Bragida-Demo – Organisationen und Parteien positionieren sich

von Robert Braumann


| Foto: Elya, CC-BY-SA-4.0



Braunschweig. Wie der Facebook-Seite der “Bragida” (Braunschweig gegen die Islamisierung des Abendlandes) zu entnehmen ist, hat die Bewegung für Montag, 19. Januar, um 18.30 Uhr eine Veranstaltung angemeldet (BraunschweigHeute.de berichtete). BraunschweigHeute.de hat sich in der Stadt umgehört, wie sehen Parteien und Organisationen die Veranstaltung.

In einer Mitteilung der CDU-Ratsfraktion heißt es:" Festzustellen ist, dass in Deutschland auf Grundlage des Grundgesetzes ein Recht zur Demonstration besteht. Das die Bürger ihre Sorgen über Entwicklungen zum Ausdruck bringen, grundsätzlich nicht verurteilt werden dürfen. Die Art wie Pegida dieses hier auf den sogenannten Montagsdemonstrationen allerdings tut ist nicht hinnehmbar. Die sehr große Mehrheit der muslimischen Mitbürger ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft und lebt seinen Glauben friedlich so wie auch die große Mehrheit der Christen ihren Glauben in unserem Land auslebt. Mitbürger in ihren Grundfesten zu diskriminieren, so wie es Pegida auf den Demonstrationen macht, wird entschieden von der CDU-Ratsfraktion Braunschweig abgelehnt.



Als eines der Zeichen der Ablehnung wünscht sich die CDU-Ratsfraktion, analog zu Maßnahmen in Köln, Hamburg und anderen Städten, dass am 19.01. die Lichter an den öffentlichen Gebäuden der Stadt, die sich an der angemeldeten Demonstrationsstrecke befinden, abgeschaltet werden. Die CDU-Ratsfraktion möchte nicht, dass im Glanz des Braunschweiger Residenzschlosses fremdenfeindliche Parolen skandiert werden."

Die Lichter bleiben wohl aus


Ähnlich hatte sich auch Ulrich Markurth geäußert (BraunschweigHeute.de berichtete): "Wer an der Demonstration teilnimmt, muss wissen, wem er eine Bühne bietet. Braunschweig als Stadt internationaler Kultur und Wissenschaft darf nicht als Kulisse für die Verbreitung dumpfer Vorurteile missbraucht werden. Wir behalten uns vor, die Beleuchtung symbolträchtiger Gebäude der Stadt abzuschalten.” , so der Oberbürgermeister. In einer Mitteilung der SPD Braunschweig heißt es dazu: "Wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik und ihre Ängste vor sozialem Abstieg oder Überfremdung öffentlich kundtun, dann ist das zunächst mal ihr demokratisches Recht. Es ist dann aber auch die Pflicht der demokratischen Parteien, sich eindeutig gegen jegliche Form der Fremdenfeindlichkeit zu positionieren und für Grundwerte wie Toleranz, kulturelle Vielfalt und die Solidarität mit Flüchtlingen zu werben.



" Christoph Bratmann (Braunschweiger SPD-Unterbezirksvorsitzende, MdL) ergänzte: "Sicher sind viele Menschen, die im Zusammenhang mit der Pegida-Bewegung auf die Straße gehen, keine potenziellen Neonazis". Wer aber Politiker als ‚Volksverräter‘ verunglimpft und die Medien pauschal als ‚Lügenpresse‘ diffamiert und darüber hinaus ein düsteres Zerrbild von Überfremdung und Islamisierung propagiert, der will die Ängste von Menschen politisch instrumentalisieren und bewegt sich außerhalb des demokratischen Spektrums. Hier heißt es: Wehret den Anfängen!" Die Braunschweiger SPD  wird sich am 19.01.2015 an einer Gegenkundgebung beteiligen.

"Ein völlig falsches Signal"


Dr. Dr. Wolfgang Büchs sagte zu BraunschweigHeute.de „Angesichts der aktuellen humanitären Katastrophen in vielen Konfliktgebieten der Welt und dramatischer Flüchtlingsschicksale, sind derartige Kundgebungen mit eindeutig fremdenfeindlichen Charakter in einem der reichsten Länder der Welt ein völlig falsches Signal und ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die aus Angst um ihr Leben unter Aufgabe ihres Hab und Gutes die Heimat verlassen mussten. Auch die Trennung, Kriegsflüchtlinge ja, Wirtschaftsflüchtlinge nein, greift viel zu kurz. Zum einen ist beides oft kaum zu trennen, aber auch wer einmal mit eigenen Augen gesehen hat unter welchen Umständen z.B. die oft als Wirtschaftsflüchtlinge gescholtenen serbischen Roma quasi als Geächtete im eigenen Land dahin vegetieren, wird den Schritt die Heimat zu verlassen verstehen. Niemand verlässt seine Heimat ohne Not.



Gerade in Deutschland können wir uns vieles leisten, weil anderswo Menschen für Hungerlöhne und unter untragbaren Bedingungen arbeiten - d.h. ein Teil unseres Wohlstandes gründet sich auf der Armut anderswo in der Welt - mit welchem Recht? Und dann wundern wir uns und wehren uns dagegen, wenn aus diesen Ländern Menschen zu uns kommen - welche perfide Logik in einer globalisierten Gesellschaft. Wir haben eine moralische Verpflichtung zu helfen und sollten stolz darauf sein, dies zu können. Zudem sind Flüchtlinge nicht nur Almosenempfänger, sie kommen aus allen Berufssparten und Bildungsschichten und können uns helfen, den eklatanten Mangel an Fachkräften zu beheben sowie angesichts unserer zunehmenden Überalterung auch zukünftig die Renten zu sichern. Einige der Pegida-Demonstranten sehen die Flüchtlinge als potenzielle Konkurrenten um Arbeitsplätze und Sozialleistungen an. Diese Ängste, die von rechten Gruppen derzeit instrumentalisiert werden, müssen ernst genommen und aufgegriffen werden. Hier ist die Politik gefragt Klarstellungen zu betreiben und Lösungen zu finden. Wir gehen davon aus, dass den BraunschweigerInnen diese Zusammenhänge bewusst sind (nur 500 angemeldete Teilnehmer an der Bragida-Demonstration lassen diesen Schluss zu) und sie sich nicht von rechtsextremen Gruppierungen benutzen lassen, sondern - im Gegenteil – ihre Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft durch Teilnahme an Gegendemonstrationen Ausdruck verleihen."

Im krassen Wiederspruch zu Werten der AWO


"Demokratie heißt hinsehen und Gesicht zeigen", sagt der Vorstandsvorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig anlässlich der Ankündigung, dass auch in Braunschweig eine Demonstration von "Braunschweig gegen die Islamisierung des Abendlandes" stattfinden soll. "Die AWO Braunschweig unterstützt das Bündnis gegen Rechts Braunschweig", sagt Fersahoglu-Weber. Als Organisation der Zivilgesellschaft sieht sich die AWO in der Pflicht, öffentlich gegen Rassismus Stellung zu beziehen.



Fersahoglu-Weber erläutert, dass Rassismus und Rechtsextremismus im krassen Widerspruch zu den Werten der AWO steht. "Auf Grundlage eigener historischer Erfahrungen und unserer demokratischen Grundüberzeugung stellen wir uns gegen jede Vorstellung, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder ihres Glaubens in vermeintlich minderwertige Gruppen einteilt und ausgrenzt", [image=29503]betont Rifat Fersahoglu-Weber. Die AWO wird bei Ihren Mitgliedern und Mitarbeitenden dafür werben und ruft dazu auf sich auch öffentlich am 19. Januar für die Grundwerte des Verbandes Solidarität, Toleranz, Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen und Position gegen jede Form rechtsextremer Ideologie zu beziehen.

"Wir werden nicht tatenlos zusehen"


In der Antwort der Linksfraktion, die von Udo Sommerfeld (Linke) beantwortet wurde,



heißt es: ""Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn extreme Kräfte gegen unsere Mitbürger hetzen und das friedliche Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen in Frage stellen wollen. Daher habe ich stellvertretend für das "Bündnis gegen Rechts" eine Gegenkundgebung am 19. Januar angemeldet und hoffe, dass sich viele Menschen an dieser Protestkundgebung beteiligen. Die Details dieser Veranstaltung werden in den nächsten Tagen vom "Braunschweiger Bündnis gegen Rechts" bekannt gegeben."

"Etwas ausrichten und verändern"


Dompfarrerin Cornelia Götz sagte anlässlich ihrer Predigt zum Neujahrsempfang des Dompfaramtes: "Wir Menschen sollten uns mit all unseren Macken, Schwächen und Marotten gegenseitig annehmen.



Das funktioniert bei denen leichter, die wir lieben und schwieriger wird es bei denen, die wir nicht kennen." Annehmen bedeute mehr, als ein desinteressiertes Nebeneinander, es bedeute eine bedingungslose gegenseitige Annahme und mehr, als freundliche Gleichgültigkeit. Götz bezog den Inhalt ihrer Predigt unter anderem auf die bundesweiten Pegida-Bewegungen: "Wer Angst schürt, der kann nicht annehmen. Es geht gar nicht um das kritiklose Zuhören – es geht um das wirkliche Miteinander. Wir sind hier, als die, die etwas ausrichten und verändern können."

Aktualisiert 08.01.2015, 18.22 Uhr


 Jens-W. Schicke-Uffmann (Piraten) sieht auch die Politikverdrossenheit als eines der Probleme. Er sagte zu BraunschweigHeute.de: " Die Proteste der Pegida (oder hier Bragida) haben zwei Ursachen: Einmal eine diffuse Angst vor "dem Anderen", im konkreten Fall dem Islam. Eine Angst, die leichtsinniger Weise über Jahre hinweg von Politikern vieler Parteien durch immer wiederkehrende Warnungen vor islamistischem Terrorismus noch bestärkt wurde. Eine Angst auch, die durch Sensationsberichterstattung über weit entfernte Terroranschläge manchen berechtigt erscheinen mag, auch wenn die Terrorismusgefahr in Deutschland eine weit geringere als in anderen Ländern ist. Die zweite Ursache ist das Gefühl, als "einfacher Bürger" am Reichtum unseres Landes nicht beteiligt zu werden und auf die Politik keinen Einfluss zu haben, sprich: Auch nichts daran ändern zu können.





Die Pegida-Forderungen nach direkter Demokratie oder die Vermutungen einer System- oder Lügenpresse sind dafür Hinweis genug. Pegida ist nun die unglückliche Verquickung dieser zwei völlig unabhängigen Probleme. Dass sich materiell und politisch benachteiligt Fühlende ein Feindbild in einer religiösen Minderheit suchen, ist in Deutschland bekanntlich nicht das erste Mal der Fall. Umso wichtiger ist es, demjenigen Teil der Bewegung, der primär eine (ggf. auch nur für ihn persönlich) bessere Politik will, klar zu machen, dass die Verbrüderung mit den Islamophoben ein Irrweg ist. Gelingen wird dies nur, wenn es glaubwürdige und realistische Zugänge zur Politik auch für diejenigen Mitbürger gibt, die sich bisher ausgeschlossen fühlen. Gleichzeitig muss klar sein, dass es bezüglich der Gleichberechtigung unserer muslimischen Mitmenschen keine Kompromisse geben wird - und dass daher im Verbund mit Islamophobie keine Mehrheiten zu gewinnen sind."



Aktualisiert 15.01.2015, 14.00 Uhr"


Auch die Grünen haben kurz vor der Demo noch eine Stellungnahme vorbereitet: "Braunschweig ist nicht Dresden – hier bekommt "Pegida" / "Bragida" kein Bein auf die Erde! Dies beweist die eindrucksvolle Unterstützung für das breit aufgestellte „Bündnis gegen Rechts“. Auch wir Grünen – Ratsfraktion und Kreisverband – rufen gemeinsam mit vielen anderen dazu auf, am nächsten Montag gegen die von dieser fremdenfeindlichen Bewegung geschürten Vorurteile und Ressentiments auf die Straße zu gehen. "Pegida" / "Bragida" widerspricht allen unseren Grundsätzen - und zwar diametral: Grüne stehen für eine multikulturelle und solidarische Gesellschaft, für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen, für  eine tolerante Haltung gegenüber allen Glaubensrichtungen und natürlich auch für die vehemente Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit. „Pegida“ / „Bragida“ steht für das genaue Gegenteil (Stichwort "Lügenpresse")! Zwar gilt der berühmte Satz "Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden" auch für die Anhängerinnen und Anhänger dieser politisch fragwürdigen Bewegung, doch heißt das u. E. nicht, dass diese ihre Parolen unwidersprochen verbreiten sollten.



Im Gegenteil: Je größer der friedliche und gewaltfreie Widerstand gegen "Pegida" / "Bragida" hier in Braunschweig und in anderen Städten, desto besser! Aus diesem Grund freuen wir uns sehr darüber, dass auch die anderen Parteien und / oder Fraktionen beim "Bündnis gegen Rechts" mit im Boot sind. Das gilt zumindest für SPD, BIBS, Linke und Piraten. Bedauerlicherweise zögert die CDU noch, sich dem genannten Bündnis offiziell anzuschließen. Zwar hat ihr Kreisvorsitzender Dr. Sebastian Vollbrecht bereits angekündigt, am 19. Januar 2015 gegen "Pegida" / "Bragida" demonstrieren zu wollen. Die Ratsherren Aykut Günderen und Klaus Wendroth haben allerdings die Gründung eines neuen Bündnisses "Braunschweig lebt Vielfalt" vorgeschlagen. Angesichts des gewaltigen Zulaufs zum „Bündnis gegen Rechts“ und dessen langjährigem Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus macht das aus unserer Sicht jedoch wenig Sinn. Die CDU sollte sich daher einen Ruck geben und über ihren Schatten springen. Was in der Bundeshauptstadt Berlin am 13.01.2015 (Dienstag) möglich war (ein Schulterschluss aller demokratischen Parteien trotz ideologischer Unterschiede), sollte doch auch in Braunschweig kein Problem sein! Gefordert ist am kommenden Montag auch Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Wir würden es sehr begrüßen, wenn er bei der Gegenkundgebung als Vertreter der Stadt sprechen würde. Auch hier gilt: Was in der Landeshauptstadt Hannover am 10.01.2015 (Samstag) möglich war (eine klare Positionierung des höchsten Repräsentanten und Verwaltungschefs), sollte doch auch in Braunschweig kein Problem sein! Die Grüne Ratsfraktion wird am nächsten Montag geschlossen an der Gegenkundgebung auf dem Schlossplatz teilnehmen und dafür ihre wöchentliche Fraktionssitzung unterbrechen bzw. vorzeitig beenden."

Sollten BraunschweigHeute.de weitere Statements erreichen, werden wir diese in den kommenden Tagen noch in unseren Bericht einarbeiten


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