Ausnüchterung im Polizeigewahrsam: Projekt erhält grünes Licht trotz Kritik

Das Modellprojekt soll nun in den Regelbetrieb übergehen. Die BIBS-Fraktion hatte allerdings gefordert, dass zunächst der "Johnson-Fall" geklärt werden soll.

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Statt Krankenhausbett - nun geht es zum Ausnüchtern in die Zelle. (Archiv)
Statt Krankenhausbett - nun geht es zum Ausnüchtern in die Zelle. (Archiv) | Foto: Rudolf Karliczek

Braunschweig. Der Rat der Stadt hat auf seiner Sitzung am Dienstag mehrheitlich der Überführung des Modellprojekts zur Ausnüchterung alkoholisierter Personen im Polizeigewahrsam zugestimmt. Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Polizeiinspektion Braunschweig und dem Städtischen Klinikum entwickelt wurde, soll somit in den Regelbetrieb übergehen. Die Entscheidung erfolgte jedoch nicht ohne Gegenwind, denn die BIBS-Fraktion äußerte Kritik und forderte eine Aufklärung im Fall "Johnson", der im Polizeigewahrsam verstorben war.



Das zweijährige Pilotprojekt zur Ausnüchterung im Polizeigewahrsam war am 1. Oktober 2020 gestartet, musste aber aufgrund der Corona-Pandemie nach zwei Monaten vorübergehend unterbrochen werden. Es wurde am 1. November 2021 fortgesetzt und endet planmäßig am 31. August dieses Jahres. Laut der Stadt Braunschweig hat sich das Projekt bewährt und soll nun dauerhaft umgesetzt werden.

Das Ziel des Modellprojekts besteht darin, Personen, die lediglich ausnüchtern müssen, unter ärztlicher Überwachung im Polizeigewahrsam zu betreuen, anstatt sie ins Krankenhaus einzuliefern. Dadurch sollen die Rettungsdienste entlastet und die Kosten für die Behandlung alkoholisierter Patienten in den Notaufnahmen gesenkt werden. In den 18 Monaten seit der Wiederaufnahme des Projekts wurden insgesamt 469 Personen im Gewahrsam untergebracht, wobei lediglich neun Patienten ins Krankenhaus verlegt werden mussten. Dies zeigt, dass die ärztliche Betreuung im Polizeigewahrsam effektiv war und der Rettungsdienst erheblich entlastet wurde.

Positive Erfahrungen


Sowohl die Polizei als auch das Klinikum berichten von positiven Erfahrungen mit dem Projekt. Die Polizei kann die entsprechenden Einsätze schneller abwickeln, da das Warten auf den Rettungstransport entfällt. Zugleich herrscht maximale Rechtssicherheit bezüglich der Gewahrsamstauglichkeit, da alle Patienten bei der Einlieferung einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden. Des Weiteren wurde während des Projekts eine Abnahme von Übergriffen auf das Krankenhauspersonal verzeichnet.

Tod nach Polizeigewahrsam


Trotz der positiven Bilanz des Modellprojekts äußerte die BIBS-Fraktion Kritik und forderte eine Aufklärung im Fall des 38-jährigen Mannes (Johnson), der bewusstlos im Polizeigewahrsam zusammengebrochen war und später im Städtischen Klinikum verstarb. Die genauen Umstände dieses Vorfalls seien noch immer ungeklärt. Die BIBS-Fraktion betont die Notwendigkeit einer vollständigen Aufklärung, bevor eine endgültige Bewertung des Projekts möglich ist.



Die BIBS-Fraktion hat daher in der Ratssitzung einen Änderungsantrag gestellt, der eine Verlängerung des Pilotprojekts um ein Jahr und eine anschließende Evaluierung der Ergebnisse vorsieht. Erst danach soll über eine Fortführung des Projekts oder eine mögliche Überführung in den Regelbetrieb entschieden werden. Die Fraktion wollte dadurch sicherstellen, dass mögliche Sicherheitslücken im Projekt identifiziert und behoben werden, um solche tragischen Vorfälle in Zukunft zu verhindern.

Trotz der Kritik der BIBS-Fraktion sprach sich der Rat gegen die Änderung und für eine Überführung des Modellprojekts in den Regelbetrieb ab September aus. Die bisherigen Erfahrungen und die positiven Auswirkungen des Projekts auf die Rettungsdienste und das Klinikpersonal würden für eine Fortsetzung der Maßnahme sprechen.


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