Deutsch-Japanische Gesellschaft: Brückenbauer zwischen zwei Kulturen

Die Deutsch-Japanische Gesellschaft (DJG) in Braunschweig, Peine und Wolfsburg beschäftigt sich seit 1983 mit der Beziehung zwischen Japan und Deutschland.

Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Martin Laumeyer

Region. Seit 1983 versucht die Deutsch-Japanische Gesellschaft (DJG) in Braunschweig, Peine und Wolfsburg als Anlaufstelle für Japaner und Japan-Enthusiasten in unserer Region Brücken nach Japan zu bauen. Doch was macht eine solche Gesellschaft genau und wie unterscheidet sich die deutsche von der japanischen Kultur? Das verraten Dr. Tobias Braunsberger, seines Zeichens Präsident der DJG, und Melissa Arendt, Mitglied des Beirats der Gesellschaft, im Gespräch mit regionalHeute.de.


Die Braunschweiger DJG ist eine von zahlreichen Deutsch-Japanischen Gesellschaften in der Bundesrepublik. Jede arbeitet unabhängig voneinander, sie sind jedoch in einem Dachverband organisiert. Über die Gesellschaft bestehen auch Kontakte zur japanischen Botschaft in Deutschland, weswegen sie eine geeignete Anlaufstelle für alle Japaner in der Region sei. Ein Kennenlernen der Kulturen finde dabei bei zahlreichen Veranstaltungen statt, welche die DJG organisiert. Eine davon ist der "Abend der japanischen Konversation". Bei diesem treffen sich Muttersprachler sowie Nicht-Muttersprachler und unterhalten sich zu einem vorgegebenem Thema auf Nihongo (Japanisch für Japanisch). Mit diesen Angeboten trage die Gesellschaft nicht nur zur Integration der Japaner in Deutschland, sondern auch zur Völkerverständigung bei.


Von den Nihonjin (Japaner) gäbe es relativ wenige in der Region, davon die meisten, auch aufgrund der Automobilindustrie, in Wolfsburg. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass der jährliche Höhepunkt des Veranstaltungskalenders, das "Ohanami“ (übersetzt etwa "die Blumenschau"), dort, in der Japan-Hochburg unserer Region stattfindet. Das traditionelle Fest, das im Frühjahr zur Blütezeit der Kirschblüten zelebriert wird, wird mit einem Picknick unter den Kirschblüten begangen, die einst im Jahre 2000 als Gastgeschenk an die Aller kamen. Daher sei es bereits ein traditionelles Fest im doppelten Sinne: traditionell in Nihon (Japan) und in der japanischen Gemeinde unserer Region. In diesem Rahmen stellen sich auch andere Vereine vor, die in Verbindung zu Japan stehen.

Kulturkontakt übers Internet


Das Kirschblütenfest im Mai 2019. Eine Taiko-Gruppe sorgt für musikalische Untermalung.
Das Kirschblütenfest im Mai 2019. Eine Taiko-Gruppe sorgt für musikalische Untermalung. Foto: DJG Braunschweig, Peine und Wolfsburg


Um auch der modernen Kultur des fernöstlichen Landes gerecht zu werden, sei die DJG zudem mit einem Stand auf der "NiSa-Con" vertreten gewesen, einer Manga- und Anime-Ausstellung in der Ricarda-Huch-Schule in Braunschweig. Aber diese Aktivitäten mussten während der Corona-Pandemie ausfallen. Einige Formate konnten jedoch in die digitale Welt übertragen werden, wie etwa Online-Kochabende, bei denen japanische Gerichte von Zuhause aus nachgekocht werden konnten.

Dass bei vielen ein Kontakt mit der japanischen Popkultur erst über das Internet zustande komme, sei auch unabhängig von Corona sichtbar. Arendt, die Japanologin und Musikwissenschaftlerin ist, erklärt: "Die meisten treten erst über YouTube mit der japanischen Musik- und Popkultur in Kontakt. Hier kommt das jedoch 'zerstückelt' an. In Japan nutzt man hingegen 'Niko-Niko-Doga', eine Plattform, die eine Mischung aus YouTube, Twitch und Twitter darstellt und auf der neue Strömungen und Moden gebündelt auftauchen".

Frage nicht, sonst störst du


Nicht nur das Online-Verhalten sei unterschiedlich, sondern auch die Kulturen. In Japan sei es wichtig, das Gesicht und die Hierarchie zu wahren, auch gegenüber älteren Menschen, was in Deutschland mehr verloren gehe. Das verdeutlicht Dr. Braunsberger, der seit seiner Kindheit mit Japan in Verbindung steht, mit einer Anekdote aus seiner Tokioer Zeit. Dort habe sich bei einem Geschäftstreffen ein junger Arbeitskollege plötzlich und unerwartet vor einem älteren Mitarbeiter mehrmals sehr tief verbeugt. Der Grund: Er erfuhr, dass dieser ein Absolvent derselben Universität war, die er auch besucht hatte. Damit war der ältere Herr in der Hierarchie höher angesehen.


Die Hierarchie siehe man auch in der Sprache: "Bei Freunden nutzt man ein anderes Japanisch, als im Supermarkt. In der Berufswelt nutzt man hingegen ein sehr höfliches. Wenn man die Sprache lernt, muss man das daher erstmal sacken lassen. Hier haben wir ja nur das Du oder das Sie", erklärt Arendt. In Japan sei zudem das Gruppendenken ausgeprägter als in Deutschland. Dabei sei alles mit sehr viel Disziplin und mit Philosophie verbunden, was beispielsweise beim Kampfsport bemerkbar werde: "Selbst für die höchsten Ränge im Karate, benötigt man ein gewisses Alter und die gewisse Erfahrung. Das wäre in unserer Kultur kaum denkbar - hier zählt die erbrachte Leistung", so Dr. Braunsberger. Diese Mentalität sei auch im Alltag zu sehen: Bei Geräten wird alles detailliert beschrieben, um nicht um Hilfe bitten zu müssen. Das wäre sonst peinlich, zumal man hiermit jemanden stören würde. "Man möchte, dass alle glücklich sind", ergänzt Arendt.

Dr. Tobias Braunsberger, Präsident der DJG in der Region, und Melissa Arendt, Mitglied des Beirats, die per WhatsApp zugeschaltet war.
Dr. Tobias Braunsberger, Präsident der DJG in der Region, und Melissa Arendt, Mitglied des Beirats, die per WhatsApp zugeschaltet war. Foto: Martin Laumeyer


"Auch das Schulsystem ist ganz anders als das unsere. In den ersten sechs Jahren lernen die Kinder, die japanische Sprache zu schreiben", so Arendt weiter. Im Japanischen gibt es nämlich drei Alphabete. Die zwei Silbenschriften sind in ihrer Zeichenanzahl begrenzt, aber die Kanji, die chinesischen Schriftzeichen, "von denen gibt es Tausende und da lernen die Schüler pro Woche um die 50 Stück. Auch Sozialkompetenzen werden gelehrt. Die Kinder putzen zum Beispiel die Schulräume“, erläutert die Japanologin, die seit der siebten Klasse Japanisch lernt, weiter.


In Braunschweig gab es eine Zeit lang eine Japanisch-AG an einigen Gymnasien, die aber mittlerweile eingestellt wurde. Die DJG wollte diese übernehmen, aber aus rechtlichen und organisatorischen Gründen sei das nicht gegangen. Um die Sprache darüber hinaus als vollwertigen Kurs an der Schule anzubieten, bräuchte es zwei Gymnasiallehrer, die das Abitur abnehmen könnten. Dafür sei jedoch kein entsprechendes Personal gefunden worden. Ob dies in Zukunft gelingen kann, sei abzusehen. Für die Zukunft hoffe man jetzt zunächst auf eine Besserung der Lage, sodass man mehr Veranstaltungen durchführen und neue Mitglieder für das Land der aufgehenden Sonne begeistern kann.


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