Wolfenbüttel. Im Goldenen Buch der Stadt soll künftig ein Vorwort zur Entstehungsgeschichte und historischen Einordnung der Eintragungen zu finden sein, heißt es in einer Mitteilung der Ratsgruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/Die PARTEI. Es geht dabei vor allem um die Erwähnung einiger Seiten und Einträge, die in den 1960er-Jahren aus dem Buch entfernt wurden, aber eng mit der Entstehung des Buches verknüpft sind.
Das Goldene Buch der Stadt Wolfenbüttel wurde ursprünglich 1938 unter der nationalsozialistischen Herrschaft ins Leben gerufen. Im Jahr 1962 wurden Seiten entfernt, die den Bezug zum Nationalsozialismus herstellten. Auch das Titelblatt, das die NS-Zeit glorifizierte, wurde nach Auskunft der Stadt vermutlich im selben Jahr verändert. Diese Veränderungen und die anhaltende Auseinandersetzung mit der Geschichte der Stadt sollen auf Initiative des Grünen-Ratsherren Leonhard Pröttel durch das Vorwort im Goldenen Buch sichtbar gemacht werden.
Die verschwundenen Seiten
Anfang der 1960-erJahre wurden einige Seiten herausgetrennt. Es sind Seiten, die zur NS-Zeit entstanden sind. Foto: Anke Donner
Bereits vor über 10 Jahren machte sich regionalHeute.de auf die Suche nach den verschwundenen Seiten des Goldenen Buches, nachdem wir mit Wolfenbüttels ehemaligen Bürgermeister Thomas Pink durch das Buch blätterten.. Damals war die Frage aufgekommen, wo die Seiten geblieben sind, die vor 1962 entstanden sind.
Gefunden hatten wir sie dann wenige Wochen später, im Mai 2014, im Rathaus. Dort lagerten die Seiten, die unter anderem Einträge des damaligen Reichs-Innenministers Wilhelm Frick und Mitgliedern der damaligen Landesregierung zeigen. Die ersten Seiten des Buches wurden geändert. Der Original-Eintrag "Begonnen aus Anlass der fünften Wiederkehr des Tages der Machtübernahme durch unseren geliebten Führer und Reichskanzler Adolf Hitler am 1.12.1938,“ wurde 1962 auf Veranlassung des damaligen Stadtdirektors Wolfgang Wessels in "Begonnen am 1.12. 1938" geändert.
Noch heute werden die Seiten im Rathaus aufbewahrt, erklärte Stadtsprecher Thorsten Raedlein kürzlich auf eine erneute Nachfrage von regionalHeute.de. Eine öffentliche Auslegung oder die Aufnahme in ein Museum der Stadt sei seines Wissens nach nicht geplant.
Aus der Vergangenheit lernen
Auch wenn diese Seiten der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, so soll nicht weiter unerwähnt bleiben, dass es sie gibt. Die Stadt Wolfenbüttel mache damit einen wichtigen Schritt in Richtung historischer Transparenz und Verantwortung, heißt es in einer Mitteilung der Ratsgruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/Die PARTEI. Neben dem Vorwort im Goldenen Buch sollte nach Ansicht der Ratsgruppe auch darauf hingewiesen werden, dass Adolf Hitler seit 1933 Ehrenbürger der Stadt war. Er wurde von der ersten Stadtverordnetenversammlung unter ausschließlich nationalsozialistischen Mandatsträgern zum Ehrenbürger ernannt. 1983 hat sich der Rat in einer Resolution von der Verleihung distanziert und sie damit faktisch aberkannt.
„Es ist wichtig, dass wir die dunklen Kapitel unserer Geschichte nicht unter den Tisch kehren. Die Geschichte der Stadt muss vollständig erzählt werden, auch wenn sie unangenehme Wahrheiten beinhaltet. Das ist kein Grund uns heute zu schämen, sondern wir können uns freuen, denn man sieht, wie sich Deutschland und Wolfenbüttel zu einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft entwickelt hat", sagt der Grüne-Ratsherr Leonhard Pröttel, der mit einer Anfrage diese Veränderung angestoßen hat.
Auch Lena Krause, Bundestagskandidatin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, unterstreicht die Bedeutung der Entscheidung: „Wir können unsere Geschichte nicht aus dem Kontext herausnehmen. Wir müssen sie reflektieren und öffentlich diskutieren, damit wir aus der Vergangenheit lernen und die richtigen Lehren für die Zukunft ziehen können. Selten war es so wichtig, alle Demokratinnen dazu aufzurufen sich entschieden gegen Rechtsextremismus zu stellen.“
mehr News aus der Region