicht eingehen. So heißt es lediglich, dass man sich zu "schwebenden Verfahren" nicht äußern könne. Der Bitte um Stellungnahme von Oberbürgermeister Kornblum wurde ebenfalls nicht nachgekommen. Zwar liegt der Fall noch vor seiner Amtszeit, allerdings war er damals bereits als Personaldezernent tätig und trägt mittlerweile die Verantwortung für seine Verwaltung. So wurde bereits extern eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den OB eingereicht, diese allerdings, weil eine Einwohnerfrage den Fall betreffend nicht für eine Sitzung des Rates zugelassen worden war.

Die Mitarbeitenden hätten "entsprechend der Dienstvereinbarung über partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz jederzeit die Möglichkeit, sich bei Vorgesetzten der Personalvertretung, der Schwerbehindertenvertretung, der Sozialbetreuung, dem Gleichstellungsreferat oder dem Fachbereich Zentrale Dienste (Abteilung Personal) zu beschweren", erläutert die Stadt. Die Regelungen der Dienstvereinbarung würde allen Mitarbeitenden einmal jährlich zur Kenntnis gegeben. Diese habe einen aktuellen Stand von August 2020 und sei am 1. Februar 2019 in Kraft getreten. Die Beschwerdestelle würde in Hand der Personalabteilung liegen. "Damit gibt es seit Inkrafttreten des AGG eine entsprechende Beschwerdestelle bei der Stadtverwaltung", so die Stadt.

Eine verpflichtende Schulung für Führungskräfte gebe es ebenfalls, diese solle zeitnah "nach Dienstantritt" besucht werden. Dies gilt aber wohl nur für neue Mitarbeiter. Weitere Veranstaltungen, die auch das AGG zum Inhalt haben, würden jährlich im zentralen Fortbildungsprogramm angeboten - dies wohl aber auf freiwilliger Basis.

Sozialdezernentin wird Staatssekretärin


Aktuell spricht die Stadt voller Lob von Sozialdezernentin Dr. Christine Arbogast Staatssekretärin, die nun ihren neuen Posten als Staatssekretärin antritt.


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