Faeser sieht "hohe Hürden" beim Entzug von Grundrechten

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht wenig Chancen, dem AfD-Politiker Björn Höcke nach Artikel 18 des Grundgesetzes die Grundrechte zu entziehen.

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Nancy Faeser am 18.01.2024
Nancy Faeser am 18.01.2024 | Foto: Über dts Nachrichtenagentur

Berlin. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht wenig Chancen, dem AfD-Politiker Björn Höcke nach Artikel 18 des Grundgesetzes die Grundrechte zu entziehen. "Das Bundesverfassungsgericht hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch in keinem Fall entschieden, dass eine Person ihre Grundrechte verwirkt hat", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).


Es gebe hier hohe Hürden. "Deshalb muss es auch bei Herrn Höcke und seinem als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD-Landesverband zuerst um die politische Auseinandersetzung gehen."

Neben einem AfD-Verbotsverfahren wird derzeit auch die Möglichkeit diskutiert, Verfassungsfeinden die Grundrechte zu entziehen. Dazu hat das Kampagnen-Netzwerk "Campact" online eine Unterschriftensammlung gestartet, die bereits mehr als eine Million Unterschriften gesammelt hat. Sie richtet sich namentlich gegen den Thüringer AfD-Chef Höcke. Mit der Unterschriftensammlung wollen die Unterzeichner die Bundesregierung dazu bewegen, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 des Grundgesetzes zu stellen.

Verwirkung von Grundrechten bedeutet, dass sich jemand gegenüber dem Staat nicht mehr auf Grundrechte wie die Meinungsfreiheit berufen kann. Dabei kann das Bundesverfassungsgericht nicht nur urteilen, dass jemand seine Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit verwirkt hat. Es kann ihm auch das Wahlrecht entziehen - und das Recht, gewählt zu werden.

Faeser zeigte sich zudem skeptisch über die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahren. "Ein Parteiverbot hat sehr hohe Hürden", sagte sie. "Unsere Verfassung sieht dieses schärfste Instrument der wehrhaften Demokratie zurecht als Ultima Ratio vor. Das kann niemand bei einer entsprechenden Sachlage ausschließen", sagte die SPD-Politikerin. "Politisch ist aber klar: Wenn sich Menschen einer solchen Partei zuwenden, müssen wir dafür werben, dass diese Menschen zu den demokratischen Parteien zurückkommen."

Auf die Nachfrage, ob ein Verbotsantrag vor den Landtagswahlen im September ausgeschlossen sei, entgegnete Faeser: "Verbotsverfahren sind langwierig. Und nochmals: Das ist das schärfste juristische Mittel und kein Mittel der politischen Auseinandersetzung."

Die Innenministerin sprach sich dafür aus, vor allem "persönliche und finanzielle Verbindungen mit rechtsextremen Netzwerken" auszuleuchten. Dazu habe der Verfassungsschutz seine Finanzermittlungen im Bereich des Rechtsextremismus deutlich verstärkt.

Eindringlich warnte Faeser vor einer Regierungsübernahme der AfD. "Die AfD verachtet unser modernes Deutschland", sagte sie. "Sie will die Rolle der Frau zurückdrehen, freie Medien und die unabhängige Justiz angreifen - und offenkundig viele Menschen, die eine Einwanderungsgeschichte haben, nicht in unserem Land haben."

Die Ministerin rief zur Verteidigung der Demokratie auf. "Natürlich sind wir heute ein anderes Land als in den 1930er Jahren. Trotzdem müssen wir aufpassen und die Gefährdung unserer Demokratie erkennen", sagte sie. "Wir haben eine sehr moderne Verfassung, die der Vielfalt unserer Gesellschaft gerecht wird. Das Grundgesetz hat den Wesenskern, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist. Den gilt es jetzt zu verteidigen."

Alarmiert zeigte sich Faeser über Umsturzpläne von rechts. "Die bewaffnete Reichsbürger-Gruppe um Prinz Reuß, die jetzt als terroristische Vereinigung vor Gericht steht und mit der AfD vernetzt war, wollte den Bundestag angreifen. Reichsbürger planten die Entführung meines Kollegen Karl Lauterbach. Und ich nehme auch das neuerliche Treffen rechtsextremer Akteure in einer Villa am Lehnitzsee bei Potsdam sehr ernst", sagte die Innenministerin.

"Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannseekonferenz." Die Teilnehmer, zu denen auf AfD-Politiker gehörten, wollten einen völkisch-nationalistischen Staat, so Faeser. Was hinter harmlos klingenden Begriffen wie "Remigration" versteckt werde, "ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren".


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