Berlin. Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) sieht kaum noch Chancen für die von der zerbrochenen Ampel-Koalition geplante Reform der privaten Altersvorsorge. "Wir haben noch keinen Regierungsentwurf, verhandeln noch über letzte Details. Und die Zahl der Sitzungswochen im Bundestag ist begrenzt. Daher ist eine Umsetzung unwahrscheinlich", sagte Kukies den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben).
Allerdings wolle man bis zum Schluss an einer "guten Grundlage für die Reform" arbeiten. Jeder sehe, dass die Riester-Rente in der Öffentlichkeit nicht mehr angenommen werde. In Ländern wie Schweden, Dänemark oder den Niederlanden profitiere die Rentenentwicklung durch eine langfristige und breit gestreute Kapitalanlage.
"Insofern habe ich mich mit großer Leidenschaft schon im Kanzleramt dafür eingesetzt, dass die Reform der privaten Altersvorsorge kommt. Zumal es auch die Kapitalmärkte und die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen in Deutschland und Europa stärken würde", sagte der Nachfolger des entlassenen Finanzministers Christian Lindner (FDP).
Beim Steuerfortentwicklungsgesetz, das unter anderem den Abbau der Kalten Progression und eine Erhöhung beim Kindergeld vorsieht, hofft der SPD-Politiker dagegen noch auf eine Einigung. Beide Maßnahmen wären "eine viele Milliarden Euro umfassende, direkte Entlastung" für die Bürger. "Und das Gesetz enthält zusätzlich eine Entlastung für die Unternehmen, zum Beispiel durch deutliche Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen für Investitionen", sagte Kukies.
Man könne sich in der aktuellen Lage keine Konjunkturbremse und restriktive Finanzpolitik leisten. Stattdessen müsse man die Bürger entlasten und die Wirtschaft gezielt ankurbeln.
Eine Bewertung der Arbeit seines Vorgängers wollte der frühere Staatssekretär von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht vornehmen. "Aber das Finanzministerium ist in einem sehr guten Zustand", sagte Kukies. "Und Stand heute kommen wir auch ohne Nachtragshaushalt für das laufende Jahr ohne Haushaltssperren aus", führte er aus.
Bei der Amtsübergabe habe Kukies mit Lindner telefoniert. Bei "dringenden Sachen" könne er den FDP-Chef jederzeit anrufen. "Es ist absolut üblich, dass man Kontakt mit seinen Amtsvorgängern hält", sagte Kukies. Daran ändere auch nichts der derzeitige Konflikt zwischen der SPD und der FDP. "Man muss trennen zwischen der Professionalität eines geordneten Amtsübergangs und der politischen Auseinandersetzung. Ein Ministerium wie das Finanzministerium hat gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Das darf nicht infrage gestellt werden, weil es einen politischen Konflikt gib", sagte Kukies.
Der SPD-Politiker will zudem hoch verschuldete Kommunen durch eine Übernahme von Altschulden entlasten. "Bund und Länder könnten die Lasten dieser Alt-Kredite möglicherweise kostengünstiger als betroffene Kommunen finanzieren. Politisch als auch wirtschaftlich wäre es sinnvoll, die entsprechenden Kommunen zu entlasten", sagte Kukies.
Die Kommunen seien volkswirtschaftlich durch ihre Investitionen enorm bedeutend. "Und im Alltag spüren die Menschen die Daseinsvorsorge in Form von besseren Kindergärten, Schulen oder dem öffentlichen Nahverkehr", so der SPD-Politiker.
Bei einer Entlastung der Kommunen müsse man aber sicherstellen, dass diese sich so verhielten, dass keine neuen Probleme hinzukämen. "Es braucht also eine Selbstverpflichtung", forderte der SPD-Politiker.
Auch dürften Länder, die deren Kommunen Entschuldungsprogramme bereits durchgeführt haben, nicht benachteiligt werden. "Um die Kommunen gezielt entlasten zu können, bedarf es einer Änderung des Grundgesetzes", sagte Kukies. "Diese wird auf Bitten des Bundeskanzlers derzeit von meinem Haus erarbeitet."
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