Braunschweiger Filmfestival blickt auf „Filmwunder Polen“


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Symbolfoto: Archiv | Foto: Pixabay

Braunschweig. Das 30. Internationale Filmfestival Braunschweig (7.-13. November) blickt anlässlich des Jubiläums „25 Jahre deutsch-polnischer Partnerschaftsvertrag“ mit der Reihe „Unsentimental encounters: New polish cinema“ auf das polnische Filmwunder zurück.


Die zehn Spielfilme aus den Jahren 2013 bis 2016 zeigen den aktuellen Stand einer der lebhaftesten Filmszenen Europas. Das polnische Partnerfestival „Short Waves“ aus Poznan stellt im Programm „Polish Wave“ fünf aktuelle Kurzfilme vor. Zu Ehren des vor Kurzem verstorbenen Oscar-Preisträgers Andrzej Wajda zeigt das Festival dessen Biopic „Walesa. Man of Hope” aus dem Jahr 2013.

Rückblick: Im Frühjahr 2015 feiert das Filmland Polen seinen größten Triumph. Der Oscar für den besten fremdsprachigen Film geht an „Ida“ von Pawel Pawlikowski. Mit dem Gesetz zur Filmfinanzierung (2005) und dem Polnischen Institut für Filmkunst (PISF) hat sich der polnische Film zu einem der aufregendsten in Europa entwickelt.

Es war der vorläufige Höhepunkt einer an die zehn Jahre währenden Ära, die nun an ihr Ende kommt. Denn nach dem Sieg der nationalkonservativen PiS soll die polnische Kultur „der Stärkung der patriotischen Einstellungen dienen“, so Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo. Ihr war „Ida“ ein Dorn im Auge: „Der Film hat nicht sonderlich für Polen geworben, sondern ein eher negatives Bild gezeichnet.“ Ihre Regierung werde „konsequent dafür sorgen, dass mit öffentlichen Geldern keine Kulturereignisse umgesetzt werden, die die allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Werte und Normen verletzen.“ Das Festival lädt also ein, das „Filmwunder Polen“ zu besichtigen, das – so steht zu befürchten – schon der Vergangenheit angehört. Zudem werden aus dem Programm des „Short Waves“ Festival im polnischen Posen (nächster Termin: 21.-26.03.17) fünf Kurzfilme gezeigt. Das Programm unter dem Motto „beyond borders“ umfasst fesselnde Werke, die neuartige Blickwinkel auf die facettenreiche und progressive audiovisuelle Kultur Polens, auch „Polish Wave“ genannt, erlauben.

Die Filme:


Baby Bump, R: Kuba Czekaj, PL 2015, 90 Min.

„‘Baby Bump‘“ ist das Portrait eines Kindes, gefangen in der Adoleszenz“, so der Regisseur über seinen Debütfilm, in dem der 11-jährige Mikey mit pubertären Hormonschüben, unliebsamen Erektionen und seiner überfürsorglichen Mutter zu kämpfen hat. Ohne vorhandene Freunde und Bezugspersonen, flüchtet er in eine imaginierte Welt, die zunehmend die Oberhand über sein Leben gewinnt.

All These Sleepless Nights, R: Michal Marczak, UK/PL 2016, 100 Min.

Auf der Suche nach dem Gefühl absoluter Unbeschwertheit streuen die beiden Studenten Kris und Michal durch die Nächte des sommerlichen Warschaus, auf scheinbar endlosen Elektro-Partys tanzend. Fiktives verschwimmt mit Dokumentarischem.

The Lure, R: Agnieszka Smoczynska, PL 2015, 92 Min.

Im schillernden Nachtleben Warschaus der 80er Jahre betören die zwei Sirenenschwestern Silver und Golden das Publikum. Bald verliebt sich Silver in einen jungen Bassisten. Andersens kleine Meerjungfrau als blutiges Trash-Rock-Musical im Retro-Look.

The Last Family, R: Jan P. Matuszynski, PL 2016, 124 Min.

„Familienleben ist nicht immer Sonnenschein und Regenbogen.“ „The Last Family“ erzählt Episoden aus dem Leben des surrealistischen Malers Zdzislaw Beksinski. Spielfilm basierend auf der bizarren aber wahren Geschichte des polnischen Kult-Malers.

Ida, R: Pawel Pawlikowski, PL/DK 2013, 80 Min.

Poetisches Coming of Age-Drama um eine Novizin, die die polnische Provinz verlässt, um in der Stadt zu sich und zu ihrer Vergangenheit zu finden. Dank ausdrucksstarkem Schauspiel und ruhiger Schwarz-Weiß-Bilder ein visuell einprägsames Erlebnis.

Kebab and Horoscope, R: Grzegorz Jaroszuk, PL 2014, 75 Min.

Zwei selbst ernannte „Marketingexperten“, eigentlich ein Ex-Angestellter eines Kebab-Schnellrestaurants und ein Horoskopschreiber, sollen einen Teppichladen vor der Insolvenz bewahren. In gemeinsamen Gruppensitzungen erörtern sie mit den Angestellten deren wirtschaftlichen Nutzen. Eine absurd-groteske Komödie, ganz unsentimental und in kühlblauen Bildern à la Aki Kaurismäki.

Body, R: Malgorzata Szumowska, PL 2015, 90 Min.

Polizist Janusz und seine magersüchtige Tochter Olga treffen auf die spiritistische Psychologin Anna. Ein Film über die Schwierigkeit körperlich sowie geistig mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen. Schonungslos aber empathisch erzählt.

Floating Skyscrapers, R: Tomasz Wasilewski, PL 2013, 93 Min.

Ein zart erzähltes aber doch nachhallendes Drama über die schwule Selbstfindung eines jungen Mannes im heutigen Polen. "Es geht um die Liebe, um das Fehlen von Liebe und die Suche nach etwas, was sie ersetzen könnte." (Tomasz Wasilewski)

Warsaw 44, R: Jan Komasa, PL 2014, 130 Min.

Der Warschauer Aufstand aus polnischer Sicht. Stefan, Alicia und Koma, jung und idealistisch, glauben an eine Zukunft in Freiheit. Durch Stilmittel wie Zeitlupen, Ego-Shooter-Perspektive und Anachronismen wirken die Ereignisse verstörend real.

Walesa. Man of Hope, R: Andrzej Wajda, PL 2013, 120 Min.

Wie war es möglich, dass ein einziger Mann die Weltordnung so dramatisch ändern konnte? Andrzej Wajdas biografischer Film versucht, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen: Ein Film über Lech Walesa – Ehemann, Vater und ein einfacher Arbeiter, aber vor allem der Anführer der polnischen „Solidarnosc“-Gewerkschaft. Polens Oscar-Kandidat für den besten fremdsprachigen Film im Jahr 2014. Am 9. Oktober 2016 verstarb Andrzej Wajda.

Kurzfilme:

„Object“, R: Paulina Skibinska, PL 2015, 15 Min.

„The Deal“, R: Ewa Smyk, PL 2015, 5 Min.

„The End of the World“, R: Monika Pawluczuk, PL 2015, 5 Min.

„Back Home – Daniels Spaleniak feat. Katarzyna Kowalczyk“, R: Weronika Izdebska, PL 2015, 5 Min.

„Grandma’s Day“, R: Milosz Sakowski, PL 2015, 30 Min.


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