Soll Braunschweig "Sicherer Hafen" bleiben?

Die CDU-Ratsfraktion fordert eine Abkehr von der "Politik der offenen Tür". Von der BIBS gibt es heftigen Gegenwind.

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Symbolbild | Foto: Über dts Nachrichtenagentur

Braunschweig. Im Jahr 2018 hat sich die Stadt Braunschweig als "Sicherer Hafen" deklariert und damit ein Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen abgegeben. Im Februar dieses Jahres wurde zudem vom Rat beschlossen, dass die Stadt die Patenschaft für ein Seenotrettungsschiff im Mittelmeer übernimmt. Geht es nach der CDU-Fraktion im Rat, sollen beide Beschlüsse aufgehoben werden. Über einen entsprechenden Antrag debattiert am heutigen Freitag der Ausschuss für Vielfalt und Integration.



"Der Ratsbeschluss vom 18. Dezember 2018 zur Deklaration Braunschweigs als `Sicherer Hafen´ mit allen daraus resultierenden Auswirkungen (beispielsweise Beitritt zur Internationalen Allianz der `Sicheren Häfen´, Länderkoordination des Bündnisses für Niedersachsen und Erklärung zur Aufnahme von weiteren Flüchtlingen) wird aufgehoben, ebenso die in der Sitzung des Rates der Stadt Braunschweig vom 14. Februar dieses Jahres beschlossene Patenschaft sowie finanzielle Unterstützung eines Schiffes im Mittelmeer", heißt es in dem Antrag, über den in letzter Instanz der Rat im Dezember entscheiden soll.

Nicht Aufgabe einer Kommune


Die im Beschlussvorschlag genannten Anträge seien in der Vergangenheit von der CDU-Ratsfraktion allesamt abgelehnt worden. "Wir waren und wir sind der festen Überzeugung, dass es nicht Aufgabe einer Kommune ist, über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Deutschlands eigenständig zu entscheiden und sich einer privaten Initiative anzuschließen. Hierdurch werden Fehlanreize gesetzt, die weder den Flüchtlingen noch den Einwohnern helfen", heißt es in der Begründung des Antrags.

Die Unterstützung von privaten Schiffen im Mittelmeer mittels Steuergeldern stehe aus Sicht der CDU zudem weder im Einklang mit dem Selbstverwaltungsrecht der Kommune, noch obliege diese Aufgabe der Kommune im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises. Seenotrettung sei eine hoheitliche Aufgabe des Bundes, zu der dieser völkerrechtlich verpflichtet sei. Innerhalb des Staatenverbundes der Europäischen Union existierten mehrere Operationen der EU-Agentur Frontex. Ebenso leisteten die Mittelmeeranrainer mit ihrer Küstenwache und Marine aktiv Seenotrettung - und das jeden Tag.

An der Seite des Kanzlers?


Mit der deutlichen Abkehr von einer Politik der offenen Tür, sieht sich die CDU-Ratsfraktion fest an der Seite von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Dieser habe sich Anfang Oktober beim informellen Europagipfel in Granada davon distanziert, die Seenotrettung von Flüchtlingen durch Hilfsorganisationen im Mittelmeer öffentlich zu finanzieren.

Viele Kommunen gerieten bei der Flüchtlingsunterbringung und vor allem bei dem Versuch einer späteren Integration an ihre Leistungsgrenzen. Bürgermeister und Landräte würden parteiübergreifend seit Langem an die Bundesregierung appellieren, endlich zu handeln und die irreguläre Migration spürbar zu begrenzen. Auch in Braunschweig zeigten sich die Auswirkungen der viel zu langen Untätigkeit in der Ordnung und Steuerung der Migration. Auch die dramatische Überbelegung der LAB belaste die Situation in Braunschweig. Das Aufkündigen der Deklaration Braunschweigs als „Sicherer Hafen“ trage dazu bei, irreguläre Migration zu begrenzen und Anreize für den oft tödlichen Weg über das Mittelmeer abzubauen.

"Erschreckend menschenfeindlicher Kurs"


Heftigen Gegenwind gibt es bereits im Vorfeld der Sitzung von der BIBS-Fraktion. Zum einen wird eine Überlastung der Kapazitäten in Braunschweig bestritten, zum anderen erhebt man schwere Vorwürfe gegen die CDU. In einer Pressemitteilung wirft man ihr "einen erschreckend menschenfeindlichen Kurs" vor.

In einer Zeit wachsenden Flüchtlingselends verursacht durch Klimakrise, Kriege, Hunger und Perspektivlosigkeit biedere sich die CDU einmal mehr rechtspopulistischen Forderungen an. „Es ist unsere Aufgabe, sich für schwächere und bedürftige Menschen einzusetzen und uns vehement gegen rechtspopulistische Äußerungen auszusprechen,“ sagt Sabine Bartsch, Ratsfrau der BIBS-Fraktion.

Belegungsquote bei 75 Prozent?


Einem offenen Brief der Seebrücke Braunschweig sei zu entnehmen, dass die Belegungsquote der Braunschweiger Unterkünfte für Geflüchtete aktuell 75 Prozent betrage. Diese Information klinge nicht nach einer akuten Überforderung, von der die CDU Braunschweig in ihrem Antrag spreche. Auch im vergangenen Ausschuss für Vielfalt und Integration sei berichtet worden, dass in den Unterkünften für Geflüchtete in der Stadt derzeit mehr Auszüge als Zuzüge stattfänden. Diese Fakten würden eindeutig den populistischen Thesen der CDU widersprechen.

Die BIBS-Fraktionsvorsitzende Bianca Braunschweig führt dazu aus: „Dass die CDU neben ihren sogenannten christlichen Werten nun auch die Menschlichkeit über Bord wirft, ist ein schlimmes Signal. Wer Hilfesuchenden keinen Schutz gewährt, stiehlt sich aus der humanitären Verantwortung, die auch unsere Stadt trägt.“ Für die entscheidende Ratssitzung am 19. Dezember ruft die BIBS zu einer Kundgebung ab 13 Uhr vor dem Rathaus auf, um ihre Solidarität mit den Geflüchteten zu zeigen.


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