Goslar. Der Rat der Stadt Goslar hat den Weg für die neue Jugend- und Drogenberatungsstelle (DROBS) mit medizinischer Ambulanz auf dem öffentlichen Parkplatz in der Hildesheimer Straße frei gemacht. Trotz der großen Mehrheit von nur sieben Gegenstimmen und einer Enthaltung bei 34 anwesenden Stimmberechtigten wurde die Entscheidung, die bereits seit langem für viel Aufsehen sorgte, nicht ohne Diskussionen gefällt.
Zur großen Enttäuschung kam es gleich zu Anfang der Ratssitzung während der Einwohnerfragestunde. Tankstellenbetreiber Harald Mrosla hatte sich sogar mit einer von 919 Personen unterzeichneten Unterschriftenliste gegen den neuen Standort direkt hinter seiner ARAL-Tankstelle an der Hildesheimer Straße gewandt. Diese wurde erst vor wenigen Wochen von der Verwaltung abgeschmettert. (regionalHeute.de berichtete).
Mrosla wohnte dieser für ihn entscheidenden Ratssitzung bei - durfte seine Argumente aber nicht vorbringen, da er selbst nicht in Goslar wohnhaft sei. "Das ist leider in der kommunalen Verordnung so festgelegt", stellt Ratsvorsitzender Eckhard Wagner (SPD) fest.
Es wird nichts gegen Ängste unternommen
Ebenso enttäuscht wirkte Henning Wehrmann (Bürgerliste). Seine Fraktion hatte im Vorfeld einen Änderungsantrag darüber gestellt, dass im Rahmen des Grundstücksgeschäftes ein Passus verankert werden solle, der es allen Nutzern der Einrichtung verbietet, sich in den benachbarten Grünanlagen – Stadtgarten und Waldgebiet Kattenberg – in Gruppen zu versammeln und dauerhaft aufzuhalten. "Aufgrund der Vorberatungen in den Ausschüssen wissen wir, dass dieser Antrag auch heute keine Mehrheit erhalten wird", so Henning Wehrmann. Seine Fraktion werde sich der Abstimmung generell enthalten. "Im Allgemeinen sehen wir Enthaltung nicht als mittel der Politik, sondern als Mittel der Ratlosigkeit. Die Substitutionspraxis in der Breiten Straße hat keine Zukunft. Es ist daher Aufgabe der Politik eine Alternative anzubieten", dies sei auch geschehen.
Grundsätzlich stehe die Bürgerliste hinter dem DROBS-Neubau. Man habe jedoch ein Problem mit dem "sozialromantischen Ansatz", der von Rot-Rot-Grün gepflegt werde. "Wir wissen aus der Breiten Straße, dass es eben nicht so einfach geht. Dafür muss schon sehr hart gearbeitet werden." Trotz der Tatsache, dass das Aufenthaltsverbot von den zukünftigen DROBS-Betreibern selbst angesprochen worden sei, habe es davon nichts in die nun zu beschließende Vorlage geschafft.
"Im Interesse der Sache würde ich mir wünschen, dass unsere Ängste sich zerstreuen."
Generell sei nichts gegen die Ängste der Kritikerinnen und Kritiker unternommen worden. "Wir sind der Überzeugung, diese Frage wäre mit gutem Willen lösbar gewesen. Das war aber weder von der Verwaltung, noch von der Ratsmehrheit so gewollt", konstatiert Wehrmann und appelliert: "Deswegen müssen sie jetzt den Beweis antreten, dass sie die Ängste der Menschen abbauen können. Im Interesse der Sache würde ich mir wünschen, dass unsere Ängste sich zerstreuen."
Die Alternative wäre das Gesundheitsamt - Am Stadtgarten
Der Ratsherr distanziert sich beim Vortragen der Bedenken seiner Fraktion deutlich von der AfD, die generell gegen die Substitutionspraxis ist - Auch aus Angst, dass das entsprechende Klientel sich dauerhaft im Stadtgarten aufhalten könnte. "Wir widersprechen hier deutlich den Rechtspopulisten. Wenn es keine Praxis mehr gibt, werden die Patienten im Gesundheitsamt substituiert, sie dürfen dreimal raten, wo sich das Klientel dann aufhält!", so Wehrmann in Richtung des Ratsherren Dirk Straten (AfD), welcher diesen Seitenhieb nicht auf sich sitzen lässt. "Es ist ja über Jahre bekannt, dass die Bürgerliste eigentlich gegen alles hetzt, und gegen alles ist. Ich kann das inzwischen echt nur noch beschmunzeln, wie Herr Wehrmann gegen die AfD hetzt. Frau Seifert kann das auch beschmunzeln, ist mir egal. Die Bevölkerung wird das nicht beschmunzeln, was sie jetzt abstimmen."
Ein Zentrum für die ganze Region?
Ganz andere Bedenken äußert Ralf-Peter Jordan, Ratsherr der CDU. Er befürchtet, dass hier eigentlich ein Substitutionszentrum für die ganze umliegende Region geplant sei: "Das Problem aus meiner Sicht liegt in der schieren Größe der Planung. Wir reden über mehr als 700 Quadratmeter, es entsteht offensichtlich ein Zentrum für den Landkreis und darüber hinaus. Behandelt werden meines Wissens nach Leute aus Clausthal, Salzgitter, Seesen und teilweise auch aus Wernigerode. Interessant wäre zu Fragen, warum die anderen Kommunen nicht selbst ein Substitutionsangebot schaffen." Ratsherr Michael Ohse (Linke) merkt an: "Nun, eine Mehrheit der Substituierenden kommt aus dem Landkreis Goslar, dass sie also auch aus Seesen und Clausthal kommen ist doch selbstverständlich."
"Ich halte die Planung für nicht rechtssicher"
Jordan macht deutlich, dass er ebenfalls grundsätzlich hinter der Idee der DROBS stehe, sieht aber zu viele offene Fragen. "Problematisch ist meiner Meinung nach neben der Substitution die sogenannte offene Drogenszene. Das verlagert sich in der Breiten Straße nach der Substitution in den Ulrichschen Garten und ins Umfeld der Stephanikirche. Das kann ja keiner bestreiten, wir haben da Kriminalität. Wenn die Polizei das anders zitiert ist das schlichtweg falsch. Drogen führen zu Handel und Kriminalität ist die Folge", so Jordan. Er schlussfolgert: "Ich werde dem Bebauungsplan nicht zustimmen, zumal auch der Wegfall der Parkplätze nicht geklärt ist. Ich halte die Planung in jetziger Form für nicht rechtssicher!"
Auf dem öffentlichen Parkplatz an der Hildesheimer Straße werden 60 Parkplätze entfallen. Foto: Marvin König
"Ich entscheide mich für den sozialromantischen Ansatz"
"Diese Menschen sind krank und kriegen in der Substitutionsstelle genau die Hilfe, die sie benötigen"
Urte Schwerdtner, Ratsfrau der SPD-Fraktion, versucht aufzuklären - Geht aber zunächst mit der Bürgerliste ins Gericht: "Ich entscheide mich sehr gerne für den sozialromantischen Ansatz, aber mit einer Änderung: Es wird nicht alles gut werden, aber es wird alles besser werden." Zunächst stellt sie klar, dass es generell schwer sei eine Fläche von 1.000 Quadratmetern Größe zu finden, die nicht in einem Wohngebiet ist. "Ich kann die Sorgen der betroffenen Anwohner zum Teil nachvollziehen. Ich glaube aber, wir müssen uns alle mal deutlich machen, dass nicht jeder Drogenabhängige ein Gewalttäter ist. Diese Menschen sind krank und kriegen in der Substitutionsstelle genau die Hilfe, die sie benötigen", so Schwerdtner.
Sie räumt ein: "Damit werden zukünftige Straftaten nicht völlig verhindert werden, weil ja allein der Besitz von Betäubungsmitteln schon eine Straftat ist. Aber dass jeder Drogenabhängige als Gefahr für seine Umwelt dargestellt wird, halte ich für sehr bedenklich."
Antrag rechtlich nicht umsetzbar
In Richtung der Bürgerliste erklärt die SPD-Vorsitzende, dass ihr Antrag zwar gut gemeint sei, rechtlich jedoch nicht umsetzbar. "Wir können in dem Bebauungsplan keine vertragliche Vereinbarung mit den Betreibern aufnehmen. Das bedarf einer Vereinbarung der substituierenden Ärztin mit denjenigen, die bei ihr in der Substitutionsbehandlung sind. Genau das wurde aber von den Ärzten zugesichert. Auch ihnen ist daran gelegen, dass die Menschen da eben gerade nicht herumlungern."
Zahl der Patienten soll nicht steigen
Die Sorge des Ratsherren Jordan sei nach Auffassung von Urte Schwerdtner ebenfalls unbegründet: "Es wurde deutlich gemacht, dass die Zahl der Patienten auch nicht ins Unermessliche steigen wird. Es gibt im Moment 161 Patienten. Davon sind 94 aus der Stadt Goslar allein, das ist letztendlich auch das was geleistet werden kann. Ich bezweifle, dass Goslar jetzt die Anlaufstelle wird für alle Landkreise."
Im Fazit wurde nach nun jahrelanger Standortdebatte eine Entscheidung getroffen, mit der viele nicht zufrieden sind - die aber getroffen werden musste. Urte Schwerdtner verdeutlichte dies noch einmal in ihrem Plädoyer: "Wir werden Drogenabhängige aus Goslar nicht wegbekommen. Wir müssen uns dieser Problematik stellen und wir als Rat haben die Verantwortung abzuwägen, welcher Standort geeignet ist." Der Rat stimmte in allen drei Punkten jeweils mit großer Mehrheit ab - Jeweils sieben Gegenstimmen, eine Enthaltung der Bürgerliste, und 27 Stimmen für die Änderung des Bebauungsplans Hildesheimer Straße. Damit ist nun der Weg frei für die weiteren Bauplanungen.
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