Troll oder rechter Fisch? Ratsherr wehrt sich gegen Vorwürfe

Der Wechsel des Ratsherren Sven-Markus Knurr zur Fraktion der CDU sorgt für Kritik.

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Fischt die CDU am rechten Rand?
Fischt die CDU am rechten Rand? | Foto: erstellt mit der künstlichen Intelligenz von Midjourney

Braunschweig. Nach dem Wechsel des zuletzt parteilosen Ratsabgeordneten Sven-Markus Knurr von der Gruppe "Direkte Demokraten" zur CDU-Ratsfraktion gab es harsche Kritik von den Grünen. In einer Pressemitteilung klagen sie an, dass die Christdemokraten am rechten Rand fischen würden und ordnen den Ratsherren Knurr dem rechtspopulistischen Spektrum zu. Der wehrt sich jetzt dagegen.



"Die Äußerungen von Herrn Knurr in der Vergangenheit zu Anti-Nazi-Demonstrationen bestätigen uns in diesem Urteil. So nannte Herr Knurr, die Demonstrant*innen seiner damaligen Partei, 'linksradikales Populistenpack'. Uns ist absolut unverständlich, wie die CDU diese Person in ihren Reihen aufnehmen kann. Auch wenn wir politisch nicht immer mit der CDU einer Meinung sind, hatten wir bisher die Hoffnung, die CDU würde sich gemeinsam mit allen anderen demokratischen Parteien als 'Brandmauer' stellen", erklärt Lisa-Marie Jalyschko, Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

"Hatte Internet-Trollkultur in mir"


Und Dr. Andreas Hoffmann, Sprecher des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen Braunschweig und Landtagsabgeordneter, sagt: "[...] nicht ohne Grund haben sich 'die Piraten' in der Vergangenheit bereits deutlich von Herrn Knurr distanziert. Wer eine Petition zeichnet, die fordert, einen Holocaust-Leugner freizulassen, teilt unserer Meinung nach eindeutig nicht unsere demokratischen Werte." In beiden Fällen geht es um Vorkommnisse aus den Jahren 2011 und 2012, die ein nationales Echo hervorriefen. Lesen Sie hierzu auch unseren Archiv-Beitrag: Knurr unterschrieb Freilassungspetition für Holocaust-Leugner

Auf Anfrage von regionalHeute.de äußert sich Knurr jetzt ausführlich, sagt, dass die Vorwürfe der Grünen vollkommen hanebüchen seien und mit der Realität nichts mehr zu tun hätten. "Ich war 2010/2011 politisch unerfahren, gerade frisch in die aktive Politik gestolpert, und hatte jede Menge Internet-Trollkultur in mir. Natürlich habe ich daher mehr als diplomatisch ungeschickt agiert. Ich habe auch aufgrund des mich erreichenden Feedbacks seitdem mehrmals öffentlich mitgeteilt, dass ich meine politischen Fehltritte zu Beginn bedaure, und habe mein Bestes gegeben, in Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus mit Vernunft dagegenzuhalten und im Rat eine Stimme für soziale Politik zu sein", sagt Knurr.

Ursprünglich habe er sogar eine Zusammenarbeit mit anderen linken Parteien anstelle der Basis geplant. Einer Vorstandsfrau der Linken solle jedoch damals gesagt haben, dass ihre Partei aufgrund seines Rufes im Wesentlichen nichts mit ihm zu tun haben wolle. Einem Ruf, der sich vor allem von alten Trollereien ableite und "mit denen ich selbst längst nichts mehr zu tun haben möchte", sagt Sven-Markus Knurr heute. "Ich weiß nicht, warum es meinen Ratskollegen so schwer fällt zu verstehen, dass Menschen sich ändern können, wenn sie reifer werden."

"Brandmauer gegen Rechts wird nicht an mir scheitern"


Trotz des Rufes der Partei sei die einzig halbwegs vernünftige Fraktionsalternative als Vertreter der Piratenpartei damals die Vertreterin der Basis gewesen. Sie sei ebenso an direkter Demokratie und einer modernen Stadt interessiert. Das habe allerdings dazu geführt, dass Knurr quasi im selben Moment nicht nur die Unterstützung seiner Partei abhandengekommen ist, sondern er auch für den Rest des Rates als weiterhin "irgendwie rechtsradikal" gegolten habe. "Ich hing halt mit den vermeintlich falschen Leuten rum, was indes vor allem daran lag, dass sie mir trotz meiner Bemühungen, anderen Anschluss zu finden, keine andere Wahl gelassen haben. Wenn die Linken für mich nichts als Hass und Vorurteile übrig haben, was hätte ich denn dann tun sollen? Die Brandmauer gegen Rechts wird sicher nicht an ausgerechnet mir scheitern!", erklärt er.

Versuche, seitdem etwas für seine Wähler zu erreichen, seien konsequent torpediert worden. "Manchmal entschuldigten sich Vertreter anderer Parteien sogar heimlich bei uns, dass sie unseren Anträgen leider nicht zustimmen können, "weil falsche Partei", behauptet der Ratsherr. "Wie dem auch sei; die Situation setzte mich vor zwei Optionen: Entweder erreiche ich - oder ein möglicher Nachrücker, der sich in derselben politisch chancenlosen Situation befände - bis zu den nächsten Wahlen nichts für meine Wähler (weil selbst bei den konsensfähigsten Anträgen keine Chance auf Zustimmung auch nur einer einzigen anderen Partei besteht), was ich auf keinen Fall in meinem Tagebuch vermerken möchte, oder ich bin zu Kompromissen bereit", schreibt er an unsere Redaktion. Die CDU-Fraktion sei dabei für einen Mandatsträger der Piratenpartei sicherlich nicht die offensichtlichste Antwort, räumt er ein.

In verschiedenen Gesprächen mit CDU-Mitgliedern in den letzten Wochen und Monaten habe er jedoch einen erstaunlichen politischen Konsens festgestellt, auch wenn er nicht in jedem Punkt immer deren Meinung sei. Jedoch zeigt er sich sicher, dass er tatsächlich einige seiner noch nicht erfüllten Wahlversprechen mit der CDU absehbar konstruktiv auf den Weg bringen könne. "Ich möchte nicht verschweigen, dass auf beiden Seiten des Verhandlungstisches einige Überzeugung nötig war. Mein Wechsel in die CDU-Fraktion ist insofern kein Zeichen für einen Rechtsruck der CDU - das Gegenteil ist der Fall."

Lesen Sie zu diesem Thema auch unsere Archiv-Beiträge:
- Knurr unterschrieb Freilassungspetition für Holocaust-Leugner

- Nach Rechtsextremismus-Vorwurf - Sven Knurr als Landtags-Kandidat der PIRATEN zurückgetreten


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