Faszination der Vergänglichkeit - Eröffnung der "Erinnerungslandschaften" in der Torhaus-Galerie

von kulturblog38.net




Braunschweig. Photographiekünstler Andreas Greiner-Napp entführt den Betrachter mit melancholischen Aufnahmen verlassener Orte in eine fremde Vergangenheit und lässt ihn dabei seine eigenen Geschichten erzählen. Bis zum 8. Juni sind die fesselnden Werke des Meisterphotographen nun in der Torhaus-Galerie des BBK ausgestellt.

[image=10156]Eine zerfallene Ruine im Harz, verwitterte russische Denkmäler, der bröckelnde Putz einer ehemaligen Gefängniszelle aus der Franco-Diktatur in Spanien, ein mit Trümmern übersäter Waldweg im Nirgendwo. Alles wirkt fremd, doch zugleich auch wie ein Fetzen aus der eigenen Erinnerung. War ich nicht selbst schon einmal dort? Kenne ich diesen oder jenen Ort nicht irgendwoher aus meiner Kindheit?

Die abgelichteten Orte und Objekte wirken nur auf den ersten Blick kühl und leblos. Betrachtet man sie eingehender, erwacht ihre fremde Vergangenheit zu neuem Leben. Der Wald lichtet sich, die überwuchernden Ranken ziehen sich zurück, man hört die Alltagsgeräusche und lebhaftes Stimmengewirr.

[image=10160 alignleft]"Es ist nicht die Vergangenheit, die uns interessiert, sondern die Vergänglichkeit, die uns herausfordert", erklärt Prof. Walter Ackers in seiner Eröffnungsrede die Faszination der Werke. Durch den individuellen Interpretationsspielraum in Greiner-Napps Werken zeige sich, dass man "das Objektiv der Kamera eigentlich eher als Relativ bezeichnen" müsse. Auch sei die Ruine in der Kunst ein beliebtes Motiv, denn sie stehe im Kontrast zu unserer modernen Welt des Komsums, in der alles Alte entsorgt und so aus dem Alltag verbannt wird.

In seinen Bildern zeigt sich, dass zwar alles vergänglich ist, doch im von Menschen geprägten Raum immer etwas zurückbleibt. Spuren der Vergangenheit- Erinnerungslandschaften.



Auch Erinnerungen des Künstlers selbst, denn viele Bildkompositionen entstanden unter dem Eindruck seiner eigenen Vergangenheit und Erfahrungen. "In der ehemaligen DDR war ich im Untergrund aktiv, hatte Kontakt zu ausländischen Künstlergruppen", erzählt Greiner-Napp. "Das brachte mir drei Jahre Gefängnis ein, aus der mich die Bundesregierung unter Mitarbeit von Greenpeace im Jahre 1983 freikaufte. So kam ich nach Westdeutschland und schließlich auch zum Kunststudium nach Braunschweig". Aufnahmen wie die der spanischen Gefängsniszelle mit dem Titel "Execution" sind also auch ein Stück Aufarbeitung seiner eigenen bewegten Vergangenheit.

[image=10155]Seine Motive findet er dabei jedoch meist per Zufall. Als Berufsphotograph häufig auf Reisen, von Spanien über Ostdeutschland bis nach Russland, nimmt er sich im Anschluss immer wieder Zeit, auch auf künstlerische Entdeckungsreise zu gehen. "In Russland hatte ich zum Beispiel den Auftrag, den dortigen Volkswagen-Chef zu potraitieren. Im Anschluss erkundete ich im Geländewagen und mit der Kamera im Gepäck das Land abseits ausgebauter Straßen und entdeckte so viele längst verlassene Orte".

Dennoch sei sein Hauptthema der Mensch. Denn die Menschen sind es, die die Erinnerungslandschaften geformt haben und beim Betrachten der Bilder wieder bevölkern.

Der Mensch stand am Mittwochabend auch in der Torhaus-Galerie im Mittelpunkt, denn im Anschluss an den Kunstgenuss wurde zu Musik der jungen Braunschweiger Jazz-Kombo "Growl-it" feuchtfröhlich in den ersten Mai getanzt. Ein gelungener Auftakt sowohl für den Mai als auch die "Erinnerungslandschaften" beim BBK.

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Fotos: Stephen Dietl


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