Braunschweig. Im Juli nächsten Jahres endet die Amtszeit von Christian Geiger (CDU) als erstem Stadtrat und Finanzdezernent der Stadt Braunschweig. Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum (SPD) hatte vorgeschlagen, die Amtszeit Geigers ohne Ausschreibung um weitere acht Jahre zu verlängern. Der Rat der Stadt sollte am nächsten Dienstag zustimmen. Doch nun gibt es eine überraschende Wendung. Die CDU-Fraktion entzieht dem eigenen Dezernenten das Vertrauen und fordert eine Ausschreibung des Postens.
Die CDU-Ratsfraktion werde den Vorschlag des Oberbürgermeisters, den Ersten Stadtrat Christian Geiger ohne Ausschreibung wieder zu wählen, nicht mittragen, heißt es in einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion. Dieses habe die Fraktion einstimmig beschlossen. Sie habee sowohl dem Ersten Stadtrat Geiger gegenüber als auch dem neuen Oberbürgermeister Kornblum frühzeitig signalisiert, dass sie fachliche Bedenken gegen eine Wiederwahl habe und für eine offene Stellenausschreibung plädiere.
„Finanzgestalter“ statt „Finanzverwalter“
Die erforderliche Sanierung des städtischen Haushalts und die anstehende Zukunftssicherung des städtischen Klinikums verlange einen „Finanzgestalter“ und nicht mehr nur einen „Finanzverwalter“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Es biete sich jetzt die Chance, mit einer neuen Personalentscheidung für einen "unumgänglichen Paradigmenwechsel" im städtischen Finanzbereich zu sorgen. Deswegen sei das Ziel der CDU-Fraktion die Neubesetzung des Dezernats, unabhängig von der Parteizugehörigkeit Geigers.
Auch mit ein wenig Bedauern stelle die CDU-Ratsfraktion fest, dass die angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Eintrübungen anstehenden zukünftigen Probleme nur mit einer Neubesetzung des Finanzdezernats zu lösen sein werden. Die vorgelegten Haushalte habe die CDU-Fraktion bekanntlich in den vergangenen Jahren abgelehnt, weil sie den Weg in die "ungeheuerliche Verschuldung der Stadt" in Höhe von einer Milliarde Euro geebnet hätten. Zwar müsse der Finanzdezernent immer auch nach Vorgaben des Oberbürgermeisters arbeiten, allerdings stelle die CDU-Ratsfraktion an Finanzdezernenten die Erwartung, die großen Risiken einer verschuldungsgetriebenen Haushaltspolitik nicht nur mahnend zu benennen, sondern auch effektive Lösungen aufzuzeigen.
Die CDU erwarte von einem Finanzdezernenten nicht nur den sachlichen Diskurs insbesondere mit einer "ausgabenfreudigen Ratsmehrheit" wie sie SPD und Grüne stellten, sondern auch eigene Kreativität und Mut in Bezug auf Sparmaßnahmen, Optimierung des Verwaltungsablaufes und Effizienz bei der Aufgabenerledigung. In dem Punkt sehe die CDU-Ratsfraktion durch eine Neubesetzung Verbesserungspotential.
"Massive Abweichung zwischen Planung und Abschluss"
Ein weiterer Kritikpunkt an Christian Geigers Arbeit sei die teils massive Abweichung zwischen den Haushaltsplanungen und den entsprechenden Jahresabschlüssen. Beispielsweise habe es im Haushaltsjahr 2017 eine Differenz von rund 70 Millionen Euro gegeben. Dies entspreche einer Abweichung von fast zehn Prozent des Gesamthaushaltes. Vorschläge der CDU-Ratsfraktion, wie diese gravierenden Differenzen vermieden werden könnten, seien ignoriert worden.
Da das Braunschweiger Klinikum die größte Tochter im „Konzern Stadt“ sei, komme ihr eine besondere Bedeutung auch für die Finanzen der Stadt zu. Das Klinikum sei – bereits vor Corona – in die roten Zahlen geraten. Es bedürfe großer Anstrengung, Entschlossenheit und Kreativität – auch durch den Finanzdezernenten, der aktuell den Aufsichtsrat führt –, um die Zukunft zu sichern.
"Christian Geiger ist es allgemein nie gelungen in Braunschweig Fuß zu fassen"
Enttäuschend sei zudem Christian Geigers Tätigkeit im Bereich des Sports gewesen, für den er einige Jahre verantwortlich war. Er habe keine Bindung an den Braunschweiger Sport entwickelt. Deshalb habe es wohl von den Vereinen und speziell dem Stadtsportbund keinen Widerstand gegeben, als der Sport aus Geigers Verantwortungsbereich rausgelöst wurde. "Christian Geiger ist es allgemein nie gelungen – wohl auch seinem Doppelwohnsitz geschuldet – in Braunschweig Fuß zu fassen. Eine Bindung an Vereine und Verbände ist nicht erkennbar gewesen, die CDU-Ratsfraktion hat das sehr bedauert", heißt es in der Pressemeldung.
Die genannten Bedenken machten deutlich, weshalb eine Wiederwahl ohne jede Ausschreibung nicht in Betracht kommen könne. Eine öffentliche Ausschreibung von Stellen sei zu Recht im Gesetz die Regelform, damit nach Ablauf der Amtszeit im Personalmarkt sondiert werden könne, ob die derzeitige Besetzung die ideale sei. Auch insoweit verwundere es, dass der Oberbürgermeister nicht den Regelweg der Ausschreibung gehe, nachdem er von der CDU-Fraktion wisse, dass sie Bedenken gegen die Wiederwahl habe. Bei einer Ausschreibung könne man sehen, welche Alternativen es gebe. Und die CDU würde es begrüßen, auf diesem Wege zu erkunden, ob damit der Frauenanteil im Dezernentenkreis nicht erweitert werden könne.
Die CDU-Ratsfraktion appelliere deshalb an die Ratsmehrheit und Oberbürgermeister Kornblum ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Als ein Zeichen des guten Willens habe die CDU-Ratsfraktion auch signalisiert, dass sie bei einer echten und offenen Neuausschreibung der Stelle des Finanzdezernenten auf die zusätzliche Position des Ersten Stadtrates, also der allgemeinen Vertretung des Oberbürgermeisters, zu Gunsten der Grünen – die bei der Wahl knapp vor der CDU gelandet waren – zu verzichten. Dieses Angebot gelte weiter und ebenso das Angebot zu erneuten konstruktiven Gesprächen auf Augenhöhe über das künftige Dezernentengremium. Alles dies sei möglich, wenn erkennbar werde, dass man wirklich mit der CDU-Ratsfraktion fair und partnerschaftlich zusammenarbeiten wolle.
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