Berlin. Nach dem Brand in einer unbewohnten hessischen Asylunterkunft haben sich Politiker aus Regierung und Opposition besorgt gezeigt. "In den letzten Monaten war zu beobachten, dass sich die Stimmung gegen in Deutschland lebende Flüchtlinge aufgeheizt hat oder auch aufgeheizt worden ist", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der "Welt" (Samstagsausgabe).
Dabei werde kaum mehr zwischen "Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen einerseits und abgelehnten Asylbewerbern, Straftätern und Gefährdern andererseits unterschieden". "Vielfach ist die Stimmung bereits gekippt und droht mancherorts in Hass und Gewalt umzuschlagen", fügte er hinzu. Der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, sagte, Deutschland sei zwar ein sehr sicheres Land, gleichzeitig mache ihm die Zunahme einzelner Kriminalitätsformen Sorge. "Übergriffe auf Menschen, die bei uns Schutz suchen, oder ihre Unterkünfte sind besonders schändlich."
Er mahnte: "Politik muss sich als handlungsfähig erweisen, vor allem darf sie nicht durch verbale Entgleisungen zu einem Klima beitragen, in dem dann solche Taten geschehen." Die Unionsfraktion drängt derweil die Regierung zur Begrenzung von Migration. "Die Tatenlosigkeit der Bundesregierung seit dem Anstieg der Asylbewerberzahlen im vergangenen Sommer hat zu einer zunehmenden Polarisierung in unserer Gesellschaft geführt", sagte die stellvertretende Unionsfraktionschefin Andrea Lindholz (CSU) der "Welt". Gesellschaftliche Spannungen entlüden sich oft auch in Straftaten.
"Leider ist eine Zunahme der Übergriffe auf Asylbewerber und Flüchtlinge zu befürchten", so Lindholz. Die Ampel-Koalition müsse konkrete Schritte zu einer "spürbaren Begrenzung der irregulären Migration" ergreifen, fordert die CSU-Politikerin. Zugleich sagte Lindholz, dass eine Ablehnung der aktuellen Asylpolitik Attacken nicht rechtfertige, es handele sich um "abscheuliche Straftaten". Die AfD fordert, die Hintergründe in Hessen zu ermitteln.
Ein Anschlag aus fremdenfeindlichen Motiven sei dabei als "eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen", so der innenpolitische Sprecher Gottfried Curio. Wo es ein "derartiges, zu bedauerndes Kriminalitätsphänomen" überhaupt gebe, stehe in der Tat "leider zu befürchten", dass es bei insgesamt "wieder ansteigenden Unterbringungszahlen" auch seinerseits wieder ansteige - hier sei "in der Tat gegensteuern angesagt". Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, sieht hingegen einen "direkten Zusammenhang" mit Äußerungen rechter Politiker, die nicht müde würden, Migration als Bedrohung darzustellen und gegen Asylsuchende zu hetzen. Asylsuchende seien kontinuierlich einem hohen Risiko ausgesetzt.
Bünger plädiert für weniger Massenunterkünfte, weil Menschen dort zur "Zielscheibe" würden, und fordert ein Bleiberecht für Opfer von rassistischer Gewalt. Die Interessenvertretung Pro Asyl teilt die Analyse Büngers. "Es gibt einen Zusammenhang zwischen Angriffen auf Unterkünfte und der Art und Weise, wie öffentlich über Migration debattiert wird", sagte der flüchtlingspolitische Sprecher Tareq Alaows. "Äußerungen wie beispielsweise den durch Herrn Merz geprägten Begriff des `Sozialtourismus` schüren Ängste in der Gesellschaft und grenzen Menschen aus", fügte er hinzu.
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