Therapeutisches Reiten – Der heilsame Pferderücken

von Sina Rühland


| Foto: Sina Rühland



Braunschweig. Für Außenstehende wirkt es wie ein kleines Wunder, als der 7-jährige Ingmar all seine verfügbaren Kräfte sammelt, sich aufrichtet und plötzlich auf dem Rücken des Pferdes steht – Ingmar kann seit einer Operation nicht mehr ohne Unterstützung laufen. Die heilsame Wirkung der Pferde hilft ihm und vielen anderen Kindern mit Einschränkungen, jeden Tag und Schritt für Schritt, ihre Fähigkeiten zu erweitern.

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Der 10-jährige Jannik stärkt mit dem Reiten Körper und Geist. Foto: Sina Rühland



Ruhig und besonnen wirken die beiden Pferde, die in der kleinen Halle des Reitvereins am Madamenweg im Kreis laufen. Auf ihren Rücken sitzen der 7-jährige Ingmar und der 10-jährige Jannik. Jeweils drei Frauen begleiten die Kinder. Zwei Reithelferinnen und eine Therapeutin. Jannik sitzt rückwärts auf seinem Pferd, fängt den ihm zugeworfenen Ball, gibt ihn zurück und tätschelt seiner Gefährtin Lady den Rücken. Wöchentlich treffen sich Kinder, Therapeuten und Reitbegleiter in der Halle, um 20 Minuten zu reiten. Es sind Minuten, in denen die Kinder mutig, zufrieden, selbstbewusst, ängstlich oder glücklich sind.

Seit 1968 bietet der Verein zur Förderung körperbehinderter Kinder (KöKi) das Therapeutische Reiten im Reitpark Madamenweg an. Zehn Kinder kommen jede Woche einmal dorthin, um unterstützt und geleitet von einer Krankengymnastin und einer Ergotherapeutin sowie zahlreichen Helferinnen ihre Übungen auf dem Pferd zu machen. Die physischen oder kognitiven Einschränkungen der Kinder sind ebenso unterschiedlich wie die Bedürfnisse eines jeden: einfache Wahrnehmungs- oder Konzentrationsstörungen, bis hin zu Schwerstmehrfachbehinderungen. Was auch immer die Kinder einschränkt, wenn das grüne Licht des Hausarztes kommt, dann dürfen sie sich demnächst zum Reiternachwuchs zählen.

Aus Angst wird Selbstvertrauen


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Die 13-jährige Wiebke engagiert sich als Reithelferin. Foto: Sina Rühland



Wie Kinder bei der ersten Begegnung auf die Pferde zugehen, sei ganz unterschiedlich, erzählt KöKi-Physiotherapeutin Gudrun Beutler-Wiegand. "Wir hatten schon oft Kinder, die am Anfang etwas ängstlich waren. Doch wenn sie dann erstmal auf dem Pferd sitzen, dann merken sie schnell, dass die gar keine Angst haben müssen – das Gemüt der Tiere beruhigt." Mit der Zeit würden die Kinder immer freier, streichelten das Tier, redeten mit ihm. "Wir merken jedes Mal, wie der Kontakt mit dem Pferd das Selbstvertrauen der Kinder stärkt. Stolz erzählen sie in der Kita oder in der Schule, dass sie auf einem Pferd gestanden haben – das ist toll."

Therapeutisches Reiten stärkt Balance, Gefühl, Bewegung, Muskelkraft und Harmonie, es ist eine Verbindung zwischen Heilpädagogik, Psychomotorik und Reiten. Wegen seiner besonderen Eigenschaften vermag man mit Hilfe des Pferdes häufig bessere Erfolge erzielen, als mit den herkömmlichen Methoden.

Ganz enträtseln wird man sie wohl nie, diese Schwingungen zwischen manchen Tieren und kranken Kindern. Sicher aber ist: therapeutisches Reiten hat sich als heilpädagogische und psychotherapeutische Unterstützung für Kinder und Jugendliche mit Schwierigkeiten im sozialen, emotionalen, psychosomatischen und lebenspraktischen Bereich oder in besonders schwierigen Lebensphasen bewährt.


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