Bahnhofsquartier soll komplett auf den Kopf gestellt werden

Eine riesige Baumaßnahme: Die Verwaltung schlägt eine Kombination von Konzerthaus und Musikschul-Neubau vor. Dafür muss aber auch alles geändert werden.

So sieht der ambitionierte Plan für die Umgestaltung aus.
So sieht der ambitionierte Plan für die Umgestaltung aus. | Foto: über Stadt Braunschweig/ Entwurf von WELPvonKLITZING Architekten & hoch Landschaftsarchitekten

Braunschweig. Ein Konzerthaus mit 1.000 Sitzplätzen, kombiniert mit einem neuen Domizil für die Städtische Musikschule einschließlich Konzert- und Probensaal soll im neuen Bahnhofsquartier am Rande von Viewegs Garten errichtet werden. Diese Planung stellte Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum gemeinsam mit den Fachdezernaten am heutigen Donnerstag, 16. Februar in einem Pressegespräch vor. Die Planung dürfte eines der ambitioniertesten Bauprojekte der nahen Zukunft sein, wenn der Plan tatsächlich so in die Umsetzung geht. Der gesamte Bereich vor dem Bahnhof inklusive Straßenführung müsste angepasst werden.



Die Vorlagen für einen entsprechenden Grundsatzbeschluss werden den Ratsgremien und dem Stadtbezirksrat Mitte für ihre Sitzungen im Februar und März unterbreitet. Fasst der Rat den Grundsatzbeschluss, sollen die Planungen umgehend aufgenommen werden, so dass der Rat im nächsten Jahr über die konkrete Umsetzung entscheiden kann. Für die alternative Entwicklung des bisher als potentieller Standort geprüften Großen Hofes in der Innenstadt soll ein anderes städtebauliches Konzept erstellt werden. Dies teilte die Stadt mit.

Leuchtturm für die Musik in Braunschweig


"Wir wollen ein Konzerthaus für das 21. Jahrhundert bauen", fasst Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum zusammen. "Zusammen mit der Musikschule soll ein Zentrum für Musik entstehen, welches über die Grenzen Braunschweigs und die Region hinaus ausstrahlt. Wir wollen den Kulturstandort Braunschweig stärken, ungenutzte Potenziale heben und eine schon zwei Jahrzehnte alte Idee in die Tat umsetzen." Kornblum erinnert daran, dass die 2004 von den politischen Gremien beschlossene Bewerbung Braunschweigs zur Kulturhauptstadt Europas 2010 bereits den Plan eines Konzerthauses umfasste. Kornblum: "Ein solches Projekt mit herausragender Architektur an einem Tor zur Stadt, gepaart mit einem anspruchsvollen Musikprogramm, steigert die Attraktivität Braunschweigs und trägt zu einem urbanen Wohn- und Arbeitsumfeld bei, das für Fach- und Führungskräfte bei der Wahl ihres Wohnortes immer wichtiger wird."

"Die Musikschule erhält endlich einen zentralen Standort, und in der Verknüpfung von Konzerthaus und Musikschul-Neubau liegt ein großes inhaltliches und räumliches Potenzial", ergänzt Kulturdezernentin Prof. Dr. Anja Hesse. "Die Kombination fördert die Begegnung zwischen Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt und dem Nachwuchs. Sie ermöglicht neue Formate. Und durch einen modularen Aufbau könnte der Konzerthaussaal durch den Konzert- und Probensaal der Musikschule auf bis zu 1.200 Sitzplätze erweitert werden."

So sieht die Umgestaltung auf dem Plan aus.
So sieht die Umgestaltung auf dem Plan aus. Foto: über Stadt Braunschweig/ Entwurf von WELPvonKLITZING Architekten & hoch Landschaftsarchitekten



Komplette Umgestaltung


"Wir empfehlen das Bahnhofsquartier für dieses identitätsstiftende Bauwerk, das Konzerthaus und Musikschule beherbergt", sagt Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer. "Das Konzerthaus und die Musikschule fügen sich sehr gut in das städtebauliche Konzept ein. Die Belange des Immissionsschutzes lassen sich, anders als am Großen Hof, dort rund um die Uhr sicher erfüllen. Die Anbindung an den regionalen und städtischen ÖPNV ist hervorragend. Der Standort an der südlichen Spitze von Viewegs Garten befindet sich überwiegend auf Gelände, das heute versiegelte Fahrbahn ist. Der minimale Eingriff in den Park wird durch die großen Erweiterungen der Grünfläche entlang des Willy-Brandt-Platzes und der Kurt-Schumacher-Straße um ein Mehrfaches ausgeglichen."

Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Staatstheater Braunschweig: "Wir sehen mit großer Freude auf die Ergebnisse der Studie, denn wir wünschen uns und wir brauchen dringend einen akustisch adäquaten Raum, in welchem die Exzellenz des Staatsorchesters Braunschweig, dieses hervorragenden Klangkörpers, voll zur Geltung kommen kann. Außerdem böte uns das geplante Haus der Musik gerade in der Kombination mit der Musikschule die Aussicht auf einen zukunftsorientierten Ort, auf einen Ort, der Synergien schaffen kann und wo neue Formate der Vermittlung möglich sind. Ein mit allen Altersschichten belebtes, offenes Haus würde die Eintrittsschwelle herabsetzen, alle Braunschweiger:innen willkommen heißen und unsere Kunst noch stärker in die Stadtgesellschaft hineintragen."

Ein Standorte musste her


Um den Bedarf für ein Konzerthaus in Braunschweig zu ermitteln und zugleich Klarheit über den besten Standort sowie die Verbindung mit der Musikschule zu gewinnen, hatte die Verwaltung zwei Gutachten in Auftrag gegeben und die Ergebnisse intensiv geprüft. Das Münchner Beratungsunternehmen actori belegte eine derartige Lücke in der kulturellen Infrastruktur der Stadt sowie eine potentielle Marktnachfrage für den Betrieb eines Konzerthauses in der nun vorgeschlagenen Größenordnung in Braunschweig. Zugleich plädierte die Marktanalyse für eine Kombinationslösung von Konzerthaus und Musikschule.

In seiner Standortanalyse kam das Hamburger Planungsbüro PFP zu dem Schluss, dass das Bahnhofsquartier baurechtlich wie städtebaulich am besten für ein Konzerthaus in Kombination mit dem Musikschulneubau geeignet ist. Am Großen Hof lasse der Lärmschutz Anreise und Anlieferung von Ensembles und Technik rund um die Uhr nicht zu.

Als noch weniger geeignet erwiesen sich in der Summe der betrachteten Aspekte das Stadthallengelände und das frühere Karstadt-Gebäude in der Poststraße. Gegen eine Ansiedlung des Zentrums für Musik neben der Stadthalle spricht das kleine Baufeld mit unvorteilhafter Geometrie (mit eingeschränkter Gebäudetiefe für Konzertsäle). Außerdem sind Konflikte mit dem Denkmalschutz zu erwarten, von funktionalen Einschränkungen der Stadthalle durch einen Anbau ganz abgesehen. Das ehemalige, in Privatbesitz befindliche Karstadt-Gebäude müsste erheblich umgebaut werden, was zahlreiche Unwägbarkeiten birgt. Würde die Fassade umgestaltet, könnte es zu Urheberrechtsproblemen kommen. Zudem wären Konflikte mit den Anwohnern aufgrund von Lärm und nächtlichem Lieferverkehr zu erwarten.

Der Rat entscheidet


Fasst der Rat am 21. März den geplanten Grundsatzbeschluss, sind damit konkrete Aufträge an die Verwaltung verbunden. "Die Maßgabe wird sein, modern und klimaschonend zu bauen", sagt Holger Herlitschke, Dezernent für Umwelt, Stadtgrün, Sport und Hochbau. "Dafür soll die gesamte Palette moderner Bautechniken zum Einsatz kommen, die wir auch schon verwaltungsintern für unsere Bauten in Teilen vorgeben. Von recycelten Baustoffen bis hin zur Fassaden- und Dachbegrünung." Zunächst werden einige Fachgutachten benötigt, wie z.B. für den Baugrund. Darauf aufbauend soll es einen Architektenwettbewerb geben, der belastbare Aussagen über die Gestaltung, die städtebauliche Einbindung sowie die Anbindung an Viewegs Garten und das voraussichtlich erforderliche hohe Investitionsvolumen liefert.

"Uns ist durchaus bewusst, dass dies eine weitere finanzielle Anstrengung bedeutet", so OB Dr. Kornblum weiter. Mit Blick auf die angespannte Haushaltslage werde die Verwaltung eine Reihe alternativer Finanzierungsmöglichkeiten prüfen, sobald ein möglicher Kostenrahmen ermittelt ist. Vorstellbar seien wegen der kulturellen Bedeutung z.B. eine Finanzierung durch Drittmittel (Spenden), eine Stiftungslösung wie bei der Errichtung der Volkswagen Halle oder auch eine Öffentlich-Private Partnerschaft. Kornblum: "Das werden wir uns sehr genau ansehen."

Nachdem der Große Hof nunmehr, in Folge der Entscheidung für das Bahnhofsquartier, nicht mehr als potentieller Standort für das Konzerthaus erforderlich ist, nimmt die Stadtverwaltung die städtebauliche Entwicklung des Bereichs Großer Hof mit anderen Zielsetzungen in den Blick.



So geht es jetzt weiter


Die Vorschläge der Verwaltung gehen zunächst zur Anhörung am 28. Februar in den Stadtbezirksrat Mitte. Dann befassen sich der Ausschuss für Kultur und Wissenschaft sowie der Ausschuss für Planung und Hochbau am 8. März damit. Nach der Beratung im nichtöffentlichen Verwaltungsausschuss stehen die Beschlussvorlagen dann zur Entscheidung auf der Tagesordnung des Rates am 21. März.


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