BIBS-Antrag zu Bragida - was sagen die anderen Fraktionen?

von Robert Braumann


| Foto: SIna Rühland



Braunschweig. Zur Ratssitzung am 5. Mai will die BIBS-Fraktion einen Antrag einreichen. Durch diesen soll der Versammlungsbehörde eine Arbeitsgruppe zur Seite gestellt werden, die beim Umgang mit den Bragida-Demonstrationen im Stadtgebiet berät und unterstützt. Die Verwaltung hat den Antrag als rechtswidrig bewertet und auch andere Parteien stellen sich gegen solch eine Regelung. BraunschweigHeute.de hat mit den einzelnen Vertretern gesprochen.

Im Antrag der BIBS-Fraktion steht im Wortlaut: "Die bisherigen Erfahrungen der Stadt mit fremdenfeindlichen Aufmärschen seit Anfang des Jahres geben zu denken. Dabei werfen insbesondere die Vorgänge am 30.3. in der Karwoche auf dem Tostmannplatz vor der Dankeskirche sowie am 19.4.2015 in der Themenwoche Interkultur vor den Häusern des Staatstheaters die Frage auf, ob der Umgang mit NeoNazis und Hooligans der so genannten "Patrioten zur Rettung des christlichen Abendlandes" neben dem Versammlungsrecht auch den Geboten von Respekt und Toleranz und Völkerverständigung Rechnung trägt. Politik und Verwaltung stehen hier gemeinsam in der Pflicht, und das umso mehr am Vorabend zum 8. Mai. Die Zivilgesellschaft in Gänze ist gefordert. Der Rat möge daher beschließen: Den bisher alleine zuständigen Versammlungsbehörden wird zu diesem Zweck eine Arbeitsgruppe zur Seite gestellt, in dem u.a. die ARUG (Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus und Gewalt), das Staatstheater sowie Kirchen vertreten sein sollen. Die Verwaltung wird beauftragt, das kurzfristig umzusetzen."

"Unnötig und überflüssig"


Holger Herlitschke (Grüne) hat dazu eine klare Meinung: "Der BIBS-Ratsantrag auf Einrichtung einer "moralischen Instanz" zur Beratung der städtischen Versammlungsbehörde in Sachen "Bragida" ist unnötig und überflüssig. Davon abgesehen, dass die Überschrift dieses Antrags ("Gesicht zeigen für Respekt und Toleranz") ziemlich in die Irre führt, ist die BIBS hier auch inhaltlich auf dem Holzweg. Der zuständige Dezernent Claus Ruppert hat bereits ausführlich erklärt, warum die Verwaltung die "Bragida"-Aktionen nicht einfach untersagen kann. So unverständlich das vielen auch erscheinen mag: Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gilt auch für Organisationen wie "Bragida" – solange diese nicht verboten sind.



Natürlich ist es schwer zu ertragen, wenn die "Bragida" Woche um Woche ihre fremdenfeindliche und rassistische Weltanschauung zelebrieren kann. Und selbstverständlich wäre es sehr erfreulich, wenn es bald keine "Bragida"-Kundgebungen - oder wenigstens keine Aufmärsche - mehr geben würde. Aus diesem Grund demonstrieren ja auch so viele Bürgerinnen und Bürger an diversen Standorten immer wieder ihre Ablehnung dieser Bewegung. Und das mit durchschlagendem Erfolg: "Bragida" ist nur noch ein kleiner versprengter Haufen, der größtenteils aus zugereisten Rechtsextremen und gewaltbereiten Hooligans besteht. Tatkräftig unterstützt vom "Bündnis gegen Rechts" und seinem Organisationsteam hat die Braunschweiger Bevölkerung bewiesen: Sie ist die moralische Instanz, die "Bragida" entschieden und mit aller Kraft Paroli bietet – eine andere Instanz benötigen wir nicht. Unsere örtliche Zivilgesellschaft ist erfreulicherweise stark genug, um "Bragida" zu widerstehen!"

"Gut gemeint, aber nicht unbedingt gut gemacht"


Ähnlich sieht es Udo Sommerfeld (Linke): "Der Bibs-Antrag ist zwar gut gemeint, aber nicht unbedingt gut gemacht. Möglicherweise liegt das daran, dass die Kenntnisse über die Aufgaben der Versammlungsbehörde nicht besonders ausgeprägt sind. Sollte es dazu kommen, dass Bescheide dieser Behörde nicht ausschließlich von rechtlichen Erwägungen geleitet sind, ist künftigen Aufmärschen von Rechtsextremisten jeglicher Coleur Tor und Tür geöffnet, da kein Bescheid vor Gericht Bestand haben wird.



Weiter ist zu hinterfragen, ob ARUG, Staatstheater und Kirchen überhaupt gefragt wurden, ob sie eine solche Arbeitsgruppe bilden wollen. Das können wir uns ernsthaft nicht vorstellen. Abschließend ist auch festzuhalten, dass die Aussage, wonach bei der Braunschweiger Versammlungsbehörde keine Abwägung der unterschiedlichen Verfassungsnormen stattfindet, falsch ist. Wäre es anders, hätte kein Bescheid Bestand. Notwendig ist unseres Erachtens, dass die Versammlungsbehörde nicht immer nur den Aussagen der Polizei hinterherläuft, sondern mit Mut und Engagement rechtliche Spielräume gegen rechtsextreme Propaganda ausnutzt und anwendet. Dies war einige Male auch zu beobachten, aber leider nicht immer."

Inhaltliche Ablehnung


 Jens-W. Schicke-Uffmann (Piraten) ergänzt: "Mal von zahllosen formalen und juristischen Probleme abgesehen, lehnen wir diesen Vorschlag vor allem inhaltlich ab. Die Zeiten in denen die Moralvorstellungen der Kirchen maßgeblich dafür waren, welche Meinungen öffentlich zulässig waren, sind in Deutschland glücklicherweise lange vorbei. Im demokratischen Diskurs müssen auch Versammlungen zulässig sein, die aus heutiger Sicht unmoralische ggf. auch unmenschliche Forderungen vertreten. Versammlungen sind ein wesentliches Mittel um moralische Vorstellungen der Gesellschaft weiter zu entwickeln.





Bei Einschränkungen droht ein Stillstand, da die jeweilige Mehrheit abweichende Meinungen aus der öffentlichen Wahrnehmung heraushalten kann. Jedenfalls so lange, bis sich die Konflikte zwischen Gruppen mit verschiedenen Moralvorstellungen auf nicht mehr demokratischem Wege entladen. Dazu kommt: Wer die Versammlungsfreiheit für Bragida eingeschränkt, macht sie für alle kaputt. Schon jetzt werden zuviele Versammlungen in Deutschland unter teilweise sehr fragwürdigen Umständen durch die Ordnungsbehörden untersagt oder aufgelöst. Wie gerade die BIBS auf diesen Vorschlag kommt verstehe ich schließlich überhaupt nicht. Man stelle sich vor, die letzten Jahre hätte Herr Dr. Hoffmann Demonstrationen in Braunschweig mit dem Verweis auf eine (sicherlich etwas anders zusammengesetzte) "moralische Instanz" verbieten können..."


Wie bereits erwähnt hat die Verwaltung den Antrag als rechtswidrig eingestuft (die Begründung finden Sie hier) in einer Mitteilung heißt es dazu: "Im Übrigen würde eine solche Arbeitsgruppe auch in der Sache nicht helfen: Die versammlungsrechtlichen Sachverhalte wie die Demonstrationsanzeigen der Bragida sind ausschließlich nach juristischen Kriterien zu beurteilen und zu entscheiden. Die in diesem Zusammenhang zu erlassenden Verfügungen der Stadt unterliegen in vollem Umfang der Nachprüfung der Verwaltungsgerichte. Für „moralische“ oder "politische", also nicht rechtliche Erwägungen lassen die einschlägigen Vorschriften und die bundesweite Rechtsprechung zu Demonstrationen keinen Raum.Die Verwaltung empfiehlt deshalb, den Ratsantrag nicht
zu beschließen."

Kundgebungen lassen sich nicht einfach untersagen


In diese Richtung zielt auch die Antwort der SPD: "Die SPD-Fraktion hält den Antrag der Bibs-Fraktion für überflüssig, zumal die Forderung der Bibs auf einen rechtswidrigen Ratsbeschluss abzielt, wie die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat. Wir würden uns natürlich wünschen, dass die fremdenfeindlichen Bragida-Kundgebungen in Braunschweig nicht mehr stattfänden.



An diesen Aktionen nehmen inzwischen überwiegend Rechtsextremisten teil, die aus verschiedenen Teilen Norddeutschlands extra nach Braunschweig anreisen. Allerdings gilt das Demonstrationsrecht grundsätzlich auch für Bragida. Deshalb lassen sich diese Kundgebungen nicht einfach untersagen. Aus diesem Grund braucht die Stadtverwaltung auch keine moralische Instanz, die sie in der Frage, ob Bragida-Versammlungen untersagt oder mit bestimmten Auflagen versehen werden, berät. Ein solcher Ratschlag hätte ohnehin keine Wirkung, da die komplizierten versammlungsrechtlichen Fragen nach juristischen Gesichtspunkten zu bewerten sind, die einer Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte standhalten müssen.", so Christoph Bratmann (SPD).

Demonstrationsrecht als hohes Gut


Zum vorliegenden Antrag der BIBS bezüglich weiterer Demonstrationsanmeldungen von Bragida erklärt Klaus Wendroth, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Braunschweig: "Der Antrag der BIBS ist rechtlich nicht zulässig und auch vom Stil her absolut nicht angemessen! Die Verwaltung hat uns bereits schriftlich erklärt, dass es keinen rechtlichen Spielraum für ein Gremium gibt, wie es von den BIBS vorgeschlagen wird. Ich halte es auch für überaus schädlich, wenn öffentlich über mögliche Ablehnungsgründe für neuerliche Kundgebungen diskutiert wird, denn so schmälern wir unsere Erfolgsaussichten, falls die Entscheidungen der Versammlungsbehörde gerichtlich überprüft werden sollten. In Deutschland gibt es ein Demonstrationsrecht, welches im Grundgesetz verankert ist und für jeden gilt – ob uns der Anlass nun passt, oder nicht.





Wenn also eine Demonstration angemeldet wird, muss die entsprechende Behörde eine Abwägung starten und darf sich dabei nicht von moralischen oder politischen Argumenten leiten lassen. Mit einem Beratergremium, wie hier vorgeschlagen, würde jedes Gericht in Zweifel ziehen, ob tatsächlich ein Abwägungsprozess stattgefunden hat. Darüber hinaus finde ich es, in der politischen Bewertung des Antrages, unerträglich, dass die BIBS sich hier als alleinige Bekämpfer von Bragida und Co. aufspielen wollen. Auch wenn wir uns in vielen Sachthemen in den letzten Jahren nicht einig waren, so hat der Rat sich immer gemeinschaftlich gegen jede Form des Extremismus ausgesprochen. Dass hier nun eine Fraktion vorprescht, ist der Sache absolut nicht angemessen und würde unsere Ablehnung des Antrages bereits ausreichend begründen. Aber vor allem aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlage werden wir dem Antrag nicht zustimmen."


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