Sohn im Manczak-Prozess: "Ich habe keine Hoffnung mehr, dass mein Vater noch lebt"

Der älteste Sohn des mutmaßlichen Opfers sagte heute vor Gericht aus. Er schilderte im Detail die Stunden und Tage nach dem Verschwinden seines Vaters.

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Die zwei Söhne des mutmaßlichen Opfers sind Nebenkläger (Archivfoto).
Die zwei Söhne des mutmaßlichen Opfers sind Nebenkläger (Archivfoto). | Foto: Anke Donner

Braunschweig/Goslar. Es war ein weiterer Prozesstag im Mordfall Karsten Manczak vor dem Braunschweiger Landgericht. Angeklagt ist ein 50-Jähriger Bundespolizist, der im Verdacht steht, seinen engen Freund aus dem Weg geräumt zu haben. Das Motiv, so vermutetet es die Staatsanwaltschaft, ein Mord aus Liebe. Am heutigen Freitag mussten der Sohn des mutmaßlichen Opfers und dessen langjährige Freundin in den Zeugenstand.



Der 26-jährige Sohn von Karsten Manzcak erzählte an diesem Tag, wie sich mit dem frühen Morgen des 13. April 2021 im Hause der Familie Manczak alles änderte. Wie er als Erster in der Familie an diesem Tag das mulmige Gefühl verspürte, dass irgendetwas nicht stimmt. Gegen 6 Uhr sei er an diesem Tag in die Küche gekommen, das Licht brannte, einige Sachen seines Vater lagen verstreut in der Küche. Der Schlüssel von Manczaks Arbeitsstätte lag auf dem Küchentisch, auch das Handy war da. Ebenso die Arbeitstasche. "Auf der Arbeitsplatte lag noch ein geschmiertes Toast", beschreibt er den Morgen. Von seinem Vater keine Spur. Auch das Auto der Familie, ein blauer Caddy, war verschwunden. Der Sohn hatte kurz zuvor noch gehört, wie die Türen des Autos zu gingen. Das Geräusch der hinteren Schiebetüren kenne er genau. Und noch eines fiel dem jungen Mann auf: Sein eigener Arbeitsrucksack mit persönlichen Sachen fehlte. Es sei noch nie vorgekommen, dass sein Vater die beiden Taschen verwechselt hat, zumal sie vollkommen unterschiedlich ausgesehen haben. Dennoch ging er zunächst davon aus, sagt er. Seine Mutter beschrieb die Situation in der Küche an diesem Morgen in einer späteren Nachricht an ihren Sohn als "Hier sieht es aus wie weggelaufen".


Das sollte nicht das einzige Merkwürdige an diesem Tag und in den kommenden Wochen sein, wie sich später herausstellen sollte. Den ganzen Tag über hatte er nichts von seinem Vater gehört. Am Abend informierte ihn seine Mutter, dass Karsten Manczak noch immer nicht aufgetaucht sei und man sich inzwischen große Sorgen mache. Der 26-Jährige sei dann auf direktem Wege nachhause gefahren und nicht wie geplant zu den Eltern seiner Freundin. Inzwischen hatte sich auch sein jüngerer Bruder gemeldet und berichtet, dass von dem Vater jede Spur fehlt.

Angeklagte wirkte unbeteiligt


Zuhause, wo neben der Familie auch der Angeklagte Martin G. wartete, machte er sich auf die Suche nach seinem Vater, schaute im Haus, in den Nebengebäuden und im Garten. Die Sorge wuchs, als der 26-Jährige eine Blutlache im Garten und weitere Blutspuren auf der Terrasse entdeckte. Die Polizei wurde eingeschaltet, die den Fall aufnahm, die Spuren sicherte und Nachbarn befragte. Das ungute Gefühl vom Morgen verstärkte sich, erzählt er. Die Absuche in der näheren Umgebung, bei den Krankenhäusern in Salzgitter Bad und Goslar nach seinem Vater und dem Auto verlief erfolglos. Die Familie sei im Laufe des Abends immer besorgter und beunruhigter geworden, schildert der Sohn des mutmaßlichen Opfers die weiteren Stunden des 13. April. An der Seite der Familie: Der Angeklagte Martin G. Er sei sehr präsent gewesen, habe der Familie seinen Beistand zugesichert, sich aber gleichzeitig sehr zurückgehalten und sei wenig aktiv gewesen. Auch an der Suchaktion, die über die sozialen Netzwerke herausgeben wurde, habe er sich nicht beteiligt, schildert der Sohn weiter. Von einem Polizisten und Freund habe er eine andere Reaktion erwartet. So berichtet es auch die Freundin des Sohns in ihrer späteren Aussage. Komisch sei dem Paar auch vorgekommen, dass G. sich am Abend des 13. April schnell verabschieden wollte, als er hörte, dass die Polizei kommt. Erst auf Bitten der Familie sei er schließlich geblieben.

Der Angeklagte Martin G. (rechts) mit seinen Verteidigern Martin Nitschmann und Andreas Zott.
Der Angeklagte Martin G. (rechts) mit seinen Verteidigern Martin Nitschmann und Andreas Zott. Foto: Anke Donner



Weitere Stunden und Tage sollten vergehen, ehe es eine kleine Spur gab. Auf dem Expo-Gelände in Hannover wurde am 16. April das Auto der Familie gefunden. Von Karsten Manczak auch hier keine Spur. Doch in dem Auto wird der Rucksack des Sohnes gefunden. An ihm Spuren des Angeklagten, wie ein Gutachter später feststellen wird. Wie die Spuren an die Tasche gekommen sind, wisse er nicht. Der Angeklagte habe eigentlich keinen Zugang zu der Tasche gehabt. Fakt ist aber, dass einige Sachen aus dem Rucksack bis heute nicht wieder auftauchten. Der Rucksack selbst, sowie eine Trinkflasche seien seines Wissens nach noch bei der Polizei. Doch seine Brieftasche und ein T-Shirt seien verschwunden. Das Portemonnaie wurde offenbar auch beim Auffinden des Rucksacks nicht gefunden.

Keine Hoffnung mehr


Polizei und Staatsanwaltschaft gehen inzwischen davon aus, dass Karsten Manczak nicht mehr lebt. Der Angeklagte Martin G. soll ihn mit einer Armbrust getötet und weggeschafft haben. Die sterblichen Überreste wurden auch neun Monate nach dem Verschwinden des 51-Jährigen nicht gefunden.


Auch der Sohn habe nicht mehr die Hoffnung, dass sein Vater noch am Leben sei, antwortet er auf die Frage der Nebenklagevertretung, ob er glaube, sein Vater würde noch lebe. Dieses Gefühl habe er schon sehr früh gehabt und es habe sich verstärkt je mehr Zeit verstrichen war. Dem Angeklagten habe er dies auch einmal anvertraut. Doch der habe darauf relativ unbeteiligt reagiert. Der 13. April 2021 habe alles verändert, die ganze Familie habe die ganze Sache sehr mitgenommen, vor allem seine Mutter leide sehr, sagt er.

Er gehörte zur Familie


Dass sich der Angeklagte Martin G., der ein guter und enger Freund der Familie war, in den ersten Tagen nach dem Verschwinden Manczaks so sehr zurückgehalten hat, unbeteiligt und emotionslos wirkte, sei bei der Familie auf Unverständnis gestoßen. G. habe sonst viel erzählt, manchmal sogar angeberisch von seinem Job gesprochen und sei auch sonst sehr mitteilsam gewesen. Dass er so unbeteiligt war, habe den jungen Mann irritiert. Man habe sich so lange gekannt, sich sehr nahe gestanden und sich vieles anvertraut. Erst in den weiteren Tagen und Wochen habe sich das Verhalten von G. "normalisiert". Er sei sehr häufig bei der Familie gewesen - vielleicht sogar häufiger, als das früher der Fall war, gibt er an. Die Nachricht von seiner Verhaftung habe ihn sehr getroffen.


G. sei seit vielen Jahren ein enger Freund, habe zur Familie gehört und habe viele Stunden gemeinsam mit der Familie verbracht. Die Treffen seien immer harmonisch verlaufen, sagt der Sohn. Nur einmal habe er eine "komische Stimmung" gespürt. Einige Wochen vor dem Verschwinden seines Vaters hatte die Familie gemeinsam gedartet. G. hatte im Haus der Manczaks übernachtet. Am nächsten Morgen sei die Stimmung am Tisch nicht gut gewesen. Seine Eltern und G. seien sehr schweigsam gewesen. Den Grund dafür sollte er später erfahren, als ihm sein Vater von einer Nachricht erzählte, die er auf dem Handy seiner Frau gefunden hatte. Die Nachricht hatte den Anschein, dass G. etwas mit seiner Frau habe, erzählt der Sohn. Danach habe es ein klärendes Gespräch zwischen G. und seinem Vater gegeben, dann hatte es sich auch wieder beruhigt. Dass G. ein Verhältnis mit der Frau von Karsten Manczak gehabt haben soll, sollen auch anonyme Briefe belegen, die Manczak erhielt. Kurz nach dem Verschwinden seines Vaters habe er von den Briefen erfahren und G. darauf angesprochen. Der beteuerte, dass da nichts dran sei.

Spürbare Abneigung


Von der einstigen Nähe zueinander war heute im Gerichtssaal nichts mehr zu spüren. Karsten Manczaks Sohn hielt mit seiner Abneigung gegen den Mann, der seinen Vater getötet haben soll, nicht hinterm Berg. Als sich die Prozessbeteiligten am Richterpult einfinden sollten, um Fotos in Augenschein zu nehmen, weigerte sich der 26-Jährige mit den Worten "Aber nicht, wenn der da steht." G. wurde daraufhin von seinen Verteidigern gebeten, sich wieder an seinen Platz zu setzen, erst dann trat Manczaks Sohn vor.

Prozess verlängert sich


Eigentlich sollte der Prozess gegen Martin G. am 3. Februar enden. Nun sieht es danach aus, als würde es zusätzliche Verhandlungstage geben. Weitere Zeugen wurden geladen, verkündete der vorsitzende Richter in diesem Prozess, Dr. Ralf-Michael Polomski vor der heutigen Verhandlung. Wahrscheinlich sei, dass weitere zwei Prozesstage anberaumt werden, deren Termine nun abgestimmt werden müssen. Martin G. machte auch heute von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch und bleibt auch weiterhin stiller Beobachter des Prozesses. Ob er jemals zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen aussagen wird, gar seine Unschuld beteuert, werden die letzten Prozesstage zeigen. Bis dahin lassen seine Anwälte nichts unversucht, die Unschuld ihres Mandanten zu beweisen und die Zeugenaussagen in Frage zu stellen.


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