Fast 100.000 Euro: Braunschweiger Pärchen zockt Telekom ab


Ein Betrug, der niemals aufgehen konnte. Symbolfoto: Pixabay | Foto: pixabay

Braunschweig. Die Anklage lautete auf gewerbsmäßigen Betrug – und der angerichtete Schaden ließ aufhorchen. 92.140 Euro sollte ein junges Paar aus Braunschweig zwischen Dezember 2012 und Februar 2014 ergaunert haben, und das mit einem simplen Telefonanschluss und einem Internet-Zugang. Doch was sich nach einem schwer kriminellen Wirtschaftsverbrechen anhörte, entpuppte sich vor Richterin Gebauhr im Amtsgericht Braunschweig als ein Fall, bei dem die Kategorien „Täter" und „Opfer" verschwimmen.


Von Klaus Knodt:

Die damals 25-jährige Mutter von drei Kindern und ihr gleichaltriger Freund waren den Lockangeboten eines türkischen Online-Casinoanbieters erlegen. Für 16 bzw. 23 gebührenpflichtige Anrufe auf der „Casino“-Sonderruf-Hotline gab es Gutscheine über 10 und 15 Euro, die man dann als Einsatz für einen vermeintlichen Millionen-Pokergewinn im Internet nutzen konnte – „wir haben von anderen gehört, dass das funktioniert“, war sich die junge und klamme Mutter damals sicher.

Statt des Gewinns kamen nur Rechnungen


Doch statt der erhofften Gewinnbenachrichtigungen flatterten dem jungen Paar nur schnöde Telefonrechnungen eines großen Anbieters ins Haus. Und der wollte pro Anruf bei der Sondernummer einen satten Euro als Gebühr.

Also eröffnete das Paar neue Telefonanschlüsse. Mal auf die Namen von echten und erfundenen Verwandten, später auf ausgedachte Personen. Die Rechnungen der so ergaunerten „Telekom“-Anschlüsse stiegen rasant. 266 Euro, 662 Euro, 2.691,81 Euro. Am Ende verdaddelte das Pärchen sogar 8.174,01 Euro für den großen „Casino“-Gewinn, der nie kam.

Polizei kam zur Hausdurchsuchung


Im Frühjahr 2014 beendete die Polizei die verderbliche Spielsucht-Spirale mit einer Hausdurchsuchung. Denn die beiden Angeklagten hatten sich nicht einmal sonderlich darum bemüht, ihre wahre Identität zu verschleiern. „Die Namen waren zum Teil ausgedacht. Aber die Rückrufnummern, die Adressen und Ihre Kontonummern waren richtig?“ fragte Richterin Gebauhr. Die Angeklagten nickten nur stumm.

Behörden ermittelten fünf Jahre lang


In der Folgezeit mühten sich überforderte Polizisten, mehrere Staatsanwälte (einer ging während des Ermittlungsverfahrens in Pension) und andere Fachleute, im deutsch-türkisch-magentafarbenen Drama überhaupt die angerichtete Schadenssumme festzustellen.

Das Schöffengericht hatte mehr als fünf Jahre nach den Taten trotz emsiger Berechnungen Schwierigkeiten, diese genau zu ermitteln – und stellte einen Teil der angeklagten Einzeltaten im Rahmen eines Rechtsdeals ein. Dafür gestanden und bereuten die beiden jungen Leute. Verteidigerin Gabriele Rieke strich in ihrem Plädoyer heraus: „Die beteiligten Firmen tragen durch ihr Geschäftsmodell hier ein Mitverschulden. Sie wollten Geld verdienen und haben in Kauf genommen, dass andere hier aufspringen“. Wohl deshalb habe auch das Ermittlungsverfahren unüblich lange gedauert – „an der Akte wollte sich wohl keiner die Finger verbrennen“, mutmaßte die Verteidigerin.

Telekom-Forderungen bleiben bestehen


Das Gericht verurteilte die inzwischen alleinerziehende Mutter zu 12, ihren Ex-Freund zu 16 Monaten Gefängnis auf Bewährung wegen schwerem Betrug. Was für beide wohl weitaus schlimmer wiegt: Auf den Forderungen des Telefonkonzerns in Höhe von mehreren 10.000 Euro bleiben sie sitzen, selbst bei einer Privatinsolvenz. Die Abzock-Hotline wurde mittlerweile abgeschaltet.


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