Goslar. Für fragende Gesichter und Diskussionen sorgte im Bauausschuss am vergangenen Donnerstag die Tatsache, dass Ausschussvorsitzende Sabine Seifarth (Grüne PARTEI 42) die Abstimmungen boykottierte - mit Ansage. Damit wolle ihre Gruppe gegen einen Beschluss der Landesregierung protestieren, der kleine Fraktionen in den Ausschüssen benachteiligt und ihnen das Stimmrecht nimmt (regionalHeute.de berichtete). Im Gespräch mit regionalHeute.de erklärt Seifarth die Entscheidung ihrer Fraktion - und wirft der Großen Koaliton im Landtag "Machtmissbrauch" vor.
Der Niedersächsische Landtag hat mit den Stimmen von SPD und CDU Mitte Oktober der Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes zugestimmt. Demnach wird die Besetzung der Ausschüsse künftig nach einem anderen System errechnet, das große Fraktionen bevorteilt. Die Umstellung des Verfahrens, nach dem die Besetzung und die Stimmrechtvergabe in Ausschüssen berechnet wird, von Hare-Niemeyer auf d'Hondt, ist in den kommunalen Parlamenten nach den Wahlen im September bereits erfolgt.
Solidarität mit kleinen Fraktionen
Dass die Grünen nun überhaupt ein Stimmrecht hätten, sei laut Seifarth lediglich dem Zufall zu verdanken. Ohne die Bildung der Gruppe "Grüne Partei 42" mit Sebastian Wirth (Die PARTEI) und dem fraktionslosen SPD-Überläufer Giovanni Graziano (42) hätten auch die Grünen Seifarth, Holger Fenker und Anke Berkes nur in wenigen Ausschüssen ein Stimmrecht gehabt. Seifarth erklärt: "Wir halten das schlichtweg für Machtmissbrauch von der Groko, um die Interessen von SPD und CDU im kommunalen Bereich zu sichern." Die Aktion sei eine Solidaritätsbekundung an alle anderen kleinen Fraktionen im Land.
"Wir halten das schlichtweg für Machtmissbrauch von der Groko, um die Interessen von SPD und CDU im kommunalen Bereich zu sichern."
Aus der Sicht ihrer Gruppe spiegele das neue Auszählungsverfahren, nach welchem die Ausschüsse besetzt werden, nicht das Wahlergebnis wieder: "Je größer die Fraktion, desto mehr Sitze im Ausschuss haben sie. Aber nicht im gleichen Verhältnis, sondern überproportional." Die Enthaltung von den Abstimmungen brachte der frisch gebackenen Ausschussvorsitzenden in der Bauausschusssitzung am vergangenen Donnerstag viel Kritik von den dominierenden Fraktionen SPD und CDU ein. Claus-Eberhard Roschanski (CDU) kritisierte wiederholt die Zählweise der Ausschussvorsitzenden bei den Abstimmungen, ebenso Stefan Eble (SPD), da sie sich selbst nicht als Enthaltung, sondern als "Nichtteilnahme" verbuchte, was SPD und CDU für unzulässig hielten.
Elke Brummer (SPD) warf die Frage auf, wie denn diese "Totalverweigerung" ihrer Gruppe zum Wählerwillen passen würde. Seifarth ließ sich auf keine Diskussion ein und bot Gespräche nach der Sitzung an. Gegenüber regionalHeute.de äußert Seifarth die Vermutung, dass es sich wohl um einen "abgesprochenen Aufstand" gehandelt habe: "Ich fand das etwas unfair gegenüber einer neuen Ausschussvorsitzenden." Das Gesprächsangebot, so Seifarth, habe niemand wahrgenommen: "Es ging ihnen also scheinbar nicht um die Sache." Ohnehin, so Seifarth, sei das Vorgehen ihrer Gruppe mit der Verwaltung besprochen und in bisherigen Ausschüssen auch kein Problem gewesen.
"Ausschüsse mit beratender Funktion"
Die Frage von Elke Brummer bleibt jedoch offen - wie passt diese "Totalverweigerung" zum Wählerwillen? Seifarth ließ sich zwar im Ausschuss nicht provozieren, die Frage drängt sich jedoch auf. Von einer Totalverweigerung könne nicht die Rede sein, meint Seifarth. "Wir beteiligen uns ja an den Diskussionen. Es ist ja nicht so, dass wir uns da komplett raushalten würden. Das würde auch nicht dem Willen des Wählers entsprechen." Seifarth erklärt außerdem, dass man dieses Vorgehen nur in den beratenden Ausschüssen durchziehen wolle - dort, wo keine Entscheidungen getroffen werden: "Wenn es nachher im Rat um Entscheidungen geht, werden wir selbstverständlich mit abstimmen, weil genau dann der Wählerwillen zählt." Aus diesem Grund sei das Vorgehen auf diese Weise auch in den Kreisausschüssen nicht umsetzbar: "Dort gibt es Ausschüsse und Beiräte, die einfach beschließen. Da wäre so ein Verhalten nicht angemessen."
Ein Zeichen nach Hannover
Doch wieso genau sollte es die Groko in Hannover interessieren, ob eine kleine Gruppe in Goslar an Abstimmungen in den Ausschüssen teilnimmt? Seifarth hofft auf einen Nachahmereffekt: "Es ist Sache der Fraktionen vor Ort, die Informationen nach Hannover zu transportieren. Mir ist ziemlich klar, dass wir nichts durch unser Vorgehen ändern, aber wir tun unseren Unwillen kund. Wenn die kleinen Parteien das landauf, landab akzeptieren und nichts dagegen sagen und machen, wird das als gegeben hingenommen." Auch mit dem neugewählten Landrat Alexander Saipa (SPD), ehemals Landtagsabgeordneter, habe sie die Angelegenheit besprochen: "Inwieweit er das in seine Landtagsfraktion transportiert hat, weiß ich nicht", so die Grünen-Politikerin abschließend.
mehr News aus Goslar