Rats-Debatte um Haushalt - „SPD wird größenwahnsinnig"

von Nino Milizia


Michael Ohse (Die LINKE) machte in der Ratssitzung seinem Unmut Luft. Foto: Privat
Michael Ohse (Die LINKE) machte in der Ratssitzung seinem Unmut Luft. Foto: Privat | Foto: DIE LINKE

Goslar. In der gestrigen Ratssitzung wurde der Haushaltsplan 2017 verabschiedet. Während die großen Parteien Zufriedenheit in ihren Wortbeiträgen ausdrückten, sahen sich DIE LINKE und die Bürgerliste gezwungen, ihrem Unmut Luft zu machen.


Vollste Zufriedenheit bei den großen Parteien


Norbert Schecke, CDU, outete sich als Fan des Sängers Clueso, zitierte Stellen des Songs "Neuanfang" und nahm damit Bezug zum Haushalt: "Es ist nicht zu früh, es ist nicht zu spät. Ein guter Plan ist mehr als eine Idee." Zum vierten Mal in Folge habe man einen ausgeglichenen Haushalt. Trotz Zukunftsvertrages sei eine Entschuldung möglich, Investitionen würden dennoch nicht vernachlässigt. Goslar habe wieder Power, darauf könnten alle stolz sein. Goslar wüchse wieder, die Einwohnerzahlen stiegen, der Stellenplan sehe neun neue Stellen für Erzieherinnen vor. So mutete sein Wortbeitrag beinahe wie ein Loblied an, auch wenn er einige kritische Töne anschlug. Bahnbrechendes habe keine Fraktion eingebracht, viele Mittel seien bereits gebunden. In den nächsten Jahren müssten die Projekte mit Vernunft abgearbeitet werden. Dennoch klang der Grundtonus versöhnlich, mit Cluesos Hit auf den gedanklichen Lippen mochte man fast in ein harmonisches Schunkeln übergehen.

Urte Schwerdtner, SPD, konnte dies sogar stimmungsvoll überbieten. Sei man doch zum Wohle der Stadt angetreten und habe eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit Gelb und Grün gesehen. Kompromissbereit und guten Sachargumenten stets offen gegenüber sei die SPD gewesen. Die Liste des Erfolgs erschien lang: Hohe Investitionen in die Kitas der Stadt, in die Bildung, in die man mehr Konstanz durch mehr unbefristete Stellen bringen wolle, Erhöhung der Jugendzuschüsse, neue Bauplätze mit guter Infrastruktur, der Kulturmarktplatz, der ein Vorschlag der SPD gewesen sei, der für Jürgenohl so wichtige Fliegerhorst. Dennoch dürfe man sich nicht ausruhen, die Verbesserung des Rathauses müsste vorangetrieben, die Infrastruktur verbessert, das Stadtbild verändert werden, Oker mit seinen Teichen und der Kirchenbrücke im Blick bleiben. Investitionen blieben weiter nötig.

Unmut und Gegenwind - vor allem gegenüber der SPD


Doch bevor sich die Ratsmitglieder bei den Händen nehmen und gemeinsam "Neuanfang" trällern konnten, trat Michael Ohse auf den Plan und verkündete seine Sicht der Dinge. Ein Umsteuern zu einer sozialen, familienfreundlichen Politik sei im Rahmen dieses Haushalts möglich gewesen: "Stattdessen hat sich nach den Kommunalwahlen eine „Haushaltsmehrheit“ aus SPD, FDP/AfG und Grünen zusammengefunden, die ich hier einmal als „Blockparteien“ bezeichnen möchte. Die SPD-Fraktion hat ihre Größe im Gegensatz zur CDU halten können, die FDP hat am rechten Rand gefischt und ist eine Fraktion mit der AfG eingegangen, die Grünen haben sich eingefügt. Diese kuriose Haushaltsmehrheit hat jedwede Anträge der „Nichtblockparteien“ CDU, Bürgerliste und DIE LINKE abgeblockt und weggestimmt und ihre eigenen, größtenteils Klientelanträge für Jerstedt und Vienenburg durchgeboxt. Vielleicht wäre deshalb der Begriff „Abblockparteien“ besser. Selbst die doch sicher „normalerweise“ unstrittige Erhöhung des Zuschusses ans Mütterzentrum Immenrode um 2.000 Euro wurde von SPD, FDP/AfG und Grünen abgelehnt."

Und so nahm er sich der selbsternannten "stets kompromissbereiten" SPD an: "Es war ja damit zu rechnen, dass Teile der SPD in politischen Größenwahn verfallen – aber dass dieses so schnell geschieht? Die „dunkle Seite der Macht“ ist zurück mit Gesprächen im Hinterzimmer und unbesehenem Abstrafen von sinnvollen Anträgen, wenn sie nicht aus dem „eigenen Block“ kommen. Schade – aber offensichtlich müssen wir uns darauf einstellen. Deshalb sprechen wir es an dieser Stelle hoffentlich auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbar an." Seine Fraktion würde den Haushaltsplan aus folgenden Gründen ablehnen: Verzicht auf die Bettensteuer, Verzicht auf die Senkung der Kita-Gebühren, Verzicht auf eine 0,75-Vollzeitstelle der Gleichstellungsbeauftragten, Teilprivatisierung des Betriebshofs und die Erhöhung der Aufwandsentschädigungen seien für ihn ein Ärgernis. Zur Entschuldung habe die FDP im übrigen nichts beigetragen, beim Zukunftsvertrag habe man sich enthalten. Darauf reagierte Christian Rehse, FDP, mit einer Zwischenfrage: "Herr Ohse, wissen Sie, wer die Landesregierung gestellt hat, die die Entschuldung der Kommunen vorgenommen hat? CDU und FDP. Danke."
Dem entgegnete Ohse entnervt: "Weshalb haben Sie dann gegen ihre Landesregierung gestimmt?"

Henning Wehrmann von der Bürgerliste zeigte sich ähnlich enttäuscht. Mit der Ablehnung der Nachtabschaltung treibe man die Energiekosten in die Höhe, eine Kompensation der teuren, touristischen Infrastruktur in Form einer Bettensteuer habe man in die Tonne getreten, Geld würde für Diätenerhöhungen zum Fenster hinaus geworfen. Haushaltseckdaten einer Gewinnerstadt sähen anders aus.

Und so fehlte nur noch das Clueso-Zitat: "Es fühlt sich wacklig an. Herzlich Willkommen, Neuanfang."

Hören Sie hier einen Auszug aus derRede von Michael Ohse:


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