Eingekesselt: Familie wehrt sich gegen Discounter-Bau in Fümmelse

Die Familie Orth aus Fümmelse hat bereits eine Petition gestartet.

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Sarah und Alexander Orth mit ihren Kindern Charlotte, Johannes und Elisabeth aus Fümmelse wollen keinen Supermarkt hinter ihrem Haus.
Sarah und Alexander Orth mit ihren Kindern Charlotte, Johannes und Elisabeth aus Fümmelse wollen keinen Supermarkt hinter ihrem Haus. | Foto: Anke Donner

Fümmelse. Als Familie Orth vor acht Jahren ihr schickes Einfamilienhaus an den Ortsrand von Fümmelse baute, war klar, dass die Felder rund um ihr Haus irgendwann bebaut werden. Doch, dass sie nun von einem Discounter regelrecht eingekesselt werden sollen, gefällt den jungen Eltern ganz und gar nicht. Nun setzen sie alle Hebel in Bewegung, um den Bau zu verhindern. Nicht nur für sich, wie sie betonen. Auch für den ganzen Ort.



Fümmelse brauche keinen Discounter, meinen Sarah und Alexander Orth. Unterstützung bekommen sie von den Eltern, die gleich nebenan wohnen. Zum einen, weil es ringsherum um den Wolfenbütteler Ortsteil ein großes Angebot an Supermärkten gibt, und zum anderen, weil bestehende Versorger damit in die Pleite getrieben würden. Und dann sei da auch noch der unschöne Gedanke, dass ihr idyllisches Häuschen bald von zwei Seiten von dem Markt umzingelt werden wird. Das alles sind für die Orths Gründe, sich gegen den Bau zu stellen. Dazu haben sie zunächst einmal eine Petition gestartet. In kurzer Zeit sind hier schon etliche Unterschriften zusammengekommen. Und auch einige Fümmelser hätten in persönlichen Gesprächen schon signalisiert, dass sie einen Discounter im Ort nicht brauchen und wollen, erzählen Sarah und Alexander Orth. Aber sie wünschen sich noch mehr Unterstützung aus dem Ort und vor allem von der Politik. "Wenn der Ortsrat gegen das Bauvorhaben stimmt, folgen die städtischen Gremien in der Regel", sagt das Paar.

Sarah Orth hat alle Einkaufsmöglichkeiten rund um den geplanten Supermarkt eingezeichnet. Alle befinden sich in einem Radius von etwa zwei Kilometern.
Sarah Orth hat alle Einkaufsmöglichkeiten rund um den geplanten Supermarkt eingezeichnet. Alle befinden sich in einem Radius von etwa zwei Kilometern. Foto: Anke Donner/Sarah Orth mit Material von Google Maps


Zwar sei der Ortsrat Fümmelse nicht entscheidungsbefugt, denn das letzte Wort hat hier der Rat der Stadt Wolfenbüttel, dennoch sei es in der Vergangenheit so gewesen, dass man sich nicht gegen die Empfehlung aus dem Ort stelle. Die Orths hoffen, dass sowohl die örtliche Politik, als auch die Einwohner erkennen, dass ein großer Einkaufsmarkt in Fümmelse überhaupt nicht gebraucht würde und der Verkehr im Ort deutlich zunehmen werde. Dies habe zufolge, dass dann auch die Gefahr - besonders für Kinder - steige.

Das Verkehrsaufkommen entlang des Thieder Wegs und der L614 sei ohnehin schon sehr hoch - besonders, zur Rush-Hour, wenn in den umliegenden Werken Schichtwechsel ist, erzählt Sarah Orth, die befürchtet, dass dieser mit dem Discounter extrem zunehmen werde. Das befürchtete höhere Verkehrsaufkommen stehe aber ihrer Meinung konträr zur Verwaltungsvorlage zu dem Vorhaben. Darin heißt es: "...sollen durch die wohnortnahe Nahversorgung unnötige PKW-Fahrten reduziert werden". "Da der Nahversorger aber nicht im Ortszentrum, sondern in Ortsrandlage geplant ist, wird es sicherlich zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen durch den Ort kommen. Die Einwohner werden aufgrund der Ortsrandlage und der damit verbundenen Entfernung mit dem Auto fahren. Das ist keinesfalls wünschenswert und führt zu einer erhöhten Lärmbelästigung für die Bürger, tut überhaupt nichts für das Klima und gefährdet die Kinder auf ihrem Schul- und Kitaweg", sagen Sarah und Alexander Orth.

Das Haus der Familie Orth wäre von dem Supermarkt umzingelt.
Das Haus der Familie Orth wäre von dem Supermarkt umzingelt. Foto: Anke Donner


Diskussion im Bauausschuss abgebrochen


In der vergangenen Woche war der geplante Supermarkt-Bau Thema im städtischen Bauausschuss, den Alexander Orth auch besuchte. Dort herrschte Uneinigkeit, und der Tagesordnungspunkt wurde zunächst nach der Diskussion vertagt. Man wolle auf die Empfehlung aus dem Ortsrat warten. Der wiederum habe aber erst einmal Gutachten gefordert, so Alexander Orth. Sowohl im Bauausschuss, als auch im Ortsrat, konnte er aber dennoch wahrnehmen, dass die Tendenz in Richtung Discounter geht. "Ich habe das eher so wahrgenommen, dass man sagt, bevor überhaupt kein Discounter kommt, nimmt man lieber den Standort, der vom Investor gewählt ist. Ich halte es für einen eklatanten Fehler, dass sich der Ortsrat damit in gewisser Weise erpressbar macht. Dabei sollte es doch umgekehrt sein. Wenn sich ein Nahversorger hier ansiedeln möchte und das aus reinem Interesse für die Bürger des Ortes macht, sollte das nach den Regeln des Ortes und der hiesigen Politik geschehen", macht Alexander Orth deutlich.

Hoher Preis


Wenn der Discounter, der eine Verkaufsfläche von etwa 800 Quadratmeter haben soll, wirklich am Ortsrand von Fümmelse entsteht, müssen dafür rund 8.000 Quadratmeter Ackerfläche weichen. Ein Großteil davon würde zu einer versiegelten Fläche werden. Eine entsprechende Ausgleichsfläche soll es zwar geben, aber dennoch findet Alexander Orth: "Wir würden einen sehr hohen Preis dafür bezahlen. Natürlich sehen viele erst einmal die Vorteile - und die gibt es ganz sicher auch. Aber die Nachteile überwiegen hier und wir würden uns wünschen, dass man hier ganz genau abwägt und darüber nachdenkt, ob dem Ort mit solch einem Bau ein Gefallen getan wird. Es gibt unserer Meinung nach einfach mehr Nachteile, als Vorteile."

Discounter nicht notwendig


Fümmelses Ortsbürgermeister Marc Angerstein hält den Discounter für keine gute Idee.
Fümmelses Ortsbürgermeister Marc Angerstein hält den Discounter für keine gute Idee. Foto: Axel Otto


Fümmelses Ortsbürgermeister Marc Angerstein (CDU) hatte sich bei den vorangegangenen Diskussionen zurückgehalten. Schließlich ist er es, der als Inhaber von "Marc`s Markt" möglicherweise auch wirtschaftlich betroffen sein könnte, sollte sich ein Discounter im Ort niederlassen. Auf Bitte von regionalHeute.de bezieht er nun doch Stellung zu dem Vorhaben. Eine Befangenheit habe die Verwaltung nach einer entsprechenden Prüfung nicht gesehen.

Angerstein erklärt, dass in erster Linie zum Wohle der Bürger gehandelt und entschieden werden müsse. Und das obliegt der Politik. Besonders im Ortsrat könne und wolle er keine Tendenz festmachen. Hier sei das Meinungsbild ebenso unterschiedlich, wie innerhalb der Bürgerschaft. "Ich habe größtes Verständnis für Anwohner, die einen solchen Discounter nicht vor ihrer Haustür haben wollen, mit allen damit verbundenen Einschränkungen ihrer Lebensqualität. Politik muss aber dem Gemeinwohl dienen und bei Entscheidungen möglichst Fakten bewerten", sagt er.

Für notwendig hält Marc Angerstein persönlich das Bauvorhaben nicht. Fümmelse sei in einer Luftlinie von zwei Kilometern vom Lebensmittel-Einzelhandel nahezu "umzingelt". Alle Angebote seien problemlos sogar mit dem Fahrrad zu erreichen. Zudem würde es im Ort ein Angebot geben, dass den täglichen Bedarf abdecke. Lebensmittel, Post und Lottostelle sind vorhanden. Der geplante Discounter hätte eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern, was einer Discountergröße von netto oder penny gleichkäme. Diese Discounter seien aber keine sogenannten „Vollsortimentler“ und haben auch keine „Frischetheken“ wie beispielsweise das E-Center in Luftlinie von unter einem Kilometer vom Ortsrand, erklärt Angerstein. Für Fümmelses Einwohner in den „Neubaugebieten“ und auch für alle südlich der Fümmelser Straße sei es kürzer und wahrscheinlich bequemer, weiterhin zum E-Center am Rehmanger mit vollem Angebot zu fahren, als an das andere Ende vom Ortsteil mit einem Discounter und eingeschränktem Angebot, mutmaßt er.

"Ich denke, dass die Fümmelser ihr Einkaufverhalten nicht ändern werden: Der sogenannte „Wocheneinkauf“ wird weiterhin in Großverbrauchermärkten wie real, E-Center oder sogar Kaufland in BS-Stöckheim“ getätigt und wenn dann „mal was vergessen wurde“, wird im Ort die Kleinigkeit noch nachgekauft. Ich halte das Vorhaben für nicht wirtschaftlich, wobei große Lebensmittelketten in der Lage sind, auch unrentabel geführte Geschäfte über längere Zeit offen zu halten."

Sorge vor Bauruine


Die Sorge, dass der Discounter am Ende nicht wie erhofft läuft und über kurz oder lang eine Bauruine entsteht, hat auch die Familie Orth bereits geäußert. Und auch Marc Angerstein sieht hier eine gewisse Gefahr. "In Fümmelse wird Fläche versiegelt, Ackerland wird bebaut ein großer Parkplatz geschaffen und keiner weiß, wie lange der Discounter `durchhält´. Dann haben wir im schlimmsten Fall hinterher eine Bauruine oder einen anderen Gewerbebetrieb, aber keinen `Nahversorger´ mehr im Ort. Denn der Lebensmittel-Kiosk wird sehr wahrscheinlich verdrängt worden sein und die Ergänzungseinkäufe müssen dann zwangsläufig außerhalb des Ortsteils getätigt werden. Dann gibt es in Fümmelse nichts mehr", fürchtet er und ergänzt als Beispiel, dass schon frühere Märkte wie EDEKA-Müller, WS-Kauf und SPAR-Pietschmann im ehemaligen Supermarkt im Ortszentrum wirtschaftlich nicht überleben konnten.

Infoveranstaltung geplant


Der Discounter soll an den Ortsrand nahe der L614 entstehen. Die Zufahrt ist vom Thieder Weg aus geplant. Und wie auch die Familie Orth vermutet Angerstein, dass der Markt nicht allein zur Versorgung der Menschen im Ort gedacht ist. "Offenbar um Berufspendler nach Salzgitter, die aus Wolfenbüttel kommen abzugreifen. Die passieren aber bereits einen Discounter, nämlich ALDI an der Grauhofstraße. Innerörtlich wird der PKW-Verkehr potentielle Kunden und der LKW-Verkehr für die Belieferung und Entsorgung zunehmen. Selbst wenn der Discounter näher an den Ortskern rücken würde (Nordring) käme ich zu keiner anderen Einschätzung", so der Ortsbürgermeister und kündigt für die Fümmelser eine Informationsveranstaltung an. Wann die sein wird, könne er noch nicht genau sagen. Dass sie aber notwendig sein wird, stehe für ihn fest. Denn um Themen zu diskutieren sind politischen Gremien-Sitzungen aufgrund der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Wolfenbüttel nicht geeignet.


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