Deutsche Richter und Staatsanwälte in Sorge um Unabhängigkeit

Zwei Drittel der Richter und Staatsanwälte in Deutschland halten das Rechtssystem in Deutschland nicht für so gefestigt, dass es nicht zum Opfer gezielter politischer Beeinflussung werden könnte.

von


Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Über dts Nachrichtenagentur

Berlin. Zwei Drittel der Richter und Staatsanwälte in Deutschland halten das Rechtssystem in Deutschland nicht für so gefestigt, dass es nicht zum Opfer gezielter politischer Beeinflussung werden könnte. 67 Prozent der Richter und Staatsanwälte sehen einer Umfrage des Forschungsinstituts Allensbach zufolge die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr, sollte es in Deutschland eine künftige Regierung ähnlich wie in Ungarn oder Polen darauf anlegen, ihren Einfluss auf die Justiz massiv auszuweiten.


Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten darüber. Nur knapp ein Drittel schätzt demnach die Justizstrukturen in Deutschland als widerstandsfähig genug ein, um politischen Angriffen auf die Unabhängigkeit der Gerichte zu widerstehen. Für die bundesweite Erhebung wurden 803 Richter und Staatsanwälte befragt. Sie sprechen sich dafür aus, die Autonomie der Justiz in Personal- und Haushaltsfragen zu erweitern.

Zwei Drittel der Befragten halten es für notwendig, die Unabhängigkeit der Justiz durch ein Modell der Selbstverwaltung zu stärken. 85 Prozent fordern zudem, die gesetzliche Weisungsbefugnis der Justizminister gegenüber der Staatsanwaltschaft für konkrete Einzelfälle abzuschaffen, um einen politischen Einfluss auf die Strafverfolgung auszuschließen. Der Deutsche Richterbund (DRB) fordert die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP zu Reformen auf. "Zum Beispiel ist es höchste Zeit, die Möglichkeit einer Einflussnahme der Politik auf konkrete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft abzuschaffen", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn den Funke-Zeitungen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe klargestellt, dass deutsche Staatsanwälte wegen des Weisungsrechts der Justizministerien nicht unabhängig genug seien, um Europäische Haftbefehle auszustellen. "Das wirft kein gutes Licht auf die deutschen Justizstrukturen, die wetterfester ausgestaltet werden müssen." Der EuGH hatte 2019 bemängelt, es sei gesetzlich nicht ausgeschlossen, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaften, einen Europäischen Haftbefehl auszustellen, im Einzelfall einer Weisung des Justizministers des betreffenden Bundeslands unterworfen werden könnte. In ihrem Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien angekündigt, entsprechend den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften anzupassen.




mehr News aus der Region


Themen zu diesem Artikel


Justiz Kriminalität SPD FDP