Geflohener Häftling: Zu viele Freiheiten im Strafvollzug?

Die Flucht eines zu neun Jahren Haft verurteilten Geldautomatensprenger aus der JVA Wolfenbüttel zieht weite Kreise. Auch die Landespolitik befasste sich mit dem Thema.

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Symbolfoto | Foto: Anke Donner

Wolfenbüttel. Vor knapp vier Woche konnte ein Häftling der JVA Wolfenbüttel während eines Ausflugs, der lediglich von einem Geistlichen begleitet wurde, fliehen. regionalHeute.de hat bei dem Wolfenbütteler SPD-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden des niedersächsischen Unterausschusseses „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“, Jan Schröder, nachgefragt, ob die Sicherheitsmaßnahmen und Haftlockerungen angemessen waren, oder ob es hier einer Überarbeitung bedarf.



Die Flucht eines zu neun Jahren Haft verurteilten Geldautomatensprengers aus der JVA Wolfenbüttel zieht weite Kreise. Auch die Landespolitik befasste sich mit dem Thema. Gestern tagte dazu der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“. Jedoch erst, nachdem die Landes-CDU kritisierte, dass der Ausschuss abgesagt wurde, obwohl es Redebedarf zur der Flucht am 5. Februar geben würde.

CDU fordert Transparenz und Aufklärung


Die CDU-Abgeordneten Carina Hermann und André Hüttemeyer hatten in der vergangenen Woche gefordert, die Flucht des Gefangenen aus der JVA Wolfenbüttel transparent aufzuklären und die bereits abgesetzte Sitzung wieder anzuberaumen. „Mit Erstaunen hat die CDU-Landtagsfraktion zur Kenntnis genommen, dass die ursprünglich für den 1. März geplante Sitzung des Unterausschusses für Justizvollzug und Straffälligenhilfe am 20. Februar abgesagt wurde, obwohl bereits am 10. Februar über die Flucht eines zu neun Jahren Haft verurteilten Häftlings der JVA Wolfenbüttel öffentlich berichtet wurde. Erst auf unseren Antrag wurde die Sitzung dann wieder anberaumt und das Thema auf die Tagesordnung gesetzt,“ erklärt der Sprecher für Justizvollzug André Hüttemeyer.


"Rechtsstaat wird an der Nase herumgeführt“


„Es ist schon bemerkenswert, dass das Justizministerium die Absage des Ausschusses des Niedersächsischen Landtags bei einer öffentlich gewordenen Flucht eines Häftlings hinnimmt und erst die Opposition mit Ihrem Antrag für Transparenz sorgen muss“, erklärt die Parlamentarische Geschäftsführerin Carina Hermann. „Ebenso erstaunlich ist, dass sich das Justizministerium laut der Presseberichterstattung seiner Verantwortung entzieht und den schwarzen Peter öffentlich der Justizvollzugsanstalt zuschiebt. Wir erwarten, dass die Landesregierung zu diesem öffentlich gewordenen Vorgang - auch in teilweiser öffentlicher Sitzung - Stellung nimmt“, so Hermann weiter. Dies würde umso mehr gelten, da es sich bei dem Mann um einen Sprenger von Geldautomaten handelt, der zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Es dürfe nicht sein, dass die Polizei diese Täter unter einem enormen Aufwand und erheblichen Gefahren fassen kann und sie dann während eines Ausflugs aus der Haft einfach wieder entwischen. "Hier wird der Rechtsstaat an der Nase herumgeführt“, betont Hermann.


Kein strukturelles Problem


Das Thema schaffte es sodann auch auf die Tagesordnung des Ausschusses - jedoch nicht öffentlich. Jan Schröder erklärt dennoch, was er aus dem Ausschuss mitgenommen hat. "Meine Erwartungen wurden zunächst dahingehend erfüllt, als dass im Ausschuss umfassend über die Situation berichtet und aufgeklärt wurde. Wir werden uns jedoch das Verfahren zur Beurteilung von Hafterleichterungen in einer der nächsten Ausschusssitzungen noch genauer vom Justizministerium darstellen lassen", so Schröder, der betont, dass es sich bei diesem Fall um eine absolute Ausnahme handele. "So bedauerlich dieses Vorkommnis ist, so muss man berücksichtigen, dass individuelle Fehler leider auch im Strafvollzug vorkommen. Ein strukturelles Problem kann ich allerdings nicht erkennen", sagt er.

Kein Handlungsbedarf


Der Unterausschuss werde, wie auch im vorliegenden Fall, vollumfänglich über außerordentliche Vorkommnisse im niedersächsischen Justizvollzug unterrichtet. Sollten sich bei den Unterrichtungen Anhaltspunkte ergeben, dass bestimmte Handlungsrahmen zu ändern beziehungsweise zu modifizieren sind, wären Initiativen aus dem politischen Raum anzustoßen. Grundsätzlich sieht Schröder aber keinen Handlungsbedarf, an den Regelungen zu schrauben. Man dürfe trotz des Vorfalls nicht den Fehler machen und sämtliche Haftlockerungen in Frage stellen. "Ich warne auch davor, diesen Einzelfall zum Anlass zu nehmen, um grundlegende Reformen zu forcieren", macht er deutlich. Wie auch schon das Justizministerium zuvor, weist Schröder daraufhin, dass es nicht unüblich ist, dass Gefangene während eines Ausflugs von Bezugspersonen oder Bediensteten begleitet werden. Schröder erklärt diesem Zusammenhang, dass die Nichtrückkehr-Quote bei Ausflügen, Urlauben und so weiter in den zurückliegenden Jahren bei 0,00 bis 0,07 Prozent gelegen habe.

JVA verantwortlich für Flucht


Wer die Flucht zu verantworten hat, ist für Schröder klar. "Die Verantwortung liegt bedauerlicherweise bei der hiesigen JVA, da bei der Prüfung der Eignung zur Gewährung von Vollzugslockerungen nicht alle prognoserelevanten Faktoren in den Entscheidungsprozess einbezogen worden sind und wesentliche Unterlagen nicht vorgelegen haben." Allerdings lasse sich daraus aber nicht ausdrücklich ableiten, dass auch eine ausreichende Berücksichtigung aller Faktoren prinzipiell zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. "Unzweifelhaft steht allerdings fest, dass die Lockerungsentscheidung hinsichtlich der in Aussicht stehenden Haftdauer zu früh erfolgt ist", so Schröder.


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